BVR

Gratwanderung

Die Genossenschaftsbanken gehen mit einem kräftigen Ergebnissprung, üppigen Rücklagen und einer soliden Eigenkapitalausstattung mit guten Voraussetzungen in das Krisenjahr 2022.

Gratwanderung

Es kommt einem vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs unwirklich vor: Die Genossenschaftsbanken haben 2021 ihr Vorsteuerergebnis mal eben um ein Fünftel auf 7,7 Mrd. Euro ausweiten können. Angesichts der „menschlichen Tragödie“ durch den furchtbaren Angriffskrieg Russlands war es für BVR-Präsidentin Marija Kolak und ihre Vorstandskollegen Andreas Martin und Daniel Quinten, der neu angetreten ist, bei ihrem Auftritt vor Journalisten sichtlich eine Gratwanderung, diesen beeindruckenden Erfolg nicht allzu sehr an die große Glocke zu hängen. Daher verkniffen sie sich auch eine Prognose.

Ganz nüchtern betriebswirtschaftlich betrachtet und trotz aller Unsicherheiten hinsichtlich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung infolge des Kriegs dürften die Aussichten für die Genossenschaftsbanken besser sein als bei Ausbruch der Pandemie. Und das liegt nicht nur daran, dass es absehbar Gegenmaßnahmen der Bundesregierung geben wird, um die Folgen für die Wirtschaft durch Sanktionen, unterbrochene Lieferketten oder explodierte Energiepreise abzufedern. Es fußt zuvorderst auf einer guten Ausgangslage und üppig aufgefüllten Rücklagen der Finanzgruppe, um neuen Rückschlägen standhalten zu können. Direktes Kreditengagement in Russland und der Ukraine haben die Volks-, Raiff­eisen-, PSD- und Sparda-Banken nach Auskunft des BVR ohnehin nicht. Und bei der DZ Bank ist das Engagement überschaubar. Ein konjunktureller Rückschlag mit einhergehender steigender Risikovorsorge ist angesichts der soliden Eigenkapitalbasis mit einer Kernkapitalquote von 15% und nach dem extrem niedrigen Niveau 2021 gut zu schultern. Ähnliches gilt für die Eigenanlagen der Banken: Russische Wertpapiere von 190 Mill. Euro haben einen Promilleanteil am Eigenkapital, größere Verwerfungen an den Kapitalmärkten sind derzeit wiederum nicht in Sicht.

Das erhoffte Ende der Negativzinsen der EZB hingegen, das vor dem Hintergrund der explodierten Inflation dringender denn je geboten ist, hätte wiederum mittelfristig einen positiven Effekt auf die Passivmarge. Das Aktivgeschäft mit seinen stabilen Margen wiederum lief seit Jahres­beginn weiterhin gut. Hinzu kommt die diversifizierte Aufstellung der Finanzgruppe, die neben dem Bankgeschäft auch die Vermittlung von Versicherungen und Fonds umfasst, was Einbrüche in einem Bereich ausbügeln kann. Auch für grundsätzliche Herausforderungen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit sucht man gemeinsam nach Antworten. Die Ausgangslage für die Genossen für 2022 ist somit nicht die schlechteste.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.