Diskussionsrunde

Fondsbranche beklagt fehlende Orientierung

Zu viel auf einmal, zu wenig aufeinander abgestimmt, inhaltliche Definitionen fehlen – Fondsanbieter fühlen sich von der vielschichtigen Regulierung in Sachen Nachhaltigkeit allein gelassen. Kommission und Aufsicht zeigen Bereitschaft zum Entgegenkommen.

Fondsbranche beklagt fehlende Orientierung

sto Frankfurt

Die Fondsbranche fühlt sich von Politik, Regulierern und Aufsicht mit Blick auf die auf vielen Ebenen laufende Nachhaltigkeitsregulierung bei der Umsetzung im Stich gelassen. „Die Orientierung und die Guidance fehlen, wir müssen den Dialog zwischen Aufsicht und Marktteilnehmern institutionalisieren, damit Klarheit darüber besteht, was erreicht werden soll“, sagte Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit des deutschen Interessenverbands BVI, bei einer Diskussionsveranstaltung des Finanzinformationsanbieters Drescher & Cie.

Es gebe zu viele Regulierungs­projekte der EU auf einmal wie Offenlegungsverordnung, Taxonomie, Mifid-Überarbeitung oder ein Ecolabel, die zudem nicht aufeinander abgestimmt seien und sich daher teils widersprächen. Auch würden neue Begriffe oder Klassifikationen dabei eingeführt ohne (sofortige) inhaltliche Klärung. Die jeweiligen Zeitpläne seien nicht aufeinander abgestimmt, so dass die wesentlichen Detailvorgaben für den Umsetzungsprozess zu spät kämen. „Die geplanten Vorgaben für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger im Rahmen der Anlageberatung, also die Überarbeitung der Mifid, weicht bei der Definition von nachhaltigen Produkten von den Bestimmungen der Offenlegungsverordnung ab, zugleich gibt es noch weitere Sichtweisen über die Ausgestaltung nachhaltiger Produkte wie die deutsche Nachhaltigkeitsampel oder die BaFin-Richtlinie zu nachhaltigen Investmentvermögen“, beklagte Kuper. Gerade das letztere Aufsichtsvorhaben offenbare die unterschiedliche Auffassung zum Thema Greenwashing zwischen Aufsicht und Anbietern (siehe eingeblockten Bericht).

Massives Reputationsrisiko

„Regulierung ist wichtig und richtig, es braucht Druck, um die EU-Ziele beim Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen“, hob dagegen Frank Pierschel, Chief Sustainable Finance Officer der BaFin, hervor. Er räumte ein, dass die verschiedenen EU-Vorgaben viel Bürokratisierung mit sich brächten, die damit den Schwung beim Wandel zu mehr Nachhaltigkeit bremsten. Wegen der fehlenden konkreten Vorgaben auf EU-Ebene fürchte die BaFin Greenwashing, dass also Fonds Anlegern mehr Nachhaltigkeit vorgaukeln, als die Portfolien hergeben. „Das ist ein massives Reputationsrisiko für die einzelne Gesellschaft wie für den gesamten Finanzplatz Deutschland“, warnte Pierschel.

Davon kann mittlerweile die Deutsche-Bank-Tochter DWS ein Lied singen. Die ehemalige Leiterin Nachhaltigkeit, Desiree Fixler, behauptet, dass die DWS das Volumen ihrer nachhaltigen Fonds aufgebläht hat und damit die Aktie des Assetmanagers in den Keller rauschen ließ.

Pierschel hob zugleich hervor, dass die ESG-Regulierung für alle ein Prozess sei, in den sich Anbieter wie Aufseher noch einfinden müssten. Daher werde die BaFin bei der Überprüfung auch „zurückhaltend“ vorgehen, solange viele Definitionen und Standards in diesem Zusammenhang durch die fehlenden konkreten Vorgaben der EU noch nicht geklärt seien, versprach er.

„Wir wissen, dass wir hohe Ansprüche an die Fondsbranche haben, aber auch von Auto- oder Heizungsherstellern erwarten wir, dass sie ihre Produkte nachhaltiger machen“, so Sven Gentner, zuständig für Assetmanagement bei der FISMA, die für Entwicklung und Umsetzung der Strategien der EU-Kommission im Finanzsektor zuständig ist. Die Regulierung sei auch deswegen so komplex geworden, weil der Kampf gegen den Klimawandel ein „moving target“ sei und der richtige Weg zwischen den EU-Ländern umstritten sei. Zugleich dringe die Branche auf einheitliche Vorgaben, wolle nationale Besonderheiten berücksichtigt sehen und im Geschäft so wenig wie möglich eingeengt werden. Die Kommission verlange aber schließlich nicht, dass nur noch nachhaltige Produkte verkauft werden dürften, jeder habe die Opt-out-Möglichkeit. Kleine und mittelgroße Vermögensverwalter hätten angesichts der Komplexität der ESG-Regulierung aber gar keine andere Wahl, als die Opt-out-Karte zu ziehen, beklagte Rechtsanwalt Christian Waigel.

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