„Genügend Rückstellungen für Inflationsannahmen“
Carsten Steevens
Herr Henchoz, die hohe Inflation verteuert Schäden und könnte Versicherer zwingen, deutlich mehr Geld für Schäden zurückzulegen, etwa bei langlaufenden Verträgen in der Haftpflicht. Welches Szenario mit Blick auf Nachreservierungen halten Sie für realistisch?
Inflation ist ein integraler Bestandteil der regelmäßigen Rückstellungsprüfungen. Unsere Einschätzungen und Kalkulationen sind sehr konservativ, sie waren es auch schon lange vor Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs und vor Beginn der Corona-Pandemie. Wir verfügen Stand heute über mehr als genügend Rückstellungen für Inflationsannahmen. Schutz bieten zusätzlich Inflation Linker, das heißt Anleihen, die an die Entwicklung der Inflation gebunden sind. Das Volumen dieser Anleihen beträgt bei uns derzeit rund 5 Mrd. Euro – bei einem Bestand an selbstverwalteten Kapitalanlagen von insgesamt rund 55 Mrd. Euro.
Hohe Erträge aus diesen inflationsgebundenen Anleihen haben 2021 dazu beigetragen, dass Ihr Kapitalanlageergebnis um gut 14% stärker als erwartet wuchs und die Kapitalanlagerendite mit 3,2% den Prognosewert von 2,4% übertraf.
Ja. Wir haben uns im vergangenen Jahr dafür entschieden, in diesen Anleihen investiert zu bleiben, nachdem ihre Rendite lange unterhalb unserer Erwartungen lag. Eine gute Entscheidung, wie wir nun sehen. Wir werden in diesem Teil unseres Anlagebestands eine Outperformance zeigen.
Werden Sie den Bestand der Inflation Linker erhöhen?
Wir werden das immer wieder prüfen. Aber es ist angesichts der Preise klüger, vor einem Inflationstrend zu handeln. Es ist anzunehmen, dass wir an unserem Bestand festhalten werden.
Wie wirkt sich die Inflation auf Ihre Preispolitik aus?
Die Inflation gleicht generell nicht den Inflationsannahmen, die wir im Rahmen unserer Rückstellungspolitik treffen. Treiber der Inflation ist mit Öl und Gas vor allem der Rohstoff-Bereich. Für unsere Einschätzungen spielen aber Veränderungen der Lohnniveaus eine größere Rolle. Bislang halten sich hier die Veränderungen in Grenzen, wenn man auch nach Region und Segment differenzieren muss. Im Immobilien-Bereich sehen wir inflationäre Tendenzen bei den Wiederaufbaukosten insbesondere nach Naturkatastrophen. Das fließt in unsere Preispolitik ein, wir tarifieren das. Wenn wir unseren Erwartungswert für Großschäden festlegen und diese dann effektiv vorliegen, dann wird das berechnet. Für das neue Geschäft in der Schaden-Rückversicherung haben wir Hebel, um zu reagieren.
Welche Bedeutung haben zum Beispiel Veränderungen der Lohnniveaus für die Preise in Ihrer Branche?
Künftige Vertragserneuerungen werden höhere Inflationsannahmen berücksichtigen. Das wird sich auf die Tarifierung in der gesamten Rückversicherungsbranche auswirken. Wir haben zu Jahresbeginn angepasst. Ich erwarte weitere Anpassungen, wenn der Trend sich fortsetzt. Die Quotierung des Geschäfts verlangt Preiserhöhungen. Risikoadjustiert muss man die Inflationsannahmen berücksichtigen. Zusammen mit den Schadenbelastungen aus Naturkatastrophen und der Covid-19-Pandemie sehe ich hier einen Trend, der zu einer Verhärtung des Marktes führen wird.
Seit Mitte 2021 sind die Inflationsraten in Europa und den USA deutlich gestiegen. Kurzfristig sei das für Rückversicherer noch nicht gefährlich, so die Ratingagentur Fitch vor einiger Zeit. Wenn die Lage aber noch zwei bis drei Jahre länger andauere, seien Probleme für die Branche möglich. Was überwiegt bei Ihnen: Zuversicht oder Skepsis?
