IM BLICKFELD

Geldwäscheskandale legen Lücken der Aufsicht offen

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 29.9.2018 Der Geldwäscheskandal, der die Danske Bank erschüttert, verunsichert auch die Aufsicht. Wir war es möglich, dass Geld aus obskuren Quellen in dreistelliger Milliardenhöhe jahrelang über eine...

Geldwäscheskandale legen Lücken der Aufsicht offen

Von Daniel Zulauf, ZürichDer Geldwäscheskandal, der die Danske Bank erschüttert, verunsichert auch die Aufsicht. Wir war es möglich, dass Geld aus obskuren Quellen in dreistelliger Milliardenhöhe jahrelang über eine Filiale der größten dänischen Bank fließen konnte? EU-Justizkommissarin Vera Jourova sprach von einem “schockierenden” Vorgang und von einer “sehr unerfreulichen Lektion für die EU”.Nun müsse geprüft werden, ob die Behörden die Bank angemessen beaufsichtigt haben, teilte die europäische Bankenregulierungsbehörde EBA in aller Eile mit. Dabei muss das Amt in London selbst in den Spiegel blicken. Den skandinavisch-baltischen Aufsichtsbehörden hat die EBA die mithin am besten funktionierende Kooperation in ganz Europa attestiert, stellten die unter Druck geratene dänische Bankenaufsicht in einer Stellungnahme trotzig fest.Die Lücken im europäischen Aufsichtssystem sind in der Tat kein spezifisch skandinavisches Phänomen. Für die Aufsicht über die lettische Großbank ABLV war die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig. Und auch sie machte dabei keine gute Figur. Mit der Abwicklung der Bank, welche die EZB kurz nach Veröffentlichung einer deutlichen Warnung durch die amerikanische Antigeldwäschebehörde angeordnet hatte, konnten die europäischen Aufseher de facto nur noch nachvollziehen, was der Markt ohnehin schon selbst an die Hand genommen hatte. Ein Geldhaus, das im Urteil der amerikanischen Obrigkeit so tief im Sumpf steckt wie ABLV, ist schlicht nicht überlebensfähig. Keine seriöse Bank würde mit einem solchen Institut noch Dollar-Geschäfte abwickeln und sich damit dem Risiko aussetzen, von der US-Justiz der Beihilfe zur Geldwäsche bezichtigt zu werden. Die Strafen für solche Vergehen sind in den vergangenen Jahren in schwindelerregende Höhen gestiegen. Allein in der Zeit von 2007 bis 2017 mussten Finanzhäuser für derlei Vergehen weltweit 25 Mrd. Dollar auf den Tisch legen, schreibt der Internationale Währungsfonds. “Neue Dimension”Das finanzielle Abschreckungsmoment, das die US-Justiz spätestens seit dem Lehman-Kollaps ziemlich gezielt als Instrument zur Domestizierung fahrlässiger Banken einsetzt, macht inzwischen auch in Europa Schule. Die niederländische Großbank ING willigte Anfang September in eine Zahlung von 775 Mill. Euro ein, um einen Strafprozess wegen Geldwäsche abzuwenden. Das Strafmaß ist umso eindrücklicher, als der Anteil der illegitimen Gewinne 100 Mill. Euro beträgt. “Die Strafen erreichen in Europa eine neue Dimension”, stellt der Forensiker und Geldwäsche-Experte Florian Seiferlein vom Beratungsunternehmen Alix Partnes in Deutschland fest.ING habe trotz mehrfacher Verwarnungen über nahezu zehn Jahre die Kontrollprozesse nicht verbessert, so dass große Summen an illegalem Geld “nahezu ungestört” durch die Bank geschleust werden konnten, wie die niederländische Staatsanwaltschaft festhält. Wie im Fall Danske ist unklar, weshalb sich die niederländischen Behörden so lange mit Verwarnungen begnügten. Die europäischen Aufseher haben womöglich ihren Fokus im Nachgang zum Lehman-Kollaps viel zu lange ganz auf die finanzielle Stabilität der Banken gerichtet. Verständlich wäre dies mindestens in den Niederlanden, wo die Behörden nach der Übernahme der Großbank ABN Amro mit chaotischen Zuständen zu kämpfen hatten.Aber die beiden Fälle lassen auch die Kontrollprozesse an sich in einem wenig vorteilhaften Licht erscheinen. So befanden die niederländischen Strafbehörden, ING habe sich in ihrer Geldwäsche-Abwehr viel zu stark auf verdächtige Konten und zu wenig um dubiose Kunden mit verdächtigen Geldflüssen gekümmert. Mithilfe verschiedener Konten konnten sich fragwürdige Kunden demnach der Kontrolle entziehen. Genau das war anscheinend auch das Muster in der estnischen Filiale der Danske Bank. Sowohl in Dänemark als auch in den Niederlanden war ein Skandal nötig, bis die Behörden aufgewacht sind. Den Aufsehern fehlt bislang offenbar ein Risikobewusstsein für Durchlauftransaktionen, vor allem für Geld aus Ländern, in denen Korruption verbreitet ist. Dies ist leider in der großen Mehrheit der Weltregionen der Fall – auch dort, wo westliche Banken Wachstumschancen wittern. Bedrohlich für StaatenGefährlich sind die Kontrolllücken zunehmend Maß auch für die Länder, in denen die fehlbaren Banken ihren Sitz haben. Die Ratingagentur Standard & Poor’s will nicht ausschließen, dass sich die absehbaren Strafen gegen die Danske Bank auch negativ auf die bislang makellose Bonitätsnote des Landes auswirken könnte. Lettland wiederum, schmierte im Zug des ABLV-Skandals im Februar haarscharf an einer Systemkrise vorbei, weil sich ausländische Banken kaum trauten, mit lettischen Banken Devisengeschäfte abzuwickeln. Auch die Aufseher müssen daher noch ihre Lehren ziehen.