SERIE GELDWÄSCHE (6): SCHWARZES LOCH IMMOBILIENSEKTOR

Immobilienbranche weist ein "hohes" Risiko auf

Problembewusstsein muss bei kleineren Marktteilnehmern noch geschaffen werden - Nur wenige Verdachtsmeldungen

Immobilienbranche weist ein "hohes" Risiko auf

Von Thomas List, FrankfurtEin Koffer voll mit 500-Euro-Scheinen liegt auf dem Tisch. Die Parteien sind sich einig. Die Verhandlungen über den Kauf eines Mehrfamilienhauses in Berlin-Kreuzberg haben nicht lange gedauert. Der Interessent war mit der verlangten Summe gleich einverstanden. Zwar stellte sich einen Tag vor dem Notartermin heraus, dass der Käufer nicht der sein sollte, mit dem der Makler die ganze Zeit verhandelt hat. Aber jetzt soll der Kaufvertrag vom Notar beurkundet werden. Die junge Käuferin weist sich mit einem syrischen Pass aus, unterschreibt, und der Notar kann die Formalien erledigen, also im wesentlichen den Eigentumsübertrag im Grundbuch veranlassen. Realistisches Szenario?Ist das ein realistisches Szenario? Oder müssten die Alarmglocken läuten wegen Verdachts auf Geldwäsche nach dem Geldwäschegesetz (GWG)? Ja, eigentlich schon. Um den Preis wird nicht verhandelt, Verhandlungspartner und Käufer bzw. der Zahler sind nicht identisch, Letzterer vielleicht sogar unbekannt. Und nicht zuletzt kommt die Käuferin aus einem Hochrisikoland, mit der Folge, dass verstärkte Sorgfaltspflichten gemäß Geldwäschegesetz zu erfüllen sind.Tatsächlich unterliegt der Immobiliensektor in Deutschland aufgrund seiner Größe und Wertstabilität einem “hohen” Geldwäscherisiko, heißt es in der “Ersten Nationalen Risikoanalyse”, die das Bundesfinanzministerium im Oktober 2019 veröffentlicht hat. Verwiesen wird darin insbesondere auf Share Deals und verschachtelte Gesellschaftskonstruktionen, insbesondere im Zusammenspiel mit Briefkastenfirmen im Ausland. Dadurch können die wirtschaftlich Berechtigten verborgen bleiben.Laut Jahresbericht 2019 der Financial Intelligence Unit (FIU), die “Meldungen über ungewöhnliche oder verdächtige Finanztransaktionen entgegennimmt, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten”, stammten im Berichtsjahr von den 1 266 Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften (Kauf/Verkauf von Immobilien) rund 79 % von Kreditinstituten und dem übrigen Finanzsektor. 47 (i. V. 20) Immobilienmakler gaben 84 (31) Verdachtsmeldungen ab. Die FIU wertet diesen kräftigen Zuwachs “als Zeichen der steigenden Sensibilisierung bei dieser Verpflichtetengruppe”. Gebäude in Mafia-HandÜber den Umfang der Geldwäsche gibt es nur grobe Schätzungen. Allein mit Immobilien dürften hierzulande aber jährlich einige Milliarden Euro gewaschen werden. Nach der Studie “Geldwäsche bei Immobilien in Deutschland” der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland vom Dezember 2018 dürfte insbesondere die organisierte Kriminalität durch den Kauf von Luxusvillen, Mehrfamilienhäusern und Bürokomplexen versuchen, ihr durch Verbrechen erworbenes Geld in den legalen Geldkreislauf einzuspeisen. Die italienische Mafia soll in ganz Deutschland eine Vielzahl von Pizzerien besitzen, aber auch große Wohnhäuser und fremdgenutzte Gewerbeimmobilien.Und was tut die Immobilienwirtschaft, um Geldwäsche zu verhindern? Dazu gibt es mehrere Initiativen insbesondere von Maklern und Berufsverbänden. Zuvorderst sind zu nennen das Institut für Corporate Governance in der Immobilienwirtschaft (ICG) sowie die Legal & Compliance Initiative Real Estate. Während sich das ICG als “die standardsetzende Organisation für werteorientierte, nachhaltige Unternehmensführung