Für die Hannover Rück bin ich zuversichtlich. Wir haben genügend Opportunitäten auf dem Markt, um zu entscheiden, wo wir unsere Kapazitäten platzieren. Wenn wir sehen, dass wir unsere Preisvorstellungen erreichen können, dann allokieren wir die Kapazität – wenn nicht, dann sind wir sehr diszipliniert. Wir haben klare Vorstellungen, wie wir das Geschäft erneuern. Wie gesagt: Stand heute sind wir der Meinung, dass die Rückstellungen ausreichen. Jetzt muss man sehen, wie lange der Trend der hohen Inflation anhalten wird.
Haben Sie hier eine Einschätzung?
Schwierig. Ich denke, dass die Zentralbanken sehr dezidiert handeln und dass sie die hohe Inflation als große Gefahr betrachten. Mit Hilfe der Politik werden sie die Inflation bekämpfen, was in den USA ja schon zu beobachten ist. Ich bin zuversichtlich, was die Wirksamkeit der Maßnahmen angeht.
Es wird diskutiert, ob die Maßnahmen scharf genug sind und ob sie nicht zu spät kommen. Ist Ihre Zuversicht nicht etwas verfrüht?
Wir haben kürzlich verschiedene Szenarien aufgestellt und eine Einschätzung je nach Situation in den verschiedenen Regionen und nach Entwicklungen, nach der Länge dieses Trends, vorgenommen. Wir sehen uns gut gewappnet.
Wie sieht das Basisszenario aus?
Es handelt sich um Annahmen, die wir nicht öffentlich machen. Klar ist, dass das aktuelle Umfeld mit großen Unsicherheiten verbunden ist. Die Dauer des Kriegs in der Ukraine wird die Inflation beeinflussen. Ich bleibe optimistisch, dass wir nicht einen sehr langandauernden Konflikt erleben werden. Ich hoffe auf Diplomatie und Common Sense, auf rationales Denken.
Wenn die Ratingagentur ein Zeitfenster sieht, dass es für den ein oder anderen Rückversicherer schwierig werden könnte, sollte die Situation andauern: Teilen Sie diese Sicht?
Nicht alle Anbieter im Markt sind sehr konservativ reserviert. Vermutlich werden wir je nach Szenario unterschiedliche Tendenzen erleben. Einige werden gut über diese Zeit kommen und resilient bleiben, die Hannover Rück gehört dazu. Andere werden Maßnahmen treffen müssen und ihre Zahlen werden unter den Erwartungen sein.
Heißt das mehr Konsolidierung in Ihrer Branche?
Das Interesse an Konsolidierung könnte zunehmen, ja.
Zwei der vier größten Rückversicherer haben im ersten Quartal 2022 rote Zahlen geschrieben, die Aktienkurse sind deutlich gesunken. Investoren und Analysten treibt die Sorge um, ob sich in einem inflationären Umfeld mit hohen aktuellen Schäden und düsteren Erwartungen hinsichtlich der Klimakriseneffekte weitere Preiserhöhungen in dem Umfang, wie sie nötig sind, realisieren lassen. Wie sehen Sie das?
Ich bleibe zuversichtlich. Bei der Vertragserneuerung im April in Asien, in Japan insbesondere, haben wir wie in den vergangenen Jahren infolge der Großschadenentwicklung materielle Preiserhöhungen erzielt. Im Juni fand die Erneuerung der Verträge in Florida statt. Dort ist die Naturkatastrophen-Exponierung sehr groß. Wir haben erlebt, dass Kapazität gefehlt hat. Der Markt ist also diszipliniert und allokiert das Kapital, wenn die Preise steigen. Kurzfristig erwarte ich keine Zusatzkapazität im Markt. Inflation und die Naturkatastrophen der vergangenen Jahre führen zu steigenden Preisen.
Mit welcher Dynamik rechnen Sie bei der Preissteigerung? Lässt sie nach oder nimmt sie zu?
Die Aktionäre der Rückversicherungsgesellschaften werden dafür sorgen, dass die Disziplin erhalten bleibt und dass die Rückversicherer mehr Preisdruck ausüben.
Über 2022 hinaus?
Wenn ich die Kapazitätstrends und die Renditen sehe, die im Markt gezeigt werden, bin ich der Meinung, dass es einen Zusatzdruck gibt. Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir das 2023 sehr deutlich sehen werden.
Für die Hannover Rück waren und sind profitables Wachstum und Outperformance zum Wettbewerb wichtig, um auch den Unternehmenswert zu steigern. Seit dem 21. März ist Ihre Aktie im Dax gelistet. Wie bewerten Sie die Aussichten, bei der Eigenkapitalrendite besser als der Wettbewerb zu sein und den Abstand zu halten?
