Inflationsprodukte in Zeiten niedriger Zinsen nutzen

Erwartung steigender Inflation rückt Anlagechancen in den Blick - Durch vielfältige Ausgestaltungsvarianten lassen sich unterschiedliche Präferenzen abbilden

Inflationsprodukte in Zeiten niedriger Zinsen nutzen

Seit mehr als zwei Jahren fallen die Inflationsraten sowohl in der Eurozone als auch in Deutschland – scheinbar ohne einen Boden zu finden. Zuletzt hatte die Inflationsrate im Euroraum die von der Europäischen Zentralbank (EZB) angepeilte 2-%-Marke im Dezember 2012 überschritten. Nach 25 Monaten Talfahrt fiel sie im Januar 2015 mit – 0,6 % auf den bis dahin tiefsten Stand vom Juli 2009. Auch in Deutschland ging die Inflationsrate im gleichen Zeitraum zurück: von 2 % im Dezember 2012 auf – 0,4 % im Januar 2015. Maßnahmen der EZBVor diesem Hintergrund richtet die Europäische Zentralbank ihr Hauptaugenmerk darauf, dem Abwärtstrend der Inflation entgegenzuwirken. Durch den Kauf von Staatsanleihen der Euro-Teilnehmerstaaten mit einem Volumen von 1,14 Bill. Euro bis September 2016 will sie die Inflationsrate wieder an die 2-%-Zielmarke heranführen. Sie dürfte damit für einen weiteren Renditeschwund bei den Anleihen der Euro-Staaten sorgen. Da die Ankäufe deutscher Staatsanleihen dabei den größten Anteil haben werden (die Verteilung erfolgt nach dem Kapitalschlüssel der nationalen Notenbanken bei der EZB), ist davon auszugehen, dass die Renditen für deutsche Staatspapiere bis Herbst nächsten Jahres überproportional fallen dürften. Zumal die angekündigte Haushaltsdisziplin die Ausgabe von deutschen Staatsanleihen begrenzen sollte.Auch wenn immer von der Inflationsrate gesprochen wird, handelt es sich hierbei um eine Rechengröße, die die Preisentwicklung verschiedenster Güter eines durchschnittlichen Warenkorbes widerspiegelt. Deshalb lohnt es sich, die Preisentwicklung der einzelnen Güter genauer unter die Lupe zu nehmen.Die Inflationskernrate in der Eurozone, das heißt die Inflationsrate ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabakwaren, deren Anteil rund 30 % des Warenkorbes der Gesamtinflationsrate ausmacht, verzeichnete einen deutlich geringeren Rückgang als die Gesamtinflationsrate: von 1,5 % im Dezember 2012 auf 0,6 % im Januar 2015. Die große Differenz erklärt sich hauptsächlich durch die Ölpreisentwicklung. Der Preis für ein Barrel der Nordsee-Rohölsorte Brent ist zwischen dem Jahresende 2012 und Mitte Januar 2015 um knapp 60 % gesunken. Da Öl in US-Dollar abgerechnet wird, muss hier die Veränderung des Euro/US-Dollar-Wechselkurses berücksichtigt werden. Selbst bereinigt um Währungskurseffekte beträgt der Ölpreisverfall über 40 %.Deutlich zeigte sich die Wirkung des Ölpreisverfalls auf die Inflationsrate bereits in den Jahren 2008 und 2009. Durch den Ölpreiseinbruch um über 70 % innerhalb von nur sechs Monaten in der zweiten Jahreshälfte 2008 rutschte die Inflationsrate in der Eurozone 2009 erstmals für mehrere Monate ins Minus. Als der Ölpreis wieder anzog, kletterte auch die Inflationsrate und überschritt schon Ende 2010 wieder die 2-%-Marke. Ölpreis beeinflusst InflationSeit seinem Tiefpunkt Mitte Januar 2015 hat der US-Dollar-Preis für ein Barrel Brent wieder rund 30 % zugelegt. Der Anstieg des US-Dollar gegenüber dem Euro, auch verstärkt durch die Ankündigung der monetären Lockerung der EZB, erhöhte den Rohölpreis in Euro damit seitdem um insgesamt rund 40 %. Wenn sich diese Preisentwicklung fortsetzt oder zumindest nicht umkehrt, sollte dies allein die Inflationsrate in der Eurozone im kommenden Jahr anheben. Gegen ein kurzfristiges erneutes Abfallen des Ölpreises sprechen weltweite Konflikte, beispielsweise im Irak und in Syrien. Auch die unklare Lage im Osten der Ukraine sowie die bei zu niedrigen Rohölpreisen nicht mehr rentable Förderung von Schieferöl in den USA sprechen dagegen.Für den in Zinspapiere anlegenden sicherheitsorientierten Anleger stellt die aktuelle Niedrigzinsphase an sich schon eine große Herausforderung bei der Wahl des richtigen Anlagepapieres dar. Wer weiterhin in Zinspapiere investieren möchte und zudem einen Inflationsanstieg für möglich hält, dem bieten inflationsgekoppelte Wertpapiere gute Chancen. