Globale Regulierung bietet Anlagegelegenheiten

Tiefgreifenden, langfristigen Wandel im Bankensektor erkennen und als Investor nutzen

Globale Regulierung bietet Anlagegelegenheiten

Zu den folgenschwersten Veränderungen an den Finanzmärkten in den letzten Jahren zählt neben dem dramatischen Rückgang der Zinsen und Kapitalmarktrenditen der tiefgreifende Wandel im Bankensektor. Die globale Finanzkrise ab dem Jahr 2008 hatte nicht nur massive geldpolitische Maßnahmen zur Folge. Sie löste auch eine weltweite Regulierungsflut im Finanzsektor aus, mit der die Politik und die Aufsichtsbehörden das Entstehen übermäßiger Risiken in der Zukunft verhindern und das Finanzsystem robuster machen wollten. In deren Folge ist ein Rückzug der Banken aus zahlreichen Geschäftsfeldern zu beobachten. Volle Wirkung steht noch ausDie Regulierungswelle und die hierdurch ausgelösten Veränderungen in der Bankenlandschaft haben ihre volle Wirkung noch nicht einmal entfaltet. Denn die Umsetzung vieler Reformen und ihre tiefgreifenden Auswirkungen auf Geschäftsmodelle im Finanzsektor werden erst in den nächsten Jahren ihren Höhepunkt erreichen. Während derzeit der Dodd-Frank Act und die Basel-III-Vorschriften in Kraft treten, ist die nächste Generation aufsichtsrechtlicher Reformen bereits auf dem Weg. Aufgrund der Komplexität überrascht es nicht, dass die Reform des Finanzsektors ein langwieriger Prozess ist.In der Folge der Reglementierungen dürften sich Banken weiter aus den Segmenten zurückziehen, die nicht zum Kerngeschäft zählen. Weitere Finanzierungslücken dürften sich damit auftun, und Verwerfungen zwischen öffentlichen und privaten Märkten dürften zunehmen. Diese Veränderungen eröffnen jedoch auch Anlagechancen, und zwar für diejenigen Investmentmanager, die über das Know-how und die Ressourcen verfügen, um die Lücken zu füllen, die die Banken hinterlassen. Konkret sind das Anlagechancen in den folgenden drei Bereichen: Finanzierungslücken, Verwerfungen zwischen öffentlichen und privaten Märkten sowie Abbau notleidender Kredite bei Banken.Finanzierungslücken – Es scheint widersprüchlich, dass trotz massiver geldpolitischer Eingriffe zur Ankurbelung des Kreditangebots und trotz rund 15 Bill. US-Dollar an Schuldtiteln, die zu negativen Renditen gehandelt werden, weiterhin Finanzierungslücken bestehen. Amerikanische und britische Banken zum Beispiel sind aber aufgrund strengerer Prüfung, höherer möglicher Haftung und vieler Milliarden Dollar an Geldbußen in den vergangenen Jahren mittlerweile extrem vorsichtig bei der Vergabe von sogenannten nicht-konformen Hypothekenkrediten. Die Vergabe von Hypothekenkrediten ist derart niedrig, dass nach Schätzungen von Pimco zwischen 1 und 1,4 Millionen US-Bürger, die 2002 – also lange vor der Lockerung der Vergabestandards, die letztlich die Subprime-Krise auslösten, – einen Kredit hätten erhalten können, dies mittlerweile nicht mehr könnten.Hypothekenkredite für einen Teil dieser Gruppe stellen selbst bei konservativen Vergabestandards eine erhebliche Chance für eine Kreditvergabe zu historisch hohen Zinsprämien dar. Diese Entwicklung verkörpert eine echte Finanzierungslücke, da sich die Banken völlig zurückgezogen haben, die Kapitalmärkte für Verbriefung geschlossen sind und für privates Kapital erhebliche Eintrittsschranken bestehen. Derartige Nischenkredite waren lange Zeit Domäne der Banken, aber es gibt nur noch wenige Akteure als Alternative, die imstande sind, das Kreditrisiko gemäß den nationalen Vorschriften zu übernehmen und gegebenenfalls den Kredit umzustrukturieren. Weitere Beispiele sind unter anderem Kredite für Immobilienentwicklung sowie bestimmte Arten von Verbraucherkrediten.Anlagechancen zu erkennen ist das eine – sie zu nutzen ist das andere. Ihre Nutzung erfordert nach unserer Ansicht einen flexiblen Ansatz bei der Strukturierung von Anlagen. Erträge können beispielsweise durch direkte Kreditvergabe, Finanzierung von Kreditgeschäften anderer oder Beteiligungen an einem spezialisierten Kreditunternehmen erzielt werden.Verwerfungen zwischen öffentlichen und privaten Märkten – Im Gegensatz zu öffentlichen Märkten, wo