Das ist für uns ein wichtiges Ziel. Die Eigenkapitalrendite ist eine sehr wichtige Kennzahl, die zweistellig sein muss. Treiber sind Disziplin beim Underwriting, Kosteneffizienz, die zu unserem Geschäftsmodell gehört und ein effizientes Kapitalmanagement, das auch unsere Retrozessions-Strategie beinhaltet. Diese Ausrichtung gehört seit langem zu unserem Geschäftsmodell. Das erlaubt uns einen gewissen Kapitalersatz, aber auch, die Volatilität der Ergebnisse im Zeitverlauf zu glätten.
Können Sie den Abstand zum Wettbewerb bei der Rendite mit Blick auf die absehbaren Preistrends und die Entwicklungen im Rückversicherungsmarkt halten?
Wir liegen trotz der weltweit gestiegenen Unsicherheiten in diesem Jahr im Plan. Es bleibt unser Ziel, dass wir eine Outperformance zeigen. Natürlich haben uns die Fluten in Australien belastet. Das Gleiche gilt für die Unsicherheit infolge des Kriegs in der Ukraine. Aber die Belastungen betreffen den gesamten Rückversicherungsmarkt. Um besser zu sein als der Markt, hilft uns die Kosteneffizienz als eine spezifische Eigenschaft der Hannover Rück.
In den ersten drei Monaten lag das Bruttoprämienwachstum der Hannover Rück bei 19,5% oder währungskursbereinigt bei 13,9%. Worauf stellen Sie sich in den kommenden Quartalen ein?
Das wird sich etwas glätten, wie unser aktuelles Wachstumsziel für das Gesamtjahr von mindestens 5% ja erkennen lässt. Die Wachstumsrate ist in der Schaden-Rückversicherung sehr hoch, was sehr erfreulich ist. Die Entwicklung ist getrieben durch mehr Nachfrage. Wir haben breitere Beziehungen mit den langjährigen Kunden. Ferner basiert das Wachstum auf maßgeschneiderten Lösungen, der strukturierten Rückversicherung. Hier sind wir sehr stark gewachsen. Ich bin für 2022 sehr zuversichtlich, dass wir unser Wachstumsziel bei den gesamten Bruttoprämien von mindestens 5% erreichen werden.
Sie sind bekanntermaßen konservativ bei Ihren Prognosen.
Ja, wir tendieren dazu, beim Ausblick konservativ zu sein.
Relativ hoch im Bereich der Schaden-Rückversicherung ist der Prämienanteil des Geschäfts mit strukturierten Rückversicherungen und Insurance Linked Securities. Wie beurteilen Sie die Aussichten in Anbetracht der aktuellen Preisentwicklung?
Die strukturierte Rückversicherung ist ein Bereich, der nicht immer korreliert mit dem traditionellen Markt. Es gibt spezifische Strukturen, die für einzelne Kunden passen. Die Risiken, die wir auf die Bücher nehmen, sind die gleichen. Die Margen sind etwas geringer, aber regelmäßiger. Und die Kapitalerfordernisse sind auch deutlich geringer als in der traditionellen Rückversicherung. Daher sehe ich in der strukturierten Rückversicherung profitables Wachstumspotenzial. Da gibt es häufig mehr Bedarf und Kapitalmanagementfragen der Erstversicherer. Wir sehen eine deutliche Zunahme der Nachfrage.
Wird sich das Wachstum in dem Bereich der strukturierten Rückversicherung in den kommenden Quartalen forcieren?
Die Frage lautet, wie viele großvolumige Transaktionen wir abschließen können. Das lässt sich nicht so gut planen. Im traditionellen Geschäft erneuern wir im Durchschnitt 90% des Bestands, deswegen kann man besser planen. In der strukturierten Rückversicherung kann man in einem Jahr bis zu drei Transaktionen abschließen, die ein großes Volumen haben. Im nächsten Jahr sind es möglicherweise weniger. Aber wir sind gut unterwegs, wir verfügen über eine gesunde Pipeline. Die Unsicherheit, die Volatilität ist ein Treiber der Nachfrage nach strukturierten Lösungen.
Wie würden Sie das laufende Jahr im Kontext einordnen?
