"Government Sachs" ist im US-Wahlkampf mittendrin

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 21.10.2016 Eigentlich wollte Lloyd Blankfein, CEO und Chairman der Investmentbank Goldman Sachs, sich ganz aus dem US-Wahlkampf heraushalten. Er werde keine Wahlempfehlung abgeben, weil er niemandem...

"Government Sachs" ist im US-Wahlkampf mittendrin

Von Stefan Paravicini, New YorkEigentlich wollte Lloyd Blankfein, CEO und Chairman der Investmentbank Goldman Sachs, sich ganz aus dem US-Wahlkampf heraushalten. Er werde keine Wahlempfehlung abgeben, weil er niemandem helfen oder schaden wolle, sagte Blankfein im Frühjahr im Gespräch mit dem Fernsehsender CNBC. Doch spätestens mit den von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichten Texten von Reden, die die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton auf Einladung von Goldman Sachs für ein üppiges Honorar an drei Veranstaltungen des Bankhauses hielt, ist die Wall-Street-Adresse, die wegen ihrer engen Verbindungen nach Washington zu Zeiten der Finanzkrise auch “Government Sachs” gerufen wurde, mittendrin in der Auseinandersetzung.Clinton treffe sich mit der internationalen Bankenelite und verfolge den gemeinsamen Plan, die Souveränität der USA zu untergraben, um die Macht der Finanzmagnaten, die Interessen ihrer Freunde und Helfer weiter zu mehren, interpretierte Donald Trump, der republikanische Wahlwerber um den Einzug in das Weiße Haus, in der vergangenen Woche bei einem Wahlkampfauftritt in Florida die Verbindungen zwischen Clinton und Goldman Sachs, ohne sich an den kaum zu überhörenden Anleihen aus dem Fundus antisemitischer Rhetorik zu stören. “Sich an dieser Debatte mit rationalen Argumenten zu beteiligen ist reine Zeitverschwendung”, sagte Blankfein in dieser Woche im Gespräch mit CNBC, angesprochen auf die von Trump ausgedachte Verschwörungstheorie. “Wenn es eine internationale Intrige gibt, bin ich wohl wieder einmal nicht zur Party eingeladen.”Zahlen des Center for Responsive Politics zeigen, dass der Einfluss der Wall-Street-Banken in Washington, gemessen an ihren Ausgaben für Lobbying, seit der Finanzkrise deutlich gesunken ist. Zumindest dann, wenn man diese Ausgaben ins Verhältnis setzt zum Engagement der US-Technologiefirmen. Im vergangenen Jahr wendeten die fünf größten US-Technologiekonzerne demnach knapp 50 Mill. Dollar für Lobbying in der Hauptstadt auf, während die fünf größten Banken dafür rund 20 Mill. Dollar ausgaben. 2007 war das Verhältnis umgekehrt, als die Banken knapp 30 Mill. Dollar und Technologiefirmen etwas mehr als 10 Mill. Dollar aufwendeten. Die Campaign for Accountability hat sich im Silicon Valley darüber hinaus den personellen Verflechtungen mit Washington gewidmet, deretwegen die Wall Street spätestens seit der Berufung des ehemaligen Goldman-Sachs-Chefs Hank Paulson zum Finanzminister unter George W. Bush unter Generalverdacht steht. Die Non-Profit-Organisation fand allein bei Google, einer Tochter von Alphabet, 183 Mitarbeiter, die zuvor für die Administration von US-Präsident Barack Obama tätig gewesen waren. Umgekehrt fanden während seiner bisherigen Regierungszeit 58 Mitarbeiter von Google den Weg nach Washington.In künftigen Wahlkämpfen dürften sich Verschwörungstheorien eher um die Gefahren von “Googlement” als um “Government Sachs” drehen. Noch aber sind die lässigen Jungunternehmer, denen die kalifornische Sonne aus dem Gesicht scheint, in den Augen vieler Wähler gänzlich unverdächtig, Böses im Schilde zu führen. Donald Trump wird sich in den verbleibenden knapp drei Wochen der laufenden Kampagne also weiterhin an den Wall-Street-Adressen abarbeiten und damit bei den Wählern wohl auch auf Gehör stoßen.Jamie Dimon, CEO und Chairman von J.P. Morgan, hat sich in dieser Woche dennoch unmissverständlich zum Wahlkampf geäußert. “Vom nächsten Präsidenten erhoffe ich mir, dass sie über die Parteigrenzen hinweggeht”, sagte der Chef der größten Wall-Street-Bank und erntete dafür bei einer Veranstaltung des Bankhauses spontanen Applaus. Eine Wahlempfehlung wollte er wie Blankfein aber nicht abgeben. ——–Donald Trump versucht die Auftritte von Hillary Clinton bei Goldman Sachs für sich zu nutzen.——-