viele Anleger und alle Händler von den aufsichtsrechtlichen Reformen betroffen sind, gibt es für zahlreiche Anlagen an Privatmärkten historisch attraktive Liquiditätsbedingungen. Der Rückzug der Banken als Vermittler an öffentlichen Märkten und die naturgemäß niedrigere Transaktionsgeschwindigkeit an Privatmärkten können zu Verwerfungen führen: Ähnliche Vermögenswerte werden in der Folge unterschiedlich bewertet, je nachdem ob sie in Form eines Wertpapiers gehandelt werden oder nicht.So war beispielsweise im ersten und zweiten Quartal 2016 die Volatilität bei öffentlichen Gewerbeimmobilien-Wertpapieren, bei mit gewerblichen Hypotheken besicherten Anleihen (CMBS) und Real Estate Investment Trusts (Reits) sehr hoch, verglichen mit dem Transaktionsvolumen und den Bewertungen der zugrundeliegenden physischen Immobilien. Die Kombination aus Zwangsverkäufen durch einige Fonds und den extrem hohen Kapitalanforderungen für das Halten dieser Wertpapiere in den Handelsbüchern der Banken bedeutete, dass die Wertpapiere hohe Abschläge im Vergleich zu privaten Transaktionen beinhalteten.Derartige Entwicklungen können Chancen für Anleger bieten, die in der Lage sind, Wertpapiere und den Wert ihrer zugrundeliegenden Immobilien beizeiten und effizient zu analysieren. Dies schafft häufig potenzielle Chancen für Anleger, die bereit und in der Lage sind, aktiv zu handeln. Gewinne können etwa realisiert werden, indem das Risiko zwischen öffentlichen und privaten Märkten verschoben wird, in der Regel durch aktive Strukturierung. Ein Beispiel wäre etwa, eine öffentliche Immobilienanlagegesellschaft von der Börse zu nehmen, um die Differenz zum höheren Nettoinventarwert zu realisieren. Die einhergehende Vereinfachung oder Stabilisierung von Cash-flows kann einen Verkauf der unterliegenden Vermögenswerte ermöglichen, da im Markt eine solide Nachfrage für die festzinsähnlichen Erträge von Kernimmobilien besteht. Banken in der ZwickmühleAbbau notleidender Kredite – Europäische Banken haben nach wie vor Probleme mit notleidenden und leistungsgestörten Krediten, aber die bestehenden Regulierungen erschweren den Prozess. Die europäische Abwicklungsrichtlinie (European Bank Recovering and Resolution Directive – BRRD) beispielsweise verbietet die Rettung durch den Staat. Die Banken sind in einer Zwickmühle: Sie können es sich nicht erlauben, Kredite mit ihren hohen Abschlägen zu verkaufen, da dies eine Verringerung ihres aufsichtsrechtlichen Kapitals auslösen würde, und potenzielle Käufer können ohne die Verwendung von Fremdfinanzierung zur Steigerung ihrer Renditen keine höheren Preise zahlen. Gleichzeitig ziehen sich die Banken aber angesichts höherer Kapitalauflagen generell aus der Finanzierung von Papieren mit einem Rating unterhalb von Investment Grade zurück.Die Zahl der strukturierten, für die Banken kapitaleffizienten Lösungen, die letztlich zu höherer Kapitalwiedergewinnung führen, könnte künftig zunehmen. Für Verwalter mit flexibleren Anlagemandaten und einem aktiveren Ansatz bietet sich eine Chance, mit Banken zusammenzuarbeiten, wodurch Informationsasymmetrien verringert und erforderliche Kompetenzen aus der Vermögensverwaltung eingebracht werden. Wichtige ThematikWenn die erwarteten Kapitalrenditen niedriger sind, ist die Fokussierung auf Bereiche, in denen das Kapitalangebot durch Regulierung gehemmt ist, eine logische Strategie bei der Suche nach Zusatzrenditen. In diesem Sinne sind wir überzeugt, dass die Eingriffe durch Regulierung auf lange Sicht zu den wichtigsten Anlagethemen und -chancen gehören. Die Banken überlassen anderen Marktteilnehmern ökonomische Gewinne, aber um diese zu realisieren, müssen Investmentmanager über die notwendigen Ressourcen in allen relevanten Bereichen, inklusive des Verständnisses des regulatorischen Umfelds, verfügen. Überdies sollten die Anleger einen langfristigen, flexiblen Ansatz für ihren Kapitaleinsatz haben, um Anlagen in jenen Sektoren und Vermögenswerten zu ermöglichen, in denen Risiko am besten entlohnt wird.—Frank Witt, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pimco Deutschland—Tom Collier, Produktmanager bei Pimco