In Sorge um deutschen Finanzplatz
dz Zürich
Zu feiern gäbe es für die Schweizer Bankiers in den vergangenen 15 Jahren ziemlich wenig. Die Branche hat einen beträchtlichen Bedeutungsverlust erlitten. Vor der Finanzkrise erwirtschafteten die Banken und die Versicherungen in der Schweiz noch mehr als 14% des Bruttoinlandproduktes. Seither ist der Anteil ist vor allem als Folge der geschrumpften Bankenbranche auf unter 10% gesunken.
Es gab Zeiten, in denen der Verband die Schuld an dieser Entwicklung reflexartig bei der Politik und bei den Behörden suchte. Ganz laute Töne gibt die Branche aber kaum mehr von sich. Zwar weisen die Banken als drittwichtigste Schweizer Exportindustrie der Regierung immer noch viel Verantwortung zu, wenn es darum geht, das langfristige Gedeihen der Branche zu sichern.
So forderte der scheidende Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, Herbert Scheidt, auch am Donnerstag „einen klaren Plan des Bundesrates“, wie die Schweiz nach der Schubladisierung des Rahmenvertrages ihre Zukunft mit Europa gestalten wolle. Doch im Wissen, dass die politische Großwetterlage nicht für eine baldige Rückkehr der beiden Parteien an den Verhandlungstisch spricht, wollen sich die Banken mit der „grundsätzlichen Verbesserung des Marktzutritts zu wichtigen Staaten“ zufriedengeben, wie Scheidt ausführte.
Im Vordergrund steht für die Schweizer Banken ganz klar Deutschland, der größte Private-Banking-Markt Europas. Unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel haben Bern und Berlin trotz Steuerstreit und anderer atmosphärischer Störungen zu einer sachbezogenen Wirtschaftsbeziehung zurückgefunden. Ausdruck davon ist das „erleichtere Freistellungsverfahren“ aus dem Jahr 2014, unter dem Schweizer Banken aus der Schweiz heraus Kunden mit Wohnsitz in Deutschland betreuen und aktiv deutsche Neukunden anwerben, ohne über eine Niederlassung in Deutschland verfügen zu müssen.
Traum geplatzt
Diese Lösung war ein steter Hoffnungsschimmer für die Schweizer Banken, die lange gehofft hatten, den direkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt doch noch zu erhalten, wenn die Schweiz die europäische Finanzmarktgesetzgebung autonom nachvollziehen würde. Aus diesem Traum sind die Schweizer Bankiers im Mai aber endgültig erwacht, nachdem der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU platzen ließ.
Schon seit einiger Zeit klagen die Banken in der Schweiz über zunehmend protektionistisches Verhalten einzelner EU-Staaten. Hinter vorgehaltener Hand genannt wird der italienische Markt. Auch in Frankreich sind Zutrittsschranken offenbar kaum mehr zu überwinden. Umso wichtiger werden für die Branche die noch einigermaßen gut funktionierenden bilateralen Beziehungen zu den verbleibenden wichtigen Staaten – also vor allem zu Deutschland.
Es ist kein Wunder, dass die Nerven der Schweizer Bankiers im Blick auf die Bundestagswahl vom 26. September gespannt sind wie lange nicht mehr. Angesprochen auf die Möglichkeit eines Sieges von Kanzlerkandidat Olaf Scholz und eine linkslastige Regierungskoalition sagte Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung: „Es ist unklar, wie sich eine rot-grüne Regierung in Deutschland auf unser bilaterales Verhältnis auswirken würde.“ Aus den Worten des Ex-Diplomaten sind die schlechten Erinnerungen an die vorletzten sozialdemokratischen Finanzminister Peer Steinbrück (2005 bis 2009) und Hans Eichel (1999 bis 2005) deutlich herauszuhören – genauso wie aus dem schon fast zweckoptimistisch klingenden Nachsatz: „Immerhin haben wir bislang mit jeder Regierung in Deutschland pragmatische Lösungen gefunden.“
Ausgefragt wurden die Schweizer Bankiers übrigens auch zum offenbar miserablen Zustand des deutschen Finanzplatzes, wie ihn die Deutsche Bank diese Woche in einer aufsehenerregenden Studie gerade diagnostiziert hatte. In einem Anflug von Selbstgefälligkeit meinte Verbandspräsident Scheidt dazu: „Der Schweizer Finanzplatz ist aus vielen Gründen solider und besser aufgestellt als viele andere Finanzplätze.“ Nebst der starken Verankerung der helvetischen Geldhäuser im Vermögensverwaltungsgeschäft meinte Scheidt auch die interne Organisation der Branche, die in der Schweiz mindestens den Anspruch hat, in einem einzigen Verband mit einer Stimme zu sprechen. In Deutschland sendeten die Bankenverbände unterschiedliche Signale an die Politik aus, was die Zusammenarbeit zwangsläufig erschwere. „Wir in der Schweiz pflegen einen konstruktiven Austausch mit den Behörden.“ Dass dies nicht immer so war, unterschlug Scheidt freilich ebenso wie die Tatsache, dass die Raiffeisen Gruppe, die drittstärkste Kraft im Schweizer Bankenmarkt, den Verband unlängst mit einigem Getöse verlassen hat.