China-Politik

Heißes Pflaster für Schweizer Banken

Die politischen Risiken, denen die Schweizer Vermögensverwaltungsbanken im chinesischen Wachstumsmarkt ausgesetzt sind, wachsen dramatisch.

Heißes Pflaster für Schweizer Banken

Von Daniel Zulauf, Zürich

Die Schließung des Bankkontos einer Schweizer Stiftung des international bekannten, chinesischen Künstlers Ai Weiwei wirft ein Schlaglicht auf die Risiken, denen die Schweizer Vermögensverwaltungsbanken in dem fernöstlichen Wachstumsmarkt zunehmend ausgesetzt sind. Die Hintergründe für die Schließung des Credit-Suisse-Kontos sind nicht geklärt. Die Deutungshoheit des Vorganges liegt derzeit allein bei Ai Weiwei, der sich bislang als Einziger geäußert hat. 

Zumindest im Westen hat sich eine öffentliche Meinung dazu bereits herausgebildet. Dem regimekritischen Künstler, der zurzeit in Portugal lebt, gehören alle Sympathien, die Bank kommt schlecht weg: „Rückgratlosigkeit in Reinkultur“, „Kuschen vor China“, „Muss ich jetzt wirklich alle Konten und die Hypothek kündigen?“, schreiben enervierte Twitter-Nutzer.

Die britische HSBC war 2017 geschickter vorgegangen. Sie hatte Ai Weiwei die Eröffnung eines Kontos verweigert – „aus geschäftlichen Gründen“, wie der Ausgeschlossene damals Reuters gesagt hatte.  

Das Geschäft mit der Elite aus autokratischen Ländern birgt für Banken immer hohe Risiken. In China, dem Land, in dem seit kurzem die meisten Milliardäre leben, ist es vor allem für die Schweizer Geldinstitute besonders groß. UBS, Credit Suisse, Julius Bär und auch die Genfer Privatbanken zielen in dem schnell wachsenden Markt auf die Klientel der Reichen und Superreichen. Sie sind aus der Geschäftsstrategie der Banken nicht mehr wegzudenken.

„Diese Leute stehen seit einiger Zeit unter verschärfter Beobachtung Pekings“, sagt Duncan Clark, ein britischer China-Kenner, der erst kürzlich ein hochgelobtes Buch über den phänomenalen Erfolg des Alibaba-Gründers Jack Ma geschrieben hat. Am Sitz der Asia Society Switzerland in Zürich hält der Autor einen Vortrag über die Folgen der härteren politischen Gangart gegenüber der Technologiebranche und ihren reichen Pionieren.

„Die Ungleichheit in der chinesischen Gesellschaft ist riesig geworden, das ist etwas, das die Regierung unbedingt korrigieren will“, sagt Clark. Obschon die Ein-Kind-Politik längst aufgehoben ist, droht dem Land der Nachwuchs auszugehen. Mehr als ein Kind aufzuziehen, sei für gewöhnliche Mittelstandsfamilien viel zu teuer.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen hat die Politik in jüngster Zeit schon umgesetzt. Private Lerninstitute, mit denen die reiche Schicht ihren Kindern für teures Geld den Zugang zu den Universitäten erleichtert, sind unlängst quasi über Nacht verboten worden.

Clark zählt einen ganzen Strauß von Interventionen auf, die eine langfristig stabilere Entwicklung Chinas zum Ziel haben. So geraten auch die reichen chinesischen Unternehmer immer stärker in den Fokus der Politik. „Man kann in China politisch punkten, wenn man diese Leute härter anfasst“. Dazu gibt es eine Reihe von Beispielen, wie etwa die Art und Weise, in der Alibaba-Gründer Jack Ma im Oktober 2020 nach einigen öffentlichen Äußerungen über veraltete Geschäftsmodelle chinesischer Staatsbanken von der Bildfläche verschwunden ist.

Doch ob und inwieweit solche Einzelinterventionen einem konkreten Plan folgen, weiß niemand so genau. Ein nicht genannt sein wollender Schweizer Bankenvertreter sagt: „Ich erwarte, dass es mehr Kontrollen darüber geben wird, wie die vornehmlich in Hongkong oder in Singapur liegenden Gelder dieser reichen chinesischen Kundschaft investiert werden.“ Es sei zu befürchten, dass die derzeit gespannte Situation mehr kritische Fälle ans Licht bringen werde.

Es mangelt an Verankerung

„Den Schweizer Banken würde eine stärkere Verankerung im chinesischen Mittelstand guttun“, glaubt Clark. In diesem Bereich scheint Peking in der Tat eine stärkere Durchdringung des heimischen Marktes mit Auslandbanken zu begrüßen. „Die chinesischen Sparer brauchen eine breitere Palette von Möglichkeiten, ihr Geld zu investieren“, erklärt der frühere Investmentbanker: „Für die Auslandbanken ist China immer noch ein Schlüsselmarkt.“

Zu den führenden Auslandbanken im chinesischen Mittelstandsmarkt gehören die US-amerikanischen Großbanken. Auch Credit Suisse und UBS versuchen, in diesem Markt mitzumischen. Doch ihnen scheint es immer noch deutlich an der kritischen Größe zu fehlen. Dies mag ein Grund dafür sein, weshalb sich Schweizer Banken gegenüber der chinesischen Obrigkeit besonders dienstfertig zeigen.  Das Signal aber, das die Credit Suisse mit der Ai-Weiwei-Affäre derzeit gerade in die Welt aussendet, ist jedenfalls keine Einladung an vermögende Chinesen, ihr Geld in die Schweizer Großbank zu tragen.