DIE DEUTSCHE FONDSBRANCHE ZIEHT BILANZ

Gegen ein Brüsseler Nachhaltigkeitsdiktat

Fondsverband bezeichnet politische Eingriffe und Vorgaben in der Anlagepolitik als kontraproduktiv - Einheitliche Aufsicht befürchtet

Gegen ein Brüsseler Nachhaltigkeitsdiktat

Die deutschen Fondsanbieter lassen kein gutes Haar an dem hehren Vorhaben aus Brüssel, den Finanzsektor auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Sie wollen keine politischen Vorgaben für die Anlagepolitik und warnen vor Eingriffen in die Anlagefreiheit der Anleger.sto Frankfurt – Die deutschen Fondsanbieter wehren sich vehement gegen Pläne aus Brüssel, die einen Umbau des Finanzsektors in Richtung Nachhaltigkeit zum Ziel haben. “Die Empfehlungen der EU-Expertengruppe, die unter anderem Assetmanager dazu verpflichten will, nach nachhaltigen Kriterien anzulegen, wären ein politischer Eingriff in die Anlagefreiheit der Anleger sowie in die Anlagepolitik der Fondsgesellschaften”, warnte Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Investment und Asset Management (BVI). Vor allem Überlegungen, dass ein EU-Gremium künftig zentral vorgeben könnte, welche Investments als nachhaltig gelten oder nicht, ist für die deutschen Gesellschaften eine grässliche Vorstellung. “Wenn sich noch nicht einmal Deutschland und Frankreich einig über die Bewertung der Atomenergie sind, wie soll es einen gemeinsamen Standard geben, der wiederum geeignet wäre, der Vielzahl der Bedürfnisse unserer Kunden gerecht zu werden?”Richter führte aus, dass die Fondsbranche lediglich Treuhänder für den Anleger sei, der die Kriterien für die Auswahl der Investments festlege, wonach sich die Assetmanager zu richten hätten. “Wir als Treuhänder können doch nicht den Investoren die Art ihrer Investments vorschreiben”, so Richter. Ein EU-Gremium habe dazu noch viel weniger die Berechtigung. Er hält politische Eingriffe beim Thema Nachhaltigkeit für kontraproduktiv.Die Fondsbranche unterstütze das Thema nachhaltige Investments auf Wunsch insbesondere der institutionellen Investoren seit Jahren durch entsprechende Leistungen und Angebote. Zudem habe man sich im Rahmen der BVI-Wohlverhaltensregeln eine freiwillige Selbstverpflichtung nach dem Comply-or-explain-Ansatz auferlegt. Der Verband setze sich zudem dafür ein, dass die ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in den Portfolien vergleichbar würden. “Wie der Kunde Nachhaltigkeit definiert, können aber nicht wir als Anbieter durch einheitliche Maßstäbe vorgeben, indem wir definieren, was gut oder böse ist, sondern wir müssen die Vorgaben der Kunden umsetzen.” Keine KundenvorschriftenBVI-Präsident Tobias Pross erklärte, man müsse auch aufpassen, was man von der Fondsbranche erwarten könne. So wenig wie Autoverkäufer ihren Kunden die Autofarbe oder die Marke vorschreiben könnten, so wenig könnten auch die Assetmanager ihren Kunden Vorschriften machen. “Wir können lediglich daran arbeiten, dass wir als Anbieter ein gemeinsames Verständnis von nachhaltiger Geldanlage entwickeln.” Ein gemeinsamer Standard dagegen wäre ein Kompromiss, der definitiv nicht jedem Kunden gefallen würde. Der BVI plädiert stattdessen für einen Kriterienkatalog für ESG-Faktoren, auf dessen Basis Fondsmanager Investments vergleichen können.Tatsächlich sind in Deutschland allerdings nachhaltige Fonds im Vergleich zu anderen Ländern wenig verbreitet. Keine 3 % des gesamten Fondsvolumens erfüllen die Kriterien der nachhaltigen Geldanlage, die wiederum stark divergieren. Kritiker werfen der