der deutschen Immobilienwirtschaft” betrachtet, will die Legal & Compliance Initiative Real Estate gemeinsam hohe Ethikstandards in der Immobilienbranche entwickeln.Ein wichtiger Meilenstein dürften die “Informationen zur Geldwäscheprävention in der Immobilienwirtschaft” des ICG sein. Für Antonios Kotsis, Head of Legal & Compliance Germany, Geldwäschebeauftragter beim Makler JLL Germany, unter dessen Leitung eine Taskforce des ICG-Arbeitskreises Compliance diesen Leitfaden erstellt hat, ist klar: Die Branche hinkt beim Thema Geldwäsche hinterher, insbesondere im Vergleich zu den Banken. “In der Immobilienbranche fehlt ein Stück weit noch das Problembewusstsein”, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Vom Thema Geldwäsche hätten zwar viele schon gehört. “Aber ob sie selbst Verpflichteter sind oder nicht, wissen sie häufig nicht.” Deshalb enthält der Leitfaden eine einseitige Übersicht, aus der sich erkennen lässt, wer in der Branche in welchen Fällen Pflichten nach dem GWG nachkommen muss. Große Spieler tun sich da leichter als kleine – von denen es gerade bei Maklern viele gibt, bis hin zu Ein-Mann/Frau-Unternehmen.Zur Umsetzung der gesetzgeberischen Anforderungen wurde insbesondere ein einheitlicher Fragebogen entwickelt, der zu Anfang der Geschäftsbeziehung die Vertragsparteien und die wirtschaftlich Berechtigten erfasst. Gefragt wird dabei auch nach politisch exponierten Personen (PEP). Die Fragebögen für natürliche und juristische Personen sind laut Kotsis zumindest in ähnlicher Form bei den großen Maklern im Einsatz und bei Nichtmitgliedern der Initiative verbreitet. Auf dessen Homepage sind die Fragebögen zum Download frei zugänglich.Bei JLL, und bei anderen großen Maklerhäusern dürfte es ähnlich sein, ist Geldwäscheprävention ein zentraler Bestandteil des Risikomanagements. Die immer weiter steigenden gesetzlichen Anforderungen – so fällt seit Anfang 2020 nicht nur der Investmentbereich unter das GWG, sondern auch die Vermietung – werden in einem einheitlichen Prüfprozess erfüllt. Ein zentrales Team ist vor Vertragsunterzeichnung für die Überprüfung der Vertragspartner zuständig. Dabei werden bei JLL verschiedene Datenbanken eingesetzt. “Das ist ein erheblicher Kostenfaktor, den sich viele kleine Unternehmen nicht leisten können”, gibt Kotsis zu bedenken. Das gelte erst recht für eine eigene Compliance-Abteilung und den eigenen Geldwäschebeauftragten.Gibt es in den Datenbanken Treffer, zum Beispiel Namensgleichheit mit einer politisch exponierten Person, oder kommt eine Person aus einem Hochrisikoland, so greifen laut GWG verstärkte Sorgfaltspflichten. “Wir fragen dann zum Beispiel, woher die Vermögenswerte für die Transaktion kommen.” Die Alarmglocken würden bei Kotsis auch läuten, wenn Kunden den Kaufpreis ganz oder teilweise bar zahlen wollten – wobei er sagt: “Das ist bei uns noch nicht vorgekommen.”Auch die schnelle Einigung über den Kaufpreis kann misstrauisch machen. Das gilt noch mehr für den plötzlichen Wechsel der Vertragspartei – sofern der Makler das mitbekommt. Denn manchmal ist er beim Notartermin nicht mehr dabei. Die Identifikation der Person, die schließlich den Kaufvertrag unterschreibt, obliegt dem Notar.Zentral ist die Identifikation eines wirtschaftlich Berechtigten hinter jeder Transaktion. In den Fragebögen heißt es eindeutig, dass dies nicht eine juristische Person sein kann. Genannt werden muss also immer eine natürliche Person, auch wenn der Vertragspartner ein Unternehmen oder ein Unternehmensgeflecht ist. Es gibt allerdings Ausnahmen, z. B. bei einem