GastbeitragOle Matthiessen, Leiter Cash Management Deutsche Bank

Innovation bei Bezahllösungen: Der digitale Euro und EPI sollten Hand in Hand gehen

Wenn wir die europäische Souveränität bei digitalen Bezahllösungen stärken wollen, müssen der digitale Euro und die European Payments Initiative im Sinne einer „Public-Private-Partnership“ eng zusammenarbeiten und so ein effizientes und sicheres Zahlungssystem zum Wohle der Konsumenten in Europa schaffen. Das sagt Ole Matthiessen von der Deutschen Bank im Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung.

Innovation bei Bezahllösungen: Der digitale Euro und EPI sollten Hand in Hand gehen

Der digitale Euro und EPI sollten Hand in Hand gehen

Europa droht den Anschluss bei wesentlichen Innovationen zu verlieren. In Bereichen wie KI, Elektromobilität, aber auch bei digitalen Bezahlmethoden müssen wir sicherstellen, dass Europa an amerikanische und asiatische Entwicklungen anschließt und eigene Lösungen entwickelt. Während in den USA und im asiatischen Raum große Begeisterung für Innovationen beobachtet werden kann, tendieren wir in Europa schnell dazu, zuerst die Gründe für ein etwaiges Scheitern von Innovationen zu suchen und diese breit zu diskutieren, anstatt uns auf die Umsetzung zu fokussieren.

In dem Kontext sollten wir die beiden wesentlichen europäischen Entwicklungen bei Bezahllösungen betrachten: den digitalen Euro, den die EZB entwickelt, und die „European Payments Initiative“ (EPI), die in den nächsten Wochen unter der Marke „Wero“ mit der ersten Lösung in Deutschland, Frankreich und Belgien auf den Markt kommt. Beide Initiativen werden kritisch hinterfragt: Der Markt für digitale Bezahllösungen in Europa sei gesättigt, neben den nationalen Bezahlsystemen dominieren internationale Kartennetzwerke und Fintechs wie Paypal, und somit brauche es nicht noch zwei weitere Bezahlmethoden. Das bedeutet, dass der Großteil der Zahlungen im stationären Handel und E-Commerce eben nicht über europäische Bezahllösungen abgewickelt wird.

Um die Souveränität Europas zu stärken, brauchen wir ein wettbewerbsfähiges, originär europäisches Zahlungssystem. Der digitale Euro und EPI verfolgen sehr ähnliche Ziele und decken dieselben „use cases“ ab. Warum also nicht die offensichtlichen Synergien zwischen den beiden Initiativen nutzen?

Stärkung der europäischen Souveränität bei Bezahllösungen

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur eine gemeinsame Lösung von EZB und dem privaten Finanzsektor zu einem erfolgreichen europäischen Zahlungsprodukt führen kann. Wenn wir die europäische Souveränität bei digitalen Bezahllösungen stärken wollen – und nur das kann das gemeinsame Ziel sein – müssen der digitale Euro und die European Payments Initiative im Sinne einer „Public-Private-Partnership“ eng zusammenarbeiten und so ein effizientes und sicheres Zahlungssystem zum Wohle der Konsumenten in Europa schaffen.

Die Voraussetzungen dafür sind gegeben: Die EZB als Zentralbank hat die Aufgabe, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern, was man durchaus als Aufruf für die Zusammenarbeit mit dem privaten Finanzsektor sehen sollte. EPI mit den beteiligten Banken aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien wird bereits dieses Jahr Echtzeit-Zahlungen zwischen Bankkonten europäischer Bürger über „Wero“-Wallets ermöglichen. Im Jahr 2025 folgen E-Commerce-Zahlungen, die durch Zahlungen im stationären Handel ergänzt werden sollen. Das gemeinsame Ziel, ein europäisches Zahlungssystem zu schaffen, scheint also zum Greifen nahe.

Redundante Investitionen vermeiden

Frühestens ab 2028 erwarten wir den Start des digitalen Euro der EZB – der nicht nur digitales Zentralbankgeld als Pendant zu Bargeld, sondern auch ein weiteres, digitales Echtzeit-Zahlungssystem für Zahlungen zwischen Bankkonten vorsieht. Die Synergien und großen Überschneidungen zwischen den beiden Lösungen sollten genutzt werden, um redundante Investitionen bei allen Beteiligten – EZB, Finanzdienstleister und Händler – zu vermeiden.

Die Grundsatzfrage, welches Konsumenten-Problem der digitale Euro oder die EPI überhaupt lösen soll, ist dabei berechtigt. Ein Blick über den Tellerrand hinaus zeigt, dass digitale Echtzeit-Bezahlmethoden zwischen Bankkonten ohne die Nutzung von Kartenzahlungssystemen sowohl im inländischen als auch im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr erfolgreich Standards setzen können. Ob Twint in der Schweiz, die durch Banken getriebenen Instant-Bezahlmethoden in Skandinavien oder asiatische Lösungen wie Pay Now in Singapur oder UPI in Indien – Konto-zu-Konto-Bezahlmethoden sind erfolgreich und werden als eine durchsetzungsfähige Innovation im weltweiten Bezahlmarkt gesehen. EPI wie auch der digitale Euro ermöglichen Konto-zu-Konto-Bezahlvorgänge und sollten enger zusammenarbeiten, um Innovation in diesem neu aufstrebenden Bezahlverfahren europäisch zu denken und gemeinsam zu entwickeln.