deutschen Fondsbranche vor, dass sie bislang zu wenig unternommen habe, um zumindest mit einer Art Branchenstandard und einem abgestimmten Verhalten dem Thema Nachhaltigkeit hierzulande zu mehr Erfolg zu verhelfen. Gebühren unter DruckPolitische Eingriffe befürchten die deutschen Fondsgesellschaften auch bei einem anderen Thema: den Gebühren. Hintergrund ist die angekündigte Untersuchung der Wertpapieraufsicht ESMA in diesem Jahr. Diese will die Gebühren von Fonds, Zertifikaten und Lebensversicherungen mit Blick auf ihre gelieferte Leistung aufs Korn nehmen. Die Fonds machen dabei den Anfang. “Seit Jahren sind die Gebühren der Fonds nicht mehr gestiegen”, hob Richter hervor. Dies habe mit dem gestiegenen Wettbewerbsdruck durch die preisgünstigen Indexfonds zu tun, die derweil in Deutschland wie auch in den USA auf einen Anteil von rund 15 % an den Wertpapier-Publikumsfonds kämen. Zudem liege in Deutschland der Schnitt der laufenden Kosten bei einem Aktienfonds mit 1,6 % unter dem EU-Schnitt von 1,8 %.Nicht zuletzt müssten erst einmal die neuen Bestimmungen von Mifid II oder Priips, die widersprüchlich und teils fehlerhaft seien, beobachtet beziehungsweise korrigiert werden, bevor nach einer neuen EU-Untersuchung womöglich neue politische Vorgaben bei den Gebühren kämen. Nach Ansicht des BVI ist die Gebührenhöhe der deutschen Fonds durch die Leistungen der Anbieter gerechtfertigt. Diese böten etwa eine individuelle Aktienauswahl, die Chance auf Alpha, Aktienresearch, Risikomanagement, Absicherung in volatilen Märkten oder Shareholder-Engagement. “Wir bieten ein preiswertes Produkt”, zeigte sich Pross überzeugt. Am Ende könne der Kunde selbst entscheiden, ob er einen aktiven Fonds oder Exchange Traded Funds kaufen will beziehungsweise die Vermögensverwaltung über einen Robo-Advisor steuern lasse. Im Vergleich zu Lebensversicherungen und Zertifikaten seien Fonds günstiger, so Richter, man fordere von der Politik ein Level Playing Field.Ein drittes, von EU-Seite getriebenes Thema verursacht den deutschen Fondshäusern ebenfalls Bauchschmerzen: die Diskussionen um eine Fondsaufsicht durch die ESMA. Drehen sich die offiziellen Überlegungen zunächst um die neuen EU-Fondsstrukturen – Eltif, Eusef und Euveca -, hielten sich hartnäckige Gerüchte, dass es eigentlich um alle Fonds gehen soll. “Wir sind dagegen, dass statt der deutschen Finanzaufsicht BaFin wie bislang künftig eine marktferne ESMA, ein von aktuell 200 dann auf mehr als 2 000 Mitarbeiter aufgeblähter Pariser Moloch, die Fondsaufsicht übernimmt”, wandte sich Richter strikt gegen solche Gedankenspiele. Es drohe eine Parallelaufsicht zwischen nationalen Behörden und der ESMA mit Streitigkeiten um Abgrenzung und Zuständigkeit. Für Richter wäre eine einheitliche EU-Fondsaufsicht ein “Rückschritt im Verbraucherschutz”. Kritik an Berliner PlänenErwartungsgemäß kein gutes Haar ließ der BVI an den Details der aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin, wonach die Abgeltungsteuer abgeschafft werden und das Projekt der EU-Finanztransaktionssteuer weiterverfolgt werden soll. All dies wären höhere Belastungen für Anleger. “Während weitere Milliarden über die sozialen Sicherungssysteme verteilt werden sollen, wurde nicht darüber geredet, wie Anleger entlastet sowie Sparen und Altersvorsorge gefördert werden könnten”, beklagte Richter. SPD und CDU/CSU zeigten keine Initiative dafür, dass angesichts der demografischen Entwicklung und des Niedrigzinses mehr Eigeninitiative bei der Altersvorsorge vonnöten sei.