Fonds. Dann gilt die Geschäftsleitung der KVG als wirtschaftlich Berechtigte.Kotsis betont aber, dass der Prüfung auch Grenzen gesetzt sind. Gerade zu Personen im Ausland finde man (im Internet) manchmal nichts, wobei aber niemals Geschäfte mit Personen abgeschlossen würden, die kein JLL-Mitarbeiter gesehen hat. “Es ist zwar okay, dass wir Verpflichtete nach dem GWG sind. Das macht Sinn. Wir sind aber nicht die Staatsanwaltschaft oder die Polizei, unsere Möglichkeiten sind begrenzt.” In Einzelfällen habe JLL auch schon Geschäfte nicht gemacht. “Oder wir machen eine Verdachtsmeldung.” Bargeldtransaktionen seltenNach Angaben von Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende RICS Deutschland, des Berufsverbandes der Immobilienexperten, sind dessen Mitglieder verpflichtet, das Thema Geldwäsche immer im Blick zu haben und aktiv zu werden. “Der RICS hat eine Leitlinie zur Korruptionsbekämpfung veröffentlicht”, sagt sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nach ihrer Ansicht sind Bargeldtransaktionen im Immobilienbereich äußert selten. Transparenz sei angesichts der vielen Beteiligten sowohl bei Käufen/Verkäufen als auch in der Vermietung entscheidend, könne aber, so Eickermann-Riepe, da das Transparenzregister “noch nicht so funktioniert”, nicht ausreichend hergestellt werden.Als hinderlich gelten auch die in Deutschland häufig noch manuellen, auf jeden Fall aber nicht zentralisierten Grundbücher, sodass Prüfungen häufig noch vor Ort in den lokalen Grundbuchämtern vorgenommen werden müssten. Im Transparenzregister sind die Informationen aus den Grundbüchern damit kaum zu finden. Als Einfallstor für Geldwäsche gelten auch Share Deals, bei denen nicht das einzelne Objekt (Asset Deal), sondern Anteile an der Objektgesellschaft gehandelt werden. Beim Eigentumsübertrag müssen keine Notare eingeschaltet werden. “Bei Share Deals entsteht eine gewisse Intransparenz, wenn ich nicht überprüfe, wohin diese Beteiligungen gehen und wer der wirtschaftlich Berechtigte ist”, sagt die RICS-Deutschland-Vorsitzende.Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 stellt der Maklerschaft hierzulande aber kein gutes Zeugnis bei der Geldwäscheprävention aus. Laut der im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erstellten sogenannten Dunkelfeldstudie identifiziert nur die Hälfte der Maklerinnen und Makler den Vertragspartner, überprüften nur 41 % die Angaben und 38 % den Geschäftszweck und prüften sogar nur zu 9 % auf politisch exponierte Personen. Nur 22 % hatten einen Geldwäschebeauftragten. Als Hauptgrund für das Ausbleiben einer Meldung gaben mehr als die Hälfte der Makler an zu fürchten, dass dann das Geschäft scheitert.Es dürfte also noch ein weiter Weg sein, bis jeder in der Immobilienbranche versteht, warum Geldwäscheprävention so wichtig ist. Nicht zuletzt drohen bei unterlassener oder nicht ausreichender Prüfung empfindliche Sanktionen, wobei die Geldstrafen weniger gravierend sein dürften als die namentliche Veröffentlichung der Missetäter. Letzteres ist zwar vorgesehen, wird aber (noch) nicht umgesetzt. Geplant ist in der 6. Geldwäsche-Richtlinie, die bereits Anfang Dezember 2020 in nationales Recht hätte umgesetzt werden sollen (was in Deutschland aber nicht geschehen ist), Unternehmen selbst zu bestrafen, z. B. durch Ausschluss bei öffentlichen Vergaben, also nicht mehr nur einzelne Mitarbeiter. Zuletzt erschienen: Im Gespräch mit Annick Moes und Thomas Egner, European Banking Authority (EBA) (7. Januar) Interview mit BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch (5. Januar)