Peter Kohl-Landgraf und Christian Fries, DZ Bank

„Funktioniert wie eine Prepaid-Karte“

Es geht voran mit den digitalen Innovationen bei der DZ Bank: In Fortführung einer ersten Transaktion wurden volldigitalisierte Zinsswaps in einem Geschäft mit der Union Investment nun ohne den Intermediär Deutsche Börse automatisiert abgewickelt – und das in einem regulierten Setup für Zinsabsicherungsgeschäfte.

„Funktioniert wie eine Prepaid-Karte“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Zinsswaps sind wieder verstärkt gefragt bei Unternehmen und Investoren. Die wollen sich gegen steigende Kreditzinsen absichern, die sich seit dem Kurswechsel der Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation ergeben haben. Für das Kapitalmarktgeschäft der Banken gehören Zinsswaps zum Kerngeschäft, das sie auch auf der technologischen Ebene weiterentwickeln. Bei der DZ Bank hatte man schon 2018 ein Projekt zur vollständigen Digitalisierung von OTC-Derivaten gestartet. Als Smart Derivative Contract (SDC) waren diese Mitte 2021 erstmals mithilfe von Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Cloud Computing zusammen mit dem Partner BayernLB als außerbörsliches Zinsderivat gehandelt und dann die täglichen Settlement-Zahlungen über die Deutsche Börse (Eurex) abgewickelt worden. Damit war der Proof of Concept erbracht, dass ein solches Kapitalmarktprodukt vollautomatisch und rechtsverbindlich prozessiert werden kann.

Nun ist die DZ Bank noch einen Schritt weitergegangen und hat jüngst zusammen mit ihrer Fonds-Tochter Union Investment eine SDC-Testtransaktion als Zehn-Jahres-Zinsswap durchgeführt – wobei die Kontoführung komplett dezentral stattfand, also ohne die Deutsche Börse. Das ist der Reiz an solchen dezentralen Infrastruktur-Konstruktionen: Geschäfte können direkt miteinander verrechnet werden ohne zusätzlichen Intermediär im Settlement. Bei der DZ Bank wird das Projekt von Senior-Business-Analyst Peter Kohl-Landgraf und dem im Risikocontrolling tätigen Christian Fries verantwortet. „Mit diesem zweiten rechtsverbindlichen Ge­schäft haben wir gezeigt, dass das kein One Hit Wonder war.

Das Produkt ist als offener Standard weiterentwickelt worden mit seiner automatisierten Zahlungsfunktion. Damit haben wir eine Routine erreicht, die es uns erlaubt, das mit vielen weiteren Partnern aus der Finanzindustrie weiterzuentwickeln“, so Fries im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir kommen mit dem Smart Derivative Contract nun in eine Vorserien-Phase und freuen uns jetzt schon, das mit anderen Banken gemeinsam in einem regulierten Setup für Transaktionen bei Zinsabsicherungsgeschäften einzusetzen“, ergänzt Kohl-Landgraf.

Bilaterale Gegenparteien

Zinsabsicherungsgeschäfte gibt es seit den 80er-Jahren in der bilateralen Gegenpartei-Konstruktion mit einem Intermediär in der Mitte, der das Settlement, also die Vertragsabwicklung, verantwortet. In einer dezentralen Struktur – bei der Testtransaktion wurde der Smart Contract über den Blockchain-Layer Hyperledger Besu verbunden – seien die Banken selbst für den Betrieb des Kontraktes mit all seinen möglichst automatisierten Prozessen verantwortlich, erklärt Kohl-Landgraf. Da nähert sich die traditionelle Finanzindustrie (TradFi) mit der Digitalisierung eines Produktes wie dem SDC der DeFi-Welt (Decentralized Finance), nur eben nicht, um Token zur Wertsteigerung zu handeln, sondern um Prozesseffizienzen und Risikoreduzierung zu realisieren.

Alles im Algorithmus

Das ist etwas, was eigentlich jeder in den Banken verstehen müsste: Da das Risikomanagement im Algorithmus selbst angelegt ist (inklusive Vorfinanzierung), fallen Kontrahentenrisiken weg. „In einer solchen Smart-Contract-Umgebung sorgt der über eine Trigger-Lösung als Schnittstelle fungierende Algorithmus für Kontenliquidität wie eine Prepaid-Karte. Und wie der Algorithmus funktioniert, das ist in dem Kontrakt der Zinsswap-Handelspartner geregelt“, sagt Fries. Eingebettet in die automatisierten Prozesse müssten sich Kunden auch nicht mehr um Prozesse wie zusätzliches Collateral kümmern, stellt Kohl-Landgraf einen weiteren Vorteil heraus – sprich, im Post-Trade-Bereich tauchen gewisse Handgriffe gar nicht mehr auf. Technologisch wurde die Transaktion mit der Union Investment so aufgezogen, dass sich beide über ihre Cloud-Knoten (Google/AWS) verbunden und dann den Smart Contract über die Blockchain betrieben haben. Wenn jedes Institut seine Arbeit bei der Installation erledigt hat, funktioniert das wie eine DeFi-App, nur eben zunächst ohne Token, dafür aber digital in einem regulierten Kontext.

Wobei die beiden Experten durchaus Potenzial darin sehen, dass Friktionen auf der Payment-Ebene eines Tages über eine tokenisierte Kontenführung beseitigt werden. Da würden dann Stablecoins reinkommen oder aber der digitale Euro als CBDC. Mit dem bald konkret werdenden DLT-Pilotregime der EU könnten dann auch weitere Details zum Wertpapierrecht in seiner praktischen Anwendung deutlich werden, womit auch ein zentraler Vorteil beim Einsatz des Moduls „Smart Derivate Contracts“ illustriert werden könnte: Sie tragen zur Risikoreduktion bei, bewirken über Prozesseffizienz Kosteneinsparungen und senken Liquiditätserfordernisse.

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