Unser Portfolio bei der strukturierten Rückversicherung liegt im Moment bei rund 4 Mrd. Euro. Ziel ist es nicht, ein konkretes Volumen pro Jahr zu erreichen, sondern die Profitabilität der Transaktionen sicherzustellen. Wir betreiben kein „Premium Chasing“, wir wachsen je nach Zyklen, je nach Opportunitäten. Wichtig ist, dass das operative Ergebnis über die Zeit steigt. Hier sind wir im Rahmen der Erwartungen gut unterwegs.
Die Großschäden in der Schaden-Rückversicherung lagen im ersten Quartal mit 336 Mill. Euro um gut 50 Mill. Euro über dem Erwartungswert der Hannover Rück. Wie sieht es im zweiten Quartal aus?
Es ist zu früh für eine konkrete Aussage, wir werden die Zahlen im August veröffentlichen. Wir haben ein Budget für das zweite Quartal von rund 330 Mill. Euro definiert, zwischen April und Juni gab es weltweit durchaus einige Naturkatastrophen-Schäden. Für das Gesamtjahr haben wir insgesamt 1,4 Mrd. Euro für Großschäden ab einem Volumen über 10 Mill. Euro budgetiert. Im Moment liegen wir im Plan.
Für mögliche Belastungen aus dem Krieg in der Ukraine haben Sie im ersten Quartal eine zusätzliche pauschale Rückstellung in Höhe eines niedrigen dreistelligen Mill.-Euro-Betrages gebildet. Reicht das aus heutiger Sicht oder müssen Sie nachlegen?
Schwierig zu sagen. Im Moment liegen nur wenige Schadenmeldungen vor, die direkt mit dem Konflikt verbunden wären. Es gibt Kriegsausschlüsse in den traditionellen Sparten. Insofern sind es präventive Maßnahmen, die wir getroffen haben. Wir werden über die Angemessenheit je nach Schadenmeldung der Zedenten von Quartal zu Quartal entscheiden.
Sie haben nach dem ersten Quartal trotz eines um fast 14% auf 264 Mill. Euro gesunkenen Ergebnisses das Jahresziel eines von 1,23 Mrd. auf 1,4 bis 1,5 Mrd. Euro steigenden Nettogewinns in diesem Jahr bekräftigt. Das Ziel gilt weiterhin?
Ja. Trotz der Unsicherheiten verfügen wir über ein gesundes Portfolio, wir sind sehr gut diversifiziert. Die Pandemie hat uns viel gekostet, gerade in der Personen-Rückversicherung. Aber wir sehen hier einen deutlich rückläufigen Trend. Die Übersterblichkeit, insbesondere in Amerika, ist nicht mehr so hoch. Wir hoffen auf eine gewisse Normalisierung in diesem Bereich.
Wie stehen die Chancen, dass der strategische Zielwert von maximal 96% bei der kombinierten Schaden-Kosten-Quote in der Schadenrückversicherung in diesem Jahr erreicht wird?
Das ist möglich. Das hängt vor allem von der Entwicklung der Naturkatastrophen-Schäden ab. Wenn die Hurrikan-Saison 2022 milder ausfällt als kalkuliert, kann das einen positiven Trend für uns bedeuten. Ich sehe derzeit keinen Grund, die Annahme in Frage zu stellen. Ein Quartal bedeutet in unserer Branche relativ wenig. In Quartalen kann es Einmaleffekte geben. Der Ausbau der Rückstellung wegen des Ukraine-Kriegs hat das erste Quartal beeinflusst. Insofern würde ich aus dem ersten Quartal allein keine große Schlussfolgerung ziehen.
Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ein?
Ich sehe die Wahrscheinlichkeit eines ähnlichen Pandemieverlaufs wie 2021 als geringer an als vor einem Jahr. Die Wissenschaft hat Fortschritte gemacht, die Behörden haben in den vergangenen zwei Jahren auch mehr Erfahrung gesammelt. Ich denke, dass wir eine gewisse Herden-Immunität sehen in einigen Ländern.
In der Personen-Rückversicherung, Ihrer zweiten Geschäftssparte, entstanden im ersten Quartal weitere, aber zunehmend rückläufige Belastungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Aufatmen oder nicht?
Eher aufatmen. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass die Belastung abnimmt. Wir haben auch eine Retrozessionsdeckung, die uns unterstützt.
Wie hoch ist die?
