Holt die Politik "Schattenbanken" aus der Mottenkiste?

Begriff sollte ausgedient haben - Sachliche Diskussionen bringen die besseren Ergebnisse

Holt die Politik "Schattenbanken" aus der Mottenkiste?

Die Agenda der G 20 zur Finanzmarktregulierung könnte der Fondsbranche ein unangenehmes Déjà-vu bescheren. Denn der populistische Begriff “Schattenbanken” könnte darin einen prominenten Platz einnehmen. Dies wäre ein Rückschritt. Denn inzwischen ist die Diskussion längst weiter; der Kampfbegriff “Schattenbank” hat bei den meisten Regulatoren aus gutem Grund ausgedient. Mehr als EtikettenwechselSo spricht der Finanzstabilitätsrat FSB beispielsweise heute von “Non-Bank Credit Intermediaries” statt von Schattenbanken. Diese Umschreibung ist mehr als ein Etikettenwechsel. Sie steht für einen differenzierten Bewertungsansatz und macht deutlich, dass nicht alle Aktivitäten außerhalb des Bankensektors automatisch unreguliert und im “Schatten” stattfinden. Diese Sicht setzte sich beim FSB erst mit der Zeit durch. Als er vor sechs Jahren die Diskussion zu Schattenbanken mit einer Regulierungsinitiative anstieß, beurteilte er die möglichen Risiken von Nichtbanken noch weit pauschaler.Damals war das Ziel, eine Datenbank aufzubauen, um systemische Risiken von Nichtbanken erkennen zu können. Aus Angst, ein Marktteilnehmer könnte definitorisch durchs Netz schlüpfen, deklarierte der FSB alle Institutionen als Schattenbanken, die in irgendeiner Form Kredite vergeben, Fristen transformieren oder Hebel verwenden. Über Nacht wurden so auch Investmentfonds zu Schattenbanken, neben Hedgefonds und Special Purpose Vehicles. Dass Investmentfonds bereits deutlich strenger reguliert und viel transparenter waren, blieb dabei unbeachtet. Erst nach massiver Kritik der Fondsbranche und intensiven Auseinandersetzungen änderten die Aufseher ihre Meinung. Sie fischten nach und nach einzelne Aktivitäten wieder aus dem Netz heraus, beispielsweise klassische Aktienfonds.Auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat sich in der Debatte inzwischen weiter bewegt, von einem sehr breiten zu einem differenzierten Ansatz. Bei der Entwicklung der Vorgaben zur Kreditrichtlinie CRR musste die Behörde erstmals konkret definieren, was eine Schattenbank ist. Die CRR schreibt Banken vor, ihre Risiken gegenüber Schattenbanken zu begrenzen. Das hat Auswirkungen auf deren Kreditvergabe und Investitionen im Verhältnis zu Unternehmen, die als Schattenbanken gelten.Zunächst stufte die EBA alle alternativen Investmentfonds (AIF) pauschal als Schattenbanken ein. Als Konsequenz hätten Banken nicht mehr in Spezialfonds investieren dürfen. Inzwischen ist davon keine Rede mehr. Die Behörde beurteilt die Anlagen der Banken in Spezialfonds jetzt abgestuft nach konkreten Kriterien: Einschränkungen gelten nur für AIF, die mindestens einen dreifachen Hebel verwenden oder Kredite vergeben beziehungsweise Kreditforderungen für das Portfolio erwerben. EZB in der MinderheitAllein die Europäische Zentralbank (EZB) hält bislang hartnäckig daran fest, alle Fonds pauschal als “Schattenbanken” zu bezeichnen. Damit ist sie zwar inzwischen in der Minderheit. Dennoch bleibt die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen und Reputationsschäden durch das Etikett “Schattenbank” für die Fonds bestehen. Bestes Beispiel dafür sind die Geldmarktfonds. Sie sind streng reguliert und zählen zu den Anlageprodukten mit den geringsten Risiken. Trotzdem wurden sie in die Kategorie “Schattenbank” gepackt und auf eine Stufe mit unregulierten Hedgefonds gestellt.Es wäre ein Rückschritt, würde sich die Diskussion innerhalb der G 20 aus der Mottenkiste der Schattenbanken bedienen. Zu groß ist die Gefahr, dass sie damit den großen Beitrag der Fonds für die Altersvorsorge und die Finanzierung der Wirtschaft in Misskredit bringt. Die Mehrzahl der Regulatoren und Regierungen hat in den letzten Jahren erkannt, dass eine sachliche Diskussion am Ende die besseren Ergebnisse bringt. Die Politik sollte diese Entwicklung nicht wieder umkehren.—Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI