Keine Experimente
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing nahm dem „Investor Deep Dive 2022“ am Donnerstag gleich zu Beginn ein wenig Wind aus den Segeln: Bei der Strategie des Hauses bis 2025 gehe es um Evolution, nicht um Revolution, sagte er. Tatsächlich fällt der Ertrag der Veranstaltung recht schmal aus, misst man ihn an den schon vor Monaten durch den Markt gegeisterten Schlagworten ESG, Asien sowie Risikoberatung in Zeiten geopolitischer Spannungen. Wenige Wochen vor einem Wechsel im Aufsichtsratsvorsitz verkneift sich das Haus programmatische Ankündigungen, legt im Vertrauen auf Ertragswachstum, Kostenreduktion und eine Zinswende zugleich jedoch die Latte für eigentlich sämtliche Kennziffern höher.
„Keine Experimente“ lautet der Slogan, mit dem 1957