Keine Aktienrente auf Pump!
Soll der Staat Schulden machen, um zu investieren? Dieses Argument für Staatsverschuldung ist umstritten, doch in der kapitalgedeckten Altersvorsorge könnte es greifen. Weil die Renditen an den Kapitalmärkten langfristig vermutlich höher liegen als die Zinssätze für Bundesanleihen, führt ein Kapitalstock im System der Altersvorsorge absehbar zu mehr Wohlstand – selbst dann, wenn der Topf mit Hilfe von Staatsschulden gefüllt wird. Die geplante Aktienrente, die im kommenden Jahr mit einem Umfang von 10 Mrd. Euro starten soll, greift diese Logik auf und soll zunächst über neue Schulden gedeckt werden. Das aber sollte kein Dauerzustand sein.
Denn so eindeutig die Rechnung auf den ersten Blick scheint, so unsicher ist sie zugleich. Zwar gibt es belastbare Argumente für die Annahme, dass Aktienmärkte langfristig wahrscheinlich einen höheren Ertrag abwerfen als sicher verzinste Anleihen. Dieser Ausgang aber ist nicht garantiert. Aktienmärkte können sich auch langfristig schlechter entwickeln, so dass ein schuldenfinanzierter Aktientopf ein Verlustgeschäft wäre. Auch wenn das Szenario weniger wahrscheinlich ist, müssen sich die Fürsprecher einer schuldenfinanzierten Aktienrente das Risiko vor Augen führen.
Auch ist die Wirkung von Staatsschulden komplex. Eine weitere Kreditaufnahme kann am Kapitalmarkt höhere Refinanzierungssätze für den Staat nach sich ziehen und die Rechnung belasten. Auch ist das Zusammenspiel aus den Konditionen für Staatsanleihen, Wirtschaftswachstum und Kapitalmarktrenditen schwer durchschaubar. Ökonomische Modelle erlauben unterschiedliche Aussagen. Der wissenschaftliche Beirat am Bundesfinanzministerium, der die Studienlage ausgewertet hat, legte sich in einem Gutachten im Februar zur Finanzierung der Aktienrente nicht fest – aus gutem Grund!
Doch das entscheidende Argument ist politisch: Regierungen tun sich meist schwer damit, die Staatsfinanzen im Griff zu halten. Mit jedem Schuldenprojekt wird ist schwieriger, zum Ziel einer geringen Neuverschuldung zurückzukommen. So lag der Schuldenstand in der Eurozone im vergangenen Jahr mit 95,6% der Wirtschaftsleistung weit über dem Zielniveau von 60%, das einst im Maastrichter Vertrag vereinbart worden war. Von einem Schuldenniveau wie in Griechenland oder Italien ist die Bundesrepublik zum Glück weit entfernt, und im vergangenen Jahrzehnt bis zur Coronakrise führte sie ihre Schuldenlast zurück. Die Ampel-Koalition zeigte sich aber leider wiederholt kreativ darin, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu umgehen. Zwar soll im Fall der Aktienrente eine Zuführung zum Kapitalstock als finanzielle Transaktion gewertet werden und wäre somit für die Schuldenbremse neutral. Doch natürlich entstünden neue Verpflichtungen.
Zwar ist eine Aktienrente, deren Kapitalstock aus Schulden aufgebaut wird, zunächst besser als keine Initiative. Wohlstand und Altersvorsorgesysteme kommen wegen des demografischen Wandels in einigen Jahren stark unter Druck – es ist wichtig, einen ersten Schritt für eine Aktienrente zu gehen. Für den weiteren Kapitalaufbau wäre es wünschenswert, den Topf primär aus laufenden Einnahmen zu füllen, ob aus Steuern oder Beiträgen. Das Projekt stünde damit auf stabilerem Boden.