Nutzung bestehender und erprobter Infrastruktur

Wie könnte nun eine Partnerschaft zwischen dem 2028 bereits aufgebauten „Wero“-System und dem digitalen Euro aussehen? Bundesbankvorstand Burkhard Balz sieht in EPI „einen natürlichen Partner des digitalen Euro“ als sinnvollen Distributionskanal. Die öffentliche Unterstützung durch Zentralbanken ist notwendig und willkommen, allerdings gibt es bislang nur wenig direkte Kooperation zwischen den beiden Vorhaben. Einleuchtend erscheint die Integration des digitalen Euro in die Wero-Wallet – EPI würde dann zum „Carrier“ für den digitalen Euro und Wero-Nutzer würden nicht eine andere App für Bezahlvorgänge im System des digitalen Euro nutzen müssen. Das würde auch Mehrfachinvestitionen in verschiedene Wallets, die dieselben Nutzungsmöglichkeiten bieten, vermeiden.

Frontend und Backend

Aber nicht nur das Wero-„Frontend“ von EPI sollte den digitalen Euro zu den europäischen Bürgern bringen, auch das „Backend“ der beiden neuen europäischen Zahlungsinfrastrukturen sollte sinnvoll aufeinander abgestimmt sein. Dies betrifft einerseits das Regelwerk der Zahlungssysteme, andererseits auch die Infrastruktur, über die Zahlungen über EPI und in digitalen Euros abgewickelt werden.

Die Nutzung bestehender Echtzeit-Zahlungs-Infrastruktur stellt sich als ein wesentlicher Erfolgsfaktor heraus, sowohl für den digitalen Euro als auch für privatwirtschaftliche Initiativen wie EPI. Mit TIPS – dem Service des Eurosystems zur Abwicklung von Instant Payments – besteht bereits eine geeignete Lösung für die risikofreie Interbankenabwicklung von Transaktionen in Echtzeit in sicherem Zentralbankgeld. TIPS sollte auch für die Abwicklung des digitalen Euro genutzt werden – anstelle einer angedachten weiteren Echtzeit-Zahlungsinfrastruktur nur für den digitalen Euro. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Interoperabilität von TIPS mit anderen Instant-Payment-Systemen – so z.B. RT1 der EBA-Clearing sowie weiteren lokalen Systemen – bereits hergestellt ist.

TIPS wird seit Jahren von der EZB als zentrale Infrastruktur für Echtzeit-Zahlungen strategisch weiterentwickelt: Das jüngst auf europäischer Ebene verabschiedete Gesetz zum verpflichtenden Angebot und zur Akzeptanz von Echtzeit-Zahlungen durch europäische Banken stärkt die Nutzung des Zahlungssystems. Zahlungen, die über TIPS, RT1 oder lokale Echtzeit-Systeme abgewickelt werden, sollen praktisch zur neuen Norm werden und langsamere Sepa-Classic-Zahlungen strategisch ablösen. Neue Regelwerke und Initiativen zur Vernetzung mit anderen Echtzeit-Zahlungssystemen oder der Nutzung von TIPS im skandinavischen Ausland ermöglichen zudem die Nutzung auch für internationale, grenzüberschreitende Zahlungen.

Wie erfolgt die Abwicklung?

Auch Zahlungen zwischen Wero-Wallets nutzen bestehende Zahlungssysteme wie TIPS und somit die strategische Infrastruktur der EZB. Banken und Zahlungsinstitute sind durch neue Gesetze, Regelwerke und Möglichkeiten, TIPS für internationale Zahlungsabwicklungen zu nutzen, praktisch verpflichtet, in die bestehende Zahlungsinfrastruktur zu investieren. Es ist schwer, haltbare Gründe zu finden, die gegen die Nutzung von TIPS auch für die Abwicklung des digitalen Euro sprechen.

Sicherstellung des Erfolgs von digitalem Euro und EPI

Ein offener Dialog und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Projekt eines digitalen Euro und EPI würde dazu beitragen, Innovationen im Zahlungsverkehr voranzutreiben. Die enge Zusammenarbeit zwischen Zentralbank, Händlern und Zahlungsdienstleistern ist Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung sowohl des digitalen Euro als auch von EPI.

Eigentlich ist der Markt gesättigt

Beide Lösungen werden für sich genommen in einem gesättigten europäischen Markt für Bezahllösungen keine „Selbstläufer“ sein, die ohne Weiteres in breiter Masse akzeptiert und genutzt werden. Bürger fragen nur selten danach, wann sie endlich in digitalem Zentralbankgeld oder über Konto-zu-Konto-Bezahlmethoden zahlen können. Sie wollen schlicht und einfach problemlos digital bezahlen. Es liegt an uns, eine sinnvolle, europäische Zahlungsinfrastruktur aufzubauen, die weder öffentliche Budgets noch private Investitionen verschwendet.

Wir haben es in der Hand, auch im europäischen Finanzsektor neue Lösungen zu schaffen, als Vorreiter aufzutreten und innovative Bezahlmethoden zu realisieren. Eine enge Zusammenarbeit zwischen EPI und dem Projekt eines digitalen Euro, die eine integrierte Lösung für den digitalen Euro und das Wero-Wallet vorsieht, sowie die Nutzung der strategischen Echtzeit-Zahlungsinfrastruktur TIPS stellt sich als ungleich erfolgversprechend dar, um eine neue, paneuropäische Zahlungsinfrastruktur zu realisieren.

Ole Matthiessen

verantwortet bei der Deutschen Bank das weltweite Cash Management

Ole Matthiessen verantwortet bei der Deutschen Bank das weltweite Cash Management.

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