Kaum noch Neufinanzierungen im Leveraged-Finance-Geschäft
Kaum neue Deals im Leveraged-Finance-Geschäft
Midcap Monitor von Houlihan Lokey bestätigt Negativtrend – Mehr Restrukturierungen – Debt Funds steigen im Ernstfall als Eigner ein
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Der mittelständische Leveraged- Finance-Markt verzeichnete im ersten Halbjahr kaum neue Deals. Dafür nahmen die Fälle spürbar zu, in denen Debt Funds oder Banken refinanzierten oder restrukturieren müssen, wie der neue Midcap Monitor der Investmentbank-Boutique Houlihan Lokey zeigt.
Debt Funds haben in Europa im zweiten Quartal weniger Leveraged-Finance-Deals gestemmt als in den ersten drei Monaten des Jahres. Das zeigt der neue Midcap Monitor von Houlihan Lokey, für den die Investmentbank-Boutique vierteljährlich alle mittelständischen LBO-Finanzierungen von Private-Equity-Investoren sowie die zugehörigen Add-on-Finanzierungen, Refinanzierungen und Rekapitalisierungen in Europa zählt, deren Transaktionsvolumina zwischen 20 und 500 Mill. Euro lagen.
Nach diesem Maßstab hielt Houlihan Lokey in Europa im zweiten Quartal insgesamt 60 Private-Debt-Finanzierungen fest und damit rund 29% weniger als im Vorquartal. Der Ende 2022 eingeleitete Negativtrend setzte sich damit über das erste Quartal auch im ersten Halbjahr 2023 fort. Fast die Hälfte aller Transaktionen spielte sich in Großbritannien ab. Der deutsche Markt verzeichnete im zweiten Quartal lediglich sieben Debt-Fund-Finanzierungen. Insgesamt – also inklusive Finanzierung von Banken – fanden in Deutschland im zweiten Quartal nur 16 mittelständische Leveraged-Finance-Transaktionen statt. Das ist ein Rückgang um 43% gegenüber dem ersten Quartal.
Leveraged Finance erhält kaum Impulse vom M&A-Markt
Houlihan Lokey begründet den Rückgang mit der Kombination aus ökonomischem Gegenwind, anhaltend hoher Inflation und deutlich gestiegenen Zinsen, was den Markt für Fusionen und Übernahmen (M&A) stark belastet habe. Wenn es keine M&A-Deals mehr gibt, die Banken oder Debt Funds finanzieren können, leidet darunter folglich das Leveraged-Finance-Geschäft. Der relative Anteil neuer Finanzierungen – sogenannter Primaries – ist im ersten Halbjahr in Deutschland auf 23% gesunken und damit auf den niedrigsten Wert seit 2015. Der Anteil der Secondary-Finanzierungen – wenn ein Unternehmen von einem Private-Equity-Investor an den nächsten weitergereicht wird – betrug sogar nur 15%. Die Mehrheit aller Finanzierungen (61%) entfiel zu gleichen Teilen auf Add-ons sowie Refinanzierungen und Rekapitalisierungen.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass Finanzinvestoren und Banken so stark mit sich selbst beschäftigt sind wie lange nicht. Wenn es gut läuft, finanzieren sie kleinere Zukäufe für bestehende Portfoliounternehmen (Add-ons). Wenn es schlecht läuft, müssen bestehende Finanzierungen angepasst werden. Solche Fälle nehmen spürbar zu, wenn auch zwischen zwei Restrukturierungsszenarien zu unterscheiden ist: Auf der einen Seite stehen Unternehmen, die unter einer konjunkturbedingten Ergebniskrise leiden. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen mit Liquiditätsproblemen.
Mehr Restrukturierungen
„Das Konjunkturthema lässt sich in den Griff bekommen, sofern man davon überzeugt ist, dass die Ergebniskrise nur vorübergehend ist“, sagt Johannes Schmittat. Dem Head of Corporate Clients and Liability Managment von Houlihan Lokey zufolge finden die Fremdkapitalgeber und Gesellschafter in diesem Fall einvernehmliche Lösungen und passen die Finanzierungsstruktur so an. „Das sind typischerweise Amend-&-Extend-Lösungen“, so Schmittat. Dabei werde die Laufzeit verlängert („extend“) und die Konditionen würden leicht angepasst („amend“). „Grundsätzlich sehen wir sowohl bei den Banken als auch den Debt Funds eine große Bereitschaft, diese Strukturen mitzugehen“, beobachtet Schmittat.
Johannes Schmittat, Houlihan LokeyDas Konjunkturthema lässt sich in den Griff bekommen, sofern man davon überzeugt ist, dass die Ergebniskrise nur vorübergehend ist.