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten unterscheiden: Zum einen gibt es Inflationsanleihen, deren Rückzahlung zu 100 % erfolgt. Sie unterscheiden sich damit von klassischen festverzinslichen Wertpapieren nur in der an die Inflationsrate gekoppelten Verzinsung. In Abhängigkeit von der Entwicklung der Inflationsrate erhält der Anleger mehr oder weniger Zinsen.Je nach Ausstattung der Anleihe gibt es eine Mindestverzinsung (Floor) und/oder eine Maximalverzinsung (Cap). Innerhalb dieser Zinsbegrenzungen wird die Inflationsrate, gegebenenfalls mit einem Faktor multipliziert oder auch mit einem Zinsaufschlag, als Zinssatz gezahlt. So erhält der Anleger einen Inflationsausgleich bis zum Cap und hat bei vorhandenem Floor auch die Chance, bei niedrigen Inflationsraten eine über die Inflationsrate hinausgehende Verzinsung zu erhalten. Auch im Falle eines Deflationsjahres reduziert sich nicht der Anlagebetrag. Je nach Ausgestaltung kann es lediglich zu einem Ausfall der Zinszahlung kommen.Beim zweiten Typ von Inflationsanleihen erfolgt die Rückzahlung zu 100 % plus Inflationsausgleich über die Gesamtlaufzeit. Auch hier gibt es verschiedene Varianten. Vorherrschend ist der sogenannte “Linker”, der de facto bei allen an die Inflationsrate gekoppelten Staatsanleihen genutzt wird – auch bei den Inflationsanleihen des Bundes. Der Linker friert sozusagen die Kaufkraft zum Auflegezeitpunkt der Inflationsanleihe ein, indem alle Zahlungen der Anleihe zur Kaufkraft zum Auflegezeitpunkt durchgeführt werden. Hierfür wird der Inflationsindex zum jeweiligen Zinszahlungs- oder Rückzahlungszeitpunkt mit dem Indexstand zum Emissionszeitpunkt der Anleihe ins Verhältnis gesetzt. Alle anstehenden Zinszahlungen sowie der Rückzahlungsbetrag werden mit dem resultierenden Quotienten multipliziert.Bei positiven Jahresinflationsraten steigt somit die Zinszahlung jedes Jahr leicht an und zum Laufzeitende erfolgt die Rückzahlung mit vollem Inflationsausgleich. Ein Beispiel ist die erste fällige Inflationsanleihe des Bundes (WKN 103051), die im April 2013 nach sechsjähriger Laufzeit zu rund 112,5 % zurückgezahlt wurde und damit 12,5 % Inflationsausgleich enthielt. Beide Varianten nutzen in der Regel als Inflationsmaß den Inflationsindex der Eurozone ohne Tabakwaren. Durch die gemeinsame Währung ist die Inflationsrate der Eurozone, die zudem Steuerungsgröße der EZB ist, für Anleger von noch höherer Bedeutung als die jeweils nationale Inflationsrate und findet sowohl bei Staatsanleihen als auch bei Emissionen von Banken Anwendung. Erwartungen mit einbeziehenWenn Anleger vor dem Hintergrund der aktuellen geldpolitischen Maßnahmen der EZB und der Ölpreisentwicklung von steigenden Preisen ausgehen, sollten sie bei ihrer Anlageentscheidung Inflationsanleihen berücksichtigen. Aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungsvarianten lassen sich unterschiedliche Erwartungshaltungen und Präferenzen abbilden. Hierbei spielt auch die Wahl des Emittenten eine wichtige Rolle, da je nach Bonität des Emittenten das Zinsniveau variiert. Das Bonitätsrisiko des Emittenten sollte der Anleger bei seiner Anlageentscheidung deshalb in jedem Fall berücksichtigen. Abgesehen davon bieten sich bei Emissionen von Banken aber naturgemäß höhere Renditechancen als bei Staatspapieren, zumindest wenn man ausschließlich an deutsche Emittenten denkt.—Olaf Hummels, Senior Structurer für Retail-Funding-Produkte bei der HSH Nordbank AG