Genossinnen rücken in die Vorstände
Von Antje Kullrich, Köln
Es ist noch gar nicht lange her, da waren Frauen in den Vorständen des genossenschaftlichen Versicherungslagers eine Rarität. Die Unternehmen hinkten in Sachen Diversität deutlich hinterher. Selbst in der Versicherungswirtschaft, die nicht gerade Vorreiterin in der Frauenförderung ist, bildeten die Genossen die Nachhut. Noch vor zwei Jahren waren sechs der zehn größten Versicherungsvereine in Deutschland rein männlich besetzt.
Seitdem hat sich einiges getan. Vor allem im vergangenen Jahr haben viele Aufsichtsräte ein verstärktes Augenmerk auf eine verteiltere Besetzung der Führungsgremien gelegt. Mit Continentale und LVM gibt es heute nur noch zwei Versicherer unter den führenden genossenschaftlichen Versicherern, die sich auf rein männliches, weißes Know-how jenseits der 50 verlassen.
Die beiden größten Versicherer aus dem genossenschaftlichen Lager hingegen sind aktiv geworden. Bei R+V und Debeka gehören mittlerweile jeweils zwei Managerinnen dem Vorstand an, die Debeka kommt damit bereits auf einen Anteil von einem Drittel. Im vergangenen Jahr hat der Koblenzer Marktführer in der privaten Krankenversicherung mit Laura Müller nicht nur die zweite Frau in den Vorstand geholt, sondern sich mit der 36-jährigen Versicherungsmathematikerin auch noch deutlich verjüngt.
Die Zeichen der Zeit – immerhin ist etwa die Hälfte der Beschäftigten in der Versicherungsbranche weiblich – hat auch die Signal Iduna erkannt. Der im Handwerk verankerte Versicherer berief zum Jahreswechsel Daniela Rode (51) als erste Frau in den achtköpfigen Vorstand. Auch sie ist Aktuarin und bringt als Leiterin des Ausschusses „Actuarial Data Science“ in der Deutschen Aktuarvereinigung auch noch das in der Branche gefragte IT-Know-how mit.
Ausreden in Dortmund
Viel Nachholbedarf hat dagegen die Continentale. Der Dortmunder Versicherer ist an seinem Ziel, den Vorstand mit mindestens einer Frau zu besetzen, bislang gescheitert. Der Versicherer entlastet sich im Geschäftsbericht 2021 selbst und spricht von „nachvollziehbaren Gründen“. Wechsel im Vorstand hätten nicht angestanden. Aber auch bei Sondierungsgesprächen zur Besetzung des künftigen Vorstandsteams bescheinigt der Aufsichtsrat den Kandidatinnen entweder „nicht ausreichende Qualifikation“ oder „keine Bereitschaft zu einem Wechsel“. Wie aktiv das neunköpfige Kontrollgremium, dem zwei Frauen angehören, jedoch nach weiblichen Führungskräften gesucht hat, bleibt offen.
Die Bedeutung des eher konservativ geprägten genossenschaftlichen Versicherungslagers in Deutschland ist nicht zu unterschätzen. In der Branche sind die Versicherungsvereine eine feste Größe. Allein die zehn größten Unternehmen vereinigen 30% der Beitragseinnahmen der deutschen Assekuranz auf sich. Daneben gibt es noch Dutzende kleinerer und mittlerer Vereine, vor allem in der Schadenversicherung.
Europa wenig divers
Auch wenn immer mehr Genossinnen in Spitzenfunktionen rücken, steht Deutschland im internationalen Vergleich dennoch schlecht da. Bei den meisten Versicherungsvereinen hierzulande liegt der prozentuale Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder noch unter 20%. Der Weltverband der genossenschaftlichen Versicherer, die International Cooperative and Mutual Insurance Federation (ICMIF) kommt in einer gerade veröffentlichten Studie auf einen Frauenanteil von rund 33% in den Vorständen der Mitgliedsunternehmen. Europa schneidet dabei mit 27% von allen Kontinenten am schwächsten ab.
An die Spitze hat es bei den zehn größten genossenschaftlichen deutschen Versicherern noch keine Frau geschafft. Hier ist die Diskrepanz zum Ausland noch größer. ICMIF zählte im vergangenen Jahr bereits knapp 23% weibliche CEOs bei den eigenen Mitgliedern weltweit. Auch hier hinkt Europa mit 17% hinterher. Deutschland ist jedoch auch davon meilenweit entfernt.