Finanzplatz

Jetzt red i

Deutsche Bank Research hat eine Studie veröffentlicht, die, wie in der gestrigen Börsen-Zeitung berichtet, dem Finanzplatz Deutschland ein miserables Zeugnis ausstellt. Kurz darauf wurde sie von der Internetseite heruntergenommen.

Jetzt red i

So schnell wurde selten eine Debatte losgetreten: Deutsche Bank Research hat eine Studie veröffentlicht, die, wie in der gestrigen Börsen-Zeitung berichtet, dem Finanzplatz Deutschland ein miserables Zeugnis ausstellt. Kurz darauf wurde sie von der Internetseite heruntergenommen. Der ungewöhnliche Umstand, dass Deutschlands größte Bank zudem öffentlich auf Distanz zu den Ansichten des Autors der Studie geht, hat die Debatte zusätzlich befördert.

Munter gemutmaßt wird nun, welche Textstellen der Studie denn die Bank so arg verärgert haben. Etwa, dass keine andere Aufsicht der Welt bei Finanzskandalen „ein so schlechtes, ja teilweise dysfunktionales Bild“ abgegeben hat wie die BaFin. Oder dass sich die Politik verweigert, „das Siechtum des Finanzplatzes überhaupt zur Kenntnis zu nehmen“. Oder doch das Urteil über die deutsche Bankenbranche: „chronisch wachstumsschwach, strukturell sklerotisch, außerordentlich wenig profitabel und viel zu ineffizient“.

Ton und Inhalt der Studie erinnern an ein Format, das seit 50 Jahren erfolgreich im Bayrischen Fernsehen läuft: Jetzt red i. Ungeschminkt und ohne diplomatische Glättung werden kritische Anmerkungen zusammengetragen. Das wirkt dann oft wie ein Kessel Buntes, enthält aber durchaus überzeugende Punkte.

Genau das gilt auch für die Studie. Die Liste der beklagten Defizite ist recht lang – und recht unsystematisch. Viele Argumente sind unstrittig, etwa dass fragmentierte Märkte in Europa Banken das Geschäft erschweren. Über andere kann man debattieren, etwa dass das Nebeneinander von Sparkassen, Volks- und Privatbanken die Krisenresistenz schwäche. Und manche forsche These provoziert umgehend Diskussionen. Etwa, dass in Italien – anders als in Deutschland – Defizite in Banken erkannt und angepackt worden sind – na ja!

Kurzum: Die (wieder zurückgezogene) Studie zeigt, dass sich über den Finanzplatz trefflich streiten lässt. Genau darin liegt ihr Wert. Die Frage, was am Finanzplatz funktioniert und was nicht, ist viel zu wichtig, um sie allein auf Basis von Investorenumfragen oder Statistiken über den Zuzug von Bankern in Glanzbroschüren zu führen. In diesem Zusammenhang sollte die Tatsache, dass der Finanzplatz im Wahlkampf eine viel geringere Rolle spielt als vor den zurückliegenden Wahlen, eine Warnung sein. Man muss nicht unbedingt das vernichtende Urteil der DB-Research-Studie („Niedergang“, „Sklerose“) teilen, um trotzdem ebenfalls zum Schluss zu gelangen, dass es Reformbedarf gibt – und Defizite in der Reformbereitschaft.