Das Volumen liegt bei maximal 255 Mill. Dollar. Es handelt sich um eine parametrische Deckung, die mehrheitlich für die amerikanische Übersterblichkeit konzipiert worden ist, aber zu jeweils 20% auch für Fälle in Australien und Großbritannien. Wir haben im ersten Quartal einen Ertrag von 46 Mill. Euro gebucht, zusammen mit dem letztjährigen Teil sind es bis jetzt 90 Mill. Euro. Das bringt uns eine gewisse Entlastung für die Personen-Rückversicherung.
Wie gehen Sie mit steigenden Preisen für diesen Retrozessionsschutz zur Risikoabfederung um?
Wir erleben eine Verhärtung der Bedingungen nicht nur im Rückversicherungsmarkt, sondern auch im Retrozessionsmarkt. Wir hätten für das laufende Jahr mehr Schutz kaufen können, aber die Preise erschienen uns zu hoch. Wir haben im Rahmen des Risikoappetits gekauft – etwa 900 Mill. Euro Schutz in der Schaden-Rückversicherung durch proportionale und nicht-proportionale Deckungen. Im vergangenen Jahr waren es etwa 30% mehr. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir infolge der Preissteigerungen im Geschäft für das gleiche oder ein ähnliches Portfolio in diesem Jahr zusätzliche Prämien erhalten haben, die auch helfen, unsere Entwicklung zu glätten. Alles in allem glaube ich, dass wir gut gewappnet sind.
Wie sieht der Ansatz für 2023 aus?
Wir bleiben höchstwahrscheinlich bei der gleichen Struktur. Bis Oktober haben wir einen guten Überblick über die Kapazitäten und die Preise.
Die sogenannte Kapitalbedeckungsquote, die die Risikotragfähigkeit misst und angibt, um wie viel die vorhandenen Mittel das benötigte Kapital übersteigen, lag per Ende März bei 242% und damit weiterhin über dem internen Schwellenwert von 200%. Wie sehen Sie die Aussichten?
Wir sind gut unterwegs. Die Frage ist, wie viel Wachstum wir erreichen. Wir sorgen dafür, dass wir immer einen Puffer haben.
Wie stehen Sie zu den aktuellen Anstrengungen auf EU-Ebene für eine Überarbeitung der Solvency II-Anforderungen?
Wir müssen die endgültige Version genau analysieren. Stand heute sind wir der Ansicht, dass unsere Kapitalbedeckungsquote nicht materiell beeinträchtigt wird. Es gibt Plus und Minus in den neuen Regelungen, aber wir sehen keine überraschende Entwicklung bei diesen angepassten Regeln. Ich mache mir keine großen Sorgen.
Wachstumstreiber sollen in der aktuellen Strategieperiode bis 2023 Innovationen und die Region Asien-Pazifik sein. Wie zufrieden sind Sie gemessen an den Zielen mit den bisherigen Entwicklungen?
Es gab aufgrund der Pandemie im Regelfall die Einschränkung, dass wir nur digital mit den Kunden in Kontakt treten konnten. Das hatte einen Einfluss auf Innovationsmöglichkeiten, das hat uns ein bisschen gebremst. Häufig handelt es sich um maßgeschneiderte Lösungen für Kunden und keine Massenprodukte. Eine Herausforderung ist, wie man Ideen in anderen Märkten replizieren kann bzw. Skalierungseffekte erzielen kann. So weit sind wir noch nicht. Angesichts dieser Schwierigkeiten bin ich mit den Fortschritten nach anderthalb Jahren im Strategiezyklus zufrieden. Die Wachstumsrate von 8% in Asien ist sehr gut. Wir werden bald überlegen müssen, wo wir mehr Impulse setzen wollen. Innovationen und digitale Lösungen werden für unsere nächste Wachstumsphase ein wichtiges Thema bleiben, ebenso Asien.
Asien heißt auch China.
China ist ein wichtiger Teil unserer Asien-Strategie.
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Diskussionen?
Ich bleibe zuversichtlich, dass rationales Denken vorherrschend bleibt, dass die Beziehungen zwischen den USA und China pragmatisch bleiben, dass die Diplomatie wieder eine größere Rolle spielen wird. Und wenn Sie Taiwan ansprechen: Ich bleibe optimistisch, dass es nicht zu einem weiteren Krisenherd kommen wird. Auch wenn wir uns immer auf unterschiedliche Szenarien einstellen müssen, halte ich die Wahrscheinlichkeit für höher, dass wir weiterhin in China aktiv sein können.
Das Interview führte