Gericht kritisiert Aufsicht

Schweizer Finma muss "nicht nachvollziehbare" Strafe gegen Skandalbank BSI überprüfen

Gericht kritisiert Aufsicht

Der Korruptionsfall 1MDB hat die traditionsreiche Banca della Svizzera Italiana (BSI) ausradiert. Jetzt hat die trübe Geschichte noch ein Nachspiel. Das Bundesverwaltungsgericht kritisiert eine Entscheidung der Aufsicht Finma.dz Zürich – Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) muss über die Bücher. Eine ihrer Sanktionen gegen die 2017 aufgelöste Skandalbank Banca della Svizzera Italiana (BSI) ist im Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes “nicht nachvollziehbar” und muss neu beurteilt werden. Konkret geht es um 95 Mill. sfr, welche die Finma als unrechtmäßige Gewinne aus umfangreichen internationalen Geldwäschegeschäften zur Einziehung verfügt hatte. Die Finma hätte den Betrag exakter ermitteln sollen und können, befanden die Richter. Für die Klägerin ist das (beim Bundesgericht anfechtbare) Urteil nicht nur aus finanzieller Sicht eine Genugtuung. Mindestens teilweise dürfte sie darin auch ihre Vermutung bestätigt sehen, dass die Finma mit ihrem scharfen Vorgehen ein (politisches) Exempel an der BSI statuieren wollte.Dafür war der Fall BSI tatsächlich geradezu prädestiniert. Die ehemalige Tessiner “Großbank” spielte in der Korruptionsaffäre um den malaysischen Staatsfonds 1MDB eine zentrale Rolle. Die Bank nahm nach Auffassung der Finma eine Art Drehscheibenfunktion für die Geldflüsse des Fonds wahr. Dessen klandestine Geschäfte dienten der persönlichen Bereicherung malaysischer Politiker, einschließlich des früheren Premierministers Najib Razak. Der 66-Jährige muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. 1MDB gilt als einer der schwerwiegendsten Korruptionsfälle in der jüngeren Zeit. Er habe die Reputation mehrerer Finanzinstitute und Finanzplätzen stark beschädig – nicht zuletzt auch jenen der Schweiz, betont die Finma.Dass die BSI in der Schweiz wie auch in ihrer Tochtergesellschaft in Singapur, die ihre aufsichtsrechtlichen Pflichten “schwer verletzt” hat, wird vom Bundesverwaltungsgericht auch mit keinem Wort in Zweifel gezogen. Die Finma zog am Beispiel der BSI denn auch ihre schärfste Waffe. Sie ordnete im Frühjahr 2016 an, dass die alteingesessene Bank mit ihrem traditionsreichen Namen innerhalb von zwölf Monaten de facto aufgelöst bzw. vollständig von ihrer neuen Eigentümerin EFG absorbiert und integriert werden muss. An der Verhältnismäßigkeit dieser Verfügung bestehen keine Zweifel. Sie wurde vom Gericht auch nicht beurteilt.Streng zeigten sich die Richter hingegen in ihrem Urteil über die von der Finma geschätzten Gewinne aus den Korruptionsgeschäften, zu deren Einziehung sie seit 2009 berechtigt ist. Die Aufsichtsbehörde habe nicht alles Nötige unternommen, um eine möglichst präzise Summe zu ermitteln. Schätzungen seien nur dann zulässig, wenn sich der Betrag nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln lasse. Im vorliegenden Fall hätte die Behörde die Berechnungen aber zum Beispiel durch externe Spezialisten auf der Grundlage der vorhandenen Buchführungsdaten vornehmen lassen können. Das Gericht bemängelt auch das Prinzip des Schätzvorganges. Kritisiert wird zudem, dass die Finma bei der Strafbemessung auch eine Art Verrechnung mit anderen Korruptionsgeschäften (Petrobras/Odebrecht) vornahm, ohne ersichtlich zu machen, inwieweit diese Geschäfte in die unrechtmäßig erworbenen Gewinne eingeflossen sind.Die Einwände des Gerichts sind für die Finma zwar kein Ruhmesblatt. Aber man sollte sie auch nicht als Maßregelung einer selbstgefällig gewordenen Behörde verstehen. Vielmehr ist das Urteil der Beginn einer Gerichtspraxis über die Bemessung von unrechtmäßigen Gewinnen, die überfällig ist, seit die Finma vor zehn Jahren dieses Sanktionsinstrument in die Hände bekommen hat.Immerhin aber zeigt das Urteil, dass die Aufsichtsbehörde gegenüber der fehlbaren Bank nicht nur besonders streng, sondern offenbar auch eher fahrig vorgegangen ist. Dieser Befund passt zu dem von der BSI gehegten Verdacht, dass die Finma in dieser Affäre ein starkes und weltweit sichtbares Exempel statuieren wollte. Tatsächlich stand die Finma 2016 unter erheblichem Druck. Zur damaligen Zeit lief das Länderexamen der internationalen Expertenkommission in Sachen Geldwäscherei, Groupe d’action financière (Gafi). Im Rahmen dieses Prüfprozesses wurde erstmals nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch deren Umsetzung bewertet. Kaum zufällig hatte Finma-Direktor Mark Branson im April 2016 mit eindringlichen Worten gewarnt, zu viele Banken in der Schweiz hätten den gestiegenen Korruptionsrisiken in den vergangenen Jahren zu wenig Rechnung getragen. Gute Noten im Länderexamen waren für die Finma und den in jenen Jahren international unter starker Beobachtung stehenden Schweizer Finanzplatz von größter Bedeutung. So gesehen mag es plausibel erscheinen, dass der schlagzeilenträchtige Fall BSI der Behörde gerade ein gutes Beispiel gab, um ihre Durchsetzungskraft unter Beweis zu stellen.Die Vermutung liegt umso näher, als sich der wirtschaftliche Schaden des behördlichen Vorgehens in Grenzen hielt. BSI war schon vor der Finma-Sanktion im Begriff von der Zürcher Vermögensverwaltungsbank EFG übernommen zu werden. In dem Prozess kamen weder Bankkunden zu Schaden noch wurden im größeren Umfang Arbeitsplätze vernichtet. Sicher ist, dass das Vorgehen der Finma in Sachen BSI den Schweizer Banken eine wirksame Warnung war. Umso mehr, als bei der Bundesanwaltschaft noch ein Strafverfahren anhängig ist.