Frankfurt trotzt Stellenabbau
Die üblichen Verdächtigen – Digitalisierung, Nullzins, Wettbewerbsdruck, neue Konkurrenten – veranlassen Banken zum Stellenabbau, um Kosten zu senken. Bundesweit schrumpft die Zahl der Stellen seit Jahren. Ganz anders stellt sich die Lage in Frankfurt dar. Hier wird netto aufgebaut, zeigt eine Studie. Von Tobias Fischer, FrankfurtDie Bankbeschäftigung in Südhessen, und hier insbesondere in Frankfurt, ist in der deutschen Finanzwirtschaft eine Ausnahmeerscheinung. Unter dem Strich werden Stellen aufgebaut – entgegen der bundesweiten Betrachtung. Nahm in der deutschen Finanzbranche die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von Juni 2008 bis Juni 2018 um 2,2 % auf 652 800 ab, stieg sie in diesem Zeitraum in Frankfurt um 2,8 % auf 66 180 (siehe Grafik). “In der Vergangenheit war der Arbeitsmarkt in der Finanzbranche im Bund durch einen Rückgang der Beschäftigungszahlen gekennzeichnet. Für Hessen, den Regierungsbezirk Darmstadt und die Stadt Frankfurt verlief diese Entwicklung jedoch positiv, Frankfurt konnte prozentual im Beobachtungszeitraum 2008 bis 2018 am stärksten zulegen”, schreibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, in einer am Dienstag vorgelegten Studie. Höheres Anforderungsprofil Im Regierungsbezirk Darmstadt, der den südlichen Teil des Bundeslandes einschließlich Frankfurt und Wiesbaden umfasst, stieg die Beschäftigungszahl um 1,7 % auf 95 500. Eingerechnet sind Mitarbeiter von Banken, EZB und Bundesbank, Fonds- und Beteiligungsgesellschaften sowie Finanzdienstleistern wie Leasinggesellschaften, nicht aber Arbeitnehmer bei Versicherungen und Pensionskassen.Dass die Entwicklung im Rhein-Main-Gebiet so deutlich von jener im gesamten Bundesgebiet abweicht, führt die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) auf höhere Anforderungen und stärkeren Personalbedarf durch Digitalisierung und Regulierung zurück, was den kostengetriebenen Stellenabbau überkompensiere. Streichungen im Filialgeschäft und in Abwicklungs- und Serviceeinheiten mit einfacheren Tätigkeiten hat der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken) ausgemacht, Stellenschaffung sieht der Verband in regulierungs- und compliancebedingten Aufgaben sowie in Funktionen, die zwischen IT und Bankgeschäft angesiedelt sind (vgl. BZ vom 18.8.2018).Auf Bundesebene schwindet die Zahl der Mitarbeiter bei Banken und Zentralbanken in dem Zehnjahreszeitraum von 599 200 auf 530 400. Dass es hier um 11,5 % bergab geht, führt das IAB auf das Stutzen der Filialnetze zurück. Im Regierungsbezirk Darmstadt fällt der Rückgang in dieser Kategorie mit 3,8 % auf 72 100 Beschäftigte aber wesentlich moderater aus, und in Frankfurt weist der Trend nach oben: Um 1,5 % wächst die Mitarbeiterzahl auf 51 050 – “eine Antwort auf die Aufgabenverlagerungen in die Zentralen der Banken, welche häufig in Frankfurt ansässig sind”, konstatiert das Institut.Umgekehrt verhält es sich mit den “sonstigen Finanzierungsinstitutionen” wie Leasingfirmen. Wächst die Zahl der Mitarbeiter deutschlandweit – wenn auch von einem ungleich geringeren Niveau als bei den Banken – um fast ein Viertel auf 33 500, so schrumpft sie in der Mainmetropole um gut 30 % auf 3 840. Mit Finanzdienstleistungen wie Fondsmanagement verbundene Tätigkeiten boomen im Großen wie im Kleinen: Um 60 % auf 54 800 Beschäftigte ging es im Bund bergauf, und um 18 % auf 8 680 in der Stadt.Insgesamt arbeiten in der Finanzbranche bundesweit mit 652 800 Menschen 2,1 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. 2008 betrug ihr Anteil noch 2,5 %. Damit schwindet in Deutschland nicht nur die absolute Beschäftigungszahl der Branche, sondern – zumindest auf diese Kennzahl bezogen – auch deren relative Bedeutung im Vergleich mit anderen Sektoren. Das gilt freilich auch für Frankfurt. Räumliche Konzentration Jeder sechste in Deutschland im Finanzwesen tätige Mitarbeiter ist somit in Hessen beschäftigt, und jeder zehnte in Frankfurt. Knapp 109 000 Menschen beschäftigt der Wirtschaftssektor in dem Bundesland, das sind dort 4,4 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Damit liegt ihr Anteil mehr als doppelt so hoch wie im Bundesschnitt. In Frankfurt waren es Mitte 2008 mit 66 180 Mitarbeitern sogar 11,6 %. “Das verdeutlicht die räumliche Konzentration der Branche am Finanzplatz Frankfurt”, schreibt die Autorin der Studie, Carola Burkert. Zwar waren es zehn Jahre zuvor absolut betrachtet weniger Beschäftigte (64 350), doch ist wie auf Bundesebene der relative Anteil des Finanzsektors geschrumpft. Der hatte einst 13,6 % betragen.Das Institut rechnet in Deutschland im laufenden Jahr mit einem Beschäftigungsrückgang von 10 000 Menschen. Dies sei bereits der “siebte Rückgang in Folge und im Kontext der Konsolidierungsmaßnahmen im Bankensektor sowie der zunehmenden Digitalisierung zu sehen”, konstatiert das IAB, ohne auf einzelne Institute einzugehen. So will allein die Deutsche Bank bis 2022 weltweit 18 000 von etwa 91 000 Vollzeitstellen streichen. Wie viele der in Deutschland gut 41 000 Arbeitsplätze betroffen sein werden, ist unklar.Weiter heißt es, dass Experten für 2019 in Hessen einen sehr moderaten Rückgang der Beschäftigung von 0,2 % erwarteten. Am Finanzplatz Frankfurt sei die Stimmung uneinheitlich, heißt es. So zeige eine aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, dass 23 % der Finanzinstitute im Frühsommer neue Mitarbeiter einstellen wollten. Ein Jahr zuvor waren es noch 30 %. Sechs von zehn Befragten gingen von einem konstanten Personalbestand aus, im Vergleich mit 40 %. 17 % erwarteten Personalabbau (2018: 30 %). – Wertberichtigt Seite 6