Finanzbildung - wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft

Aufgabe mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz - Genossenschaftsbanken leben ihren Förderauftrag

Finanzbildung - wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft

Der Förderauftrag ist ein ureigenes, rechtlich verankertes Kennzeichen von Genossenschaften. Infolge der aktuellen Herausforderungen der Corona-Pandemie ist die ökonomische und ideelle Förderung von Mitgliedern eine große Aufgabe und Verpflichtung, aber auch ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal sinnstiftender und kooperativer Zusammenarbeit in einer werteorientierten Gesellschaft und Wirtschaft. Ökonomische FörderungGenossenschaften werden im Genossenschaftsgesetz (GenG) als “Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl [definiert], deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern” (GenG, § 1, Wesen der Genossenschaft). Im Einklang mit diesen gesetzlichen Grundsatzvorgaben streben Genossenschaften nicht primär eine Gewinnmaximierung an. Auf Grundlage soliden Wirtschaftens versuchen sie aber selbstverständlich Überschüsse zu erzielen, um damit auch über Fördermittel zu verfügen. Der Förderauftrag kann sowohl ökonomisch als auch eher ideell umgesetzt werden. Im Hinblick auf eine ökonomische Förderung wird in der Fachliteratur auf ein finanzielles oder aber leistungsmäßiges Vorgehen hingewiesen. Namentlich Dividendenausschüttungen an die Mitglieder einer Genossenschaft entsprechen demnach der finanziellen Förderung, während die Beratung und Betreuung von Mitgliedern und bestimmte Zusatzleistungen als leistungsmäßige Förderung anzusehen sind.Die ideelle Förderung kann zum Beispiel anhand der Organisation kultureller Veranstaltungen oder auch mittels Bereitstellung bildungsbezogener Angebote erfolgen. Der Förderauftrag von Genossenschaften ist zwar rechtlich dem Grundsatz nach gegeben, Bestimmungen des Gesetzgebers zur konkreten (inhaltlichen) Umsetzung dieses Auftrags bestehen jedoch nicht. Hinsichtlich der Förderzwecke bestehen also beträchtliche Gestaltungsspielräume. Letztlich obliegt die Entscheidung, in welcher Form Förderkonzepte beziehungsweise ein Förderportfolio realisiert werden, der einzelnen Genossenschaft oder Genossenschaftsbank. Nutzen der Mitglieder mehrenEin ideeller Beitrag zur Förderung von Mitgliedern in Volksbanken und Raiffeisenbanken kann zum Beispiel die Befähigung in Fragen des Wissens um Finanzdienstleistungen sein. Viele Menschen sind in Finanzfragen unsicher (noch dazu in volatilen, krisenbehafteten Zeiten) und weisen Informationsdefizite auf. Die entsprechenden Angebote sind im Miteinander von Bank und Kunde in besonderer Weise erklärungsbedürftig und setzen Vertrauen voraus. Betrachtet man diesbezüglich die Situation der Genossenschaftsbanken, so ergibt sich aus dem genossenschaftlichen Förderauftrag eine ausdrückliche Verpflichtung von Bankberatern zur Nutzenmehrung der Mitglieder und nicht etwa zur Renditemaximierung der betreffenden Genossenschaftsbank.Werden entsprechende Fairness und Verlässlichkeit im alltäglichen Bankgeschäft tatsächlich gelebt, so wird hieraus ein stabiles Vertrauen der Mitglieder in “ihre” Genossenschaftsbank resultieren. Eine vertrauensbasierte Beziehung zwischen den Mitgliedern (und damit Miteigentümern) einer Genossenschaftsbank und den dort als Ansprechpartner in Finanzfragen handelnden Personen spielt auch für Fragen der Finanzbildung eine wichtige Rolle. Nach üblichem Verständnis soll Finanzbildung – auf der Basis von Reflexionsfähigkeit und Problembewusstsein, Wissen, Kompetenzen und Einstellungen – zum Treffen vernünftiger und dem Wohlergehen dienlicher Entscheidungen in finanziellen Bereichen befähigen.In Praxis und Fachliteratur werden hierzu insbesondere die vier folgenden Finanzbildungskernbereiche beschrieben, die durchaus Überschneidungen aufweisen können: 1. Schaffung und Sicherung von Vermögen, 2. Umgang mit Verschuldung, 3. Verständnis und kritische Reflexion von Versicherungsprinzipien, 4. Umgang mit Geld im Alltag. Bei der Förderung der Finanzbildung auf diesen vier Ebenen nimmt die Beratungstätigkeit durch Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister eine wichtige Funktion ein. Ein Schwerpunkt in der Beratung liegt auf Familien, die in Finanzangelegenheiten häufig durch verfestigte und nachteilige Einstellungsmuster geprägt sind. Die Beratenden sind hier häufig der einzige kompetente Ansprechpartner, und daher kommt ihnen in Geldangelegenheiten eine Schlüsselrolle zu.Mitarbeiter in Genossenschaftsbanken sollten diese Schlüsselrolle im Sinne des Förderauftrages erkennen und die gemeinsame Vertrauensbasis im Umgang mit den Mitgliedern durch Fairness, Sachkompetenz und