Kniffliger hingegen wird es bei Liquiditätskrisen, wo in der Regel frisches Kapital benötigt wird und sich die Frage stellt, wer als Geldgeber dazu bereit ist. Erster Ansprechpartner ist hier der Gesellschafter, also der Private-Equity-Investor. Ist dieser nicht länger dazu bereit, frisches Eigenkapital nachzuschießen, sind die Fremdkapitalgeber gefragt, sofern dem Unternehmen die Insolvenz erspart bleiben soll. Im Markt war zuletzt häufiger zu beobachten, dass die Fremdkapitalgeber dazu bereit sind, sofern der Gesellschafter die Schlüssel zum Unternehmen abgibt.
Mehr Notübernahmen durch Debt Funds
Im Großkundengeschäft gingen zuletzt die Modekette Takko und der Aufzugteilehersteller Wittur an die Fremdkapitalgeber. Jüngste Beispiele im mittelständischen Leveraged-Finance-Geschäft sind der IT-Dienstleister Ostertag DeTeWe (von VR Equitypartner an Apera), der Motoradzubehörhändler Polo (von Equistone an Ares), die Gastronomiekette Sausalitos (von Ergon an Arcmont) oder die Pflegeheimkette Emvia Living (von Chequers an Ardian). Dabei fallen zwei Dinge auf: Jedes Mal übernahm ein Debt Fund, nie eine Bank. Und jedes Mal hatten die Debt Funds zuvor den LBO finanziert.
Zum einen wurden Deals dieser Art laut Schmittat zuletzt schlicht häufiger von Debt Funds als von Banken finanziert. „Debt Funds tun sich aber auch leichter als eine Bank, ins Eigenkapital zu gehen“, so Schmittat. Wenn der Private-Equity-Investor raus ist, sei der Debt Fund in der Regel der letzte verbliebene Kreditgeber. Folglich gebe es im Gegensatz zu einem Banken-Club keine Diskussion, wer frisches Geld gibt.
Johannes Schmittat, Houlihan LokeyDen Debt Funds hier geht es einzig darum, die eigenen Verluste zu minimieren.
Schmittat betont jedoch, dass auch die Debt Funds es so lange wie möglich vermeiden wollen, das Unternehmen zu übernehmen. Schließlich wollen die Debt Funds nicht als aggressiver Hedgefonds wahrgenommen werden, der sich über das Fremdkapital einkauft, um dann von der Equity-Upside zu profitieren. „Den Debt Funds hier geht es einzig darum, die eigenen Verluste zu minimieren“, sagt Schmittat. Darum geht er davon aus, dass die Debt Funds die Unternehmen auch schnell wieder verkaufen werden, sobald ihre Verluste ausgeglichen sind.
Private Equity setzt weiterhin auf Debt Funds
Die Imagewahrung ist für die Debt Funds wichtig, schließlich wollen sie mit denselben Private-Equity-Investoren weiterhin normales Neugeschäft machen. „Private-Equity-Investoren sind weiterhin daran interessiert, bei neuen Transaktionen Debt Funds anzusprechen“, sagt Thorsten Weber, der die Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit Private-Equity-Investoren von Houlihan Lokey im deutschsprachigen Raum leitet. Vielmehr würden die Notübernahmen belegen, dass die Restrukturierung mit einem Debt Fund deutlich schneller umsetzbar ist als mit einem mehrköpfigen Banken-Club.
Thorsten Weber, Houlihan LokeyMan kann nicht mehr pauschal sagen, dass mit einem Debt Fund 1x mehr Leverage möglich ist.
Gleichwohl beobachtet Weber schon, dass Debt Funds im Neugeschäft zuletzt vorsichtiger geworden sind. Insbesondere beim Fremdkapitalhebel auf den operativen Gewinn (Leverage) näherten sich Debt Funds eher den Banken an als umgekehrt. "Man kann nicht mehr pauschal sagen, dass mit einem Debt Fund 1x mehr Leverage möglich ist", so Weber. Für gute Unternehmen, insbesondere aus dem Software- und IT-Sektor, seien jedoch weiterhin attraktive Finanzierungsstrukturen und Konditionen möglich.
Für das Gesamtjahr zeigt sich Weber verhalten optimistisch. Zwar rechnet der Finanzierungsberater mit keiner Rally am M&A-Markt, die mit den Rekordjahren 2021 und 2022 vergleichbar wäre. "Die Talsohle dürfte aber so langsam durchschritten sein", erwartet Weber. Das zweite Halbjahr sollte demnach deutlich aktiver werden als das erste.