FRANKFURT EUROPEAN BANKING CONGRESS

Globalisierung unter Rechtfertigungsdruck

Ex-Handelskommissar De Gucht: Wachstumsgewinne durch den Freihandel fair verteilen - China-Strategie

Globalisierung unter Rechtfertigungsdruck

lz Frankfurt – Bankenvertreter und Ökonomen haben sich besorgt über den wachsenden gesellschaftlichen Widerstand gegen die Globalisierung geäußert und zugleich davor gewarnt, China bei der Umgestaltung der Weltwirtschaft das Feld zu überlassen. Von einer Deglobalisierung sei zwar derzeit nichts zu spüren, räumte Jean Lemierre, Verwaltungsratschef von BNP Paribas, ein, in der Öffentlichkeit sei aber zunehmender Unmut über die Verteilung des Wohlstands zu spüren.”Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen vom Wachstum profitieren”, forderte er auf dem European Banking Congress in Frankfurt. Insgesamt benötige der ökonomische Prozess eine viel breitere gesellschaftliche Fundierung, sagte er mit Blick auf den europäischen Prozess, der für sich genommen ebenfalls “breiter aufgesetzt” werden müsse.Susan Danger von der American Chamber of Commerce in Brüssel rief Wirtschaft und Politik auf, der Öffentlichkeit besser zu erklären, warum Freihandel für alle gut ist. Nach Ansicht des früheren EU-Handelskommissars Karel De Gucht darf man es aber nicht bei der Aufklärung belassen, sondern muss die Tektonik der Globalisierung anpassen, damit der Freihandel von der Bevölkerung wieder mehr unterstützt wird und die populistischen Kräfte zurückgedrängt werden.De Gucht will beim Steuersystem ansetzen. “Wir können nicht akzeptieren, dass Unternehmen wie Amazon und Apple nicht dort Steuern zahlen, wo sie auch ihre Profite einfahren”, forderte er. Auch sei steuerpolitisch darauf zu reagieren, dass die Wohlstandsgewinne angesichts von Digitalisierung und Automatisierung zunehmend mehr “dem Kapital zugutekommen und immer weniger der menschlichen Arbeit”. Es gehe hier um eine faire Umverteilung.De Gucht sowie Guntram B. Wolff, Chef des Brüsseler Think-Tanks Bruegel, zeigten sich außerdem besorgt über die teilweise aggressive Industrie- und Rohstoffpolitik Pekings. China nutze hier die Offenheit etwa der europäischen Volkswirtschaften aus, ohne die eigene entsprechend zu öffnen, beklagte Wolff. Mit den Aufkäufen westlicher Technologie wolle das Land dann die westlichen Länder auf dem Markt überholen. Er rief die westliche Politik auf, mehr auf Reziprozität zu dringen. “Wettbewerb ist gut, aber es muss fair zugehen”, sagte auch Jörg Wuttke, BASF-Repräsentant in China. Wolff forderte die europäische Politik auf, sich ein Instrumentarium zuzulegen, um China stärker unter Druck zu setzen, den eigenen Markt zu öffnen. Westen uneinigChina, so Wuttke, habe “das Spiel verändert” und wolle die westlich dominierten Strukturen in seinem Sinne “global auf sich zuschneiden”. Die Uneinigkeit in den Industriestaaten verhindere derzeit aber, dass der Westen dem etwas entgegensetzt.