Berücksichtigung der individuellen Situation und Prägung stärken. Mitglieder können zum Nutzen und Erkunden von Möglichkeitsräumen ohne Ausübung irgendwelcher Druckmomente oder “Belehrungen” angeregt werden, indem ein allmähliches Heranführen an Finanzbildungsthemen mit Rücksichtnahme insbesondere auf individuelles Lern-vermögen und Risikoneigungen/Persönlichkeitsprofile (etwa bei Fragen der Vermögensbildung und -anlagen als Finanzbildungsthema) erfolgt. Sinnvoll ist die Unterbreitung von Anregungen – und nicht etwa von Direktiven (!) – zur Reflexion und zum kritischen Nachdenken über Finanzthemen und vor allem die Bereitstellung kreativer Zugänge zu diesen Themen und entsprechender Explorationsmöglichkeiten. Bewährte KooperationenIn der jüngeren Anwendungsforschung wird in einem solchen Zusammenhang von Finanzbildung “at a teachable moment” gesprochen. Sowohl bei Jugendlichen oder Azubis als auch bei Menschen im bereits fortgeschrittenen Lebensalter können entsprechende Impulse beispielsweise mittels Kombinationen aus Wissensvermittlung, Diskussion und Medieneinsatz (etwa Anlage- beziehungsweise Börsenspiel) gesetzt werden. Bewährt haben sich auch gezielte Kooperationen zwischen Genossenschaftsbanken und Schulen zur Anregung und Förderung des finanziellen Verständnisses, etwa durch Exkursionen (Deutsche Börse, DZ Bank, Deutsche Bundesbank) von Schülern, die dabei von Azubis einer genossenschaftlichen Bank begleitet werden. Mit BreitenwirkungAls weiteres Beispiel dienen auch Initiativen wie die 2016 initiierte mobile “Erlebnisausstellung Finanzanlage” der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment(www.erlebnisausstellung-finanzanlage.de). Didaktische Ziele eines solchen Konzepts sind insbesondere der Abbau der bei vielen Menschen anzutreffenden Distanz gegenüber Begriffen wie “Risiko”, “Rendite” oder der Bedeutung von Ausdauer für Anlageerfolge im Niedrig- beziehungsweise mittlerweile teils Negativzinsumfeld. Solche Finanzbildungsimpulse entfalten mithin eine Breitenwirkung, die über den rechtlich vorgegebenen Förderauftrag für Genossenschaften und Genossenschaftsbanken weit hinausgeht. Im Sinne genossenschaftlicher Identität stellt die Aufgabe für Finanzbildung eine gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Herausforderung dar.Generelle Unsicherheit in Bezug auf Finanzfragen mit einer Anfälligkeit für Vorurteile und stereotypenhaftes Denken, fehlerhafte Entscheidungen beim Sparen oder bei Konsumentscheidungen, Verzicht auf die Erschließung lukrativer Sparformen (etwa für die Altersvorsorge), Vermögensverluste im Niedrigzinsumfeld oder nachteilige Kredite und Überschuldung – all dies trägt als Ausdruck von offenkundigen Finanzbildungsdefiziten zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Instabilität bei. Als Konsequenz herrscht dann an anderer Stelle, etwa bei Pflege oder Gesundheit, schlichtweg Mangel an ausreichenden finanziellen Mitteln. Finanzbildungsinitiativen können eine sich solchermaßen verstärkende Abwärtsspirale aus mangelnder Finanzbildung, daraus resultierenden Fehlentscheidungen und wirtschaftlichen Negativfolgen – gerade in ungewissen (Krisen-)Zeiten – vermeiden helfen. Finanzbildung entfaltet somit zweifellos einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtnutzwert.Abschließend sei aber auch auf kritische Stimmen zur Finanzbildung eingegangen. So wurde teils behauptet, Banken oder Fondsgesellschaften würden das Argument der Finanzbildung letztlich nur zum Zweck der eigenen Profitmaximierung nutzen, sprich: Finanzbildungsinitiativen würden vor allem als ein werbetechnischer “Hebel” zum Verkauf eigener provisionsträchtiger Produkte dienen. Finanzbildungsmaßnahmen, in deren Mittelpunkt nur eigennutzfixierte Beratung steht, würden in der Tat korrumpieren und die Ziele einer sowohl individuellen als auch gesamtwirtschaftlichen/-gesellschaftlichen Nutzenstiftung untergraben. Member ValueAufgrund des eingangs erläuterten genossenschaftlichen Förderauftrags, aber auch vor dem Hintergrund des weiteren genossenschaftlichen Wertekanons (insbesondere Solidarität, Gerechtigkeit, Teilhabe) läuft solch ein Vorwurf für Genossenschaftsbanken und die Organisationen der genossenschaftlichen Finanzgruppe allerdings ins Leere. Natürlich handeln auch diese nicht altruistisch. Jedoch ist eine Instrumentalisierung von Finanzbildungsmaßnahmen im Rahmen einer Fixierung auf Renditemaximierung ausgeschlossen. Entscheidend sind hier vielmehr ein faires und verlässliches Miteinander, das damit verbundene Erreichen von “Member Value” und das Begreifen von Finanzbildung als Aufgabe mit gesamtgesellschaftlich positiven Konsequenzen. Yvonne Zimmermann, Vorstandsvorsitzende der Akademie Deutscher Genossenschaften e.V.