Fondsbranche fordert Korsett für ESG-Agenturen
jsc Frankfurt – Der Ruf nach einer europaweit einheitlichen Regulierung der ESG-Datenanbieter wird lauter: Nachdem in der zurückliegenden Woche die französischen und die niederländischen Finanzaufseher in einem gemeinsamen Positionspapier gefordert hatten, den Datenanbietern Vorgaben zu Transparenz, dem Umgang mit Interessenkonflikten, den internen Prozessen und dem Dialog mit Unternehmen zu machen, schloss sich am Freitag der europäische Fondsverband Efama an. Weil es an öffentlich zugänglichen Informationen zur Nachhaltigkeit von Unternehmen mangele, seien Fondsgesellschaften auf Daten, Research und Ratings angewiesen, “was mit hohen Kosten und vielen Fragen verbunden ist”, wie der Verband erklärt.Fondsgesellschaften greifen für die nachhaltige Kapitalanlage auf eine Reihe von spezialisierten Ratingagenturen zurück. Zu den wichtigsten Firmen zählen MSCI, die als Indexanbieter und Datendienst auch darüber hinaus Gewicht hat, Sustainalytics, die vom Fondsanalysehaus Morningstar übernommen wurde, und der Stimmrechtsberater ISS, der derzeit von der Deutschen Börse geschluckt wird.Namen nennt die Efama zwar nicht, die Kritik an der Branche ist jedoch deutlich: Die Fondsgesellschaften beobachteten eine zunehmende Marktkonzentration und steigende Kosten. Die Daten und das Research seien oft inkonsistent und die Methoden nicht transparent genug. Das breite Dienstleistungsangebot der Ratingagenturen, verbunden mit der Marktmacht, werfe Fragen zu möglichen Interessenkonflikten auf. Auch sollten Datendienste verstärkt den Dialog mit Unternehmen suchen, um den Kontext der Firmen in Forschung und Bewertung einfließen zu lassen.Am Dienstag hatten die französische Autorité des marchés financiers (AMF) und niederländische Autoriteit Financiële Markten (AFM) in einer gemeinsamen Erklärung einen verbindlichen europäischen Rahmen für die Regulierung von Nachhaltigkeitsdienstleistern gefordert. Das Vorhaben solle ein Kernelement der Strategie der EU-Kommission sein, fordern die Behörden. In die Rating-Methodik selbst sollten die Regulierer allerdings nicht eingreifen. Auch die European Securities and Markets Authority (ESMA) steht hinter dem Vorhaben. “Ein regulatorischer Rahmen, der Mindeststandards für ESG-Ratings festlegt und die Beaufsichtigung von ESG-Ratinganbietern sicherstellt, wäre ein geeigneter Weg, um die aufgezeigten Bedenken auszuräumen und einheitliche und verlässliche Bewertungsstandards in der ESG-Ratingbranche zu gewährleisten”, erklärt die europäische Wertpapieraufsicht auf Nachfrage. Neue Kompetenz für ESMAAngesichts der Marktkonzentration der Ratinganbieter erkennt die ESMA einen Nutzen darin, selbst Aufsichtskompetenzen zu erhalten – eine Haltung, die auch die französische und die niederländische Aufsicht ausdrücklich teilen. Die Efama, die sich mit ihrer Erklärung grundsätzlich hinter den französisch-niederländischen Vorstoß stellt, macht hingegen keine Angaben, wo die Aufsichtskompetenz konkret liegen sollte. In der Finanzbranche sind neue Kompetenzen für die EU-Behörde mit Sitz in Paris bislang häufig mit Skepsis betrachtet worden. Die ESMA ist als Aufseherin bereits unmittelbar für gewöhnliche Ratingagenturen sowie spezialisierte Transaktions- und Verbriefungsregister zuständig.Der Vorstoß der Efama und der Aufsichtsbehörden findet in Deutschland bislang keine offene Unterstützung. Die Finanzaufsicht BaFin wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Schreiben der französischen und niederländischen Aufseher äußern. Der deutsche Fondsverband BVI wiederum stellte sich zwar hinter die Kritik der Efama. Der Verband setze sich schon länger gegenüber Börsen-, Benchmark- und Ratinganbietern für einen kostengünstigen und einfachen Bezug von Finanzmarktdaten ein, was auch für Nachhaltigkeitskriterien gelte, hieß es dort. Allerdings bezweifele der BVI, dass eine Regulierung der ESG-Ratingagenturen, die inzwischen fast alle zu US-Gesellschaften gehörten, wirksam sei.Der Verband fordert stattdessen mehr Transparenz von den Unternehmen, die am Kapitalmarkt aktiv sind. “Besser wäre sicherlich eine direkte Verpflichtung der Unternehmen zu einer standardisierten Datenlieferung”, erklärt der BVI. Ein Mangel an vergleichbaren Daten durch Anleiheemittenten und Aktiengesellschaften ist ein häufiger Kritikpunkt von Fondsgesellschaften, die im Zuge der Offenlegungsverordnung künftig konkrete Informationen zur Nachhaltigkeit in Verkaufsprospekten aufnehmen müssen.Kritik an dem Vorstoß von Efama und den Aufsehern AMF und AFM kommt auch von einer ESG-Ratingagentur: Der Stimmrechtsberater ISS teilte auf Nachfrage der Börsen-Zeitung mit, dass die Gesellschaft den Kunden aus dem Kreis der Investoren sowie den bewerteten Unternehmen die Methodik konkret darlege. ISS ESG habe immer eine vollständige Transparenz bereitgestellt. “Es gibt keine ,Black Box’` bei ISS’, erklärte Marija Kramer, Leiterin der ESG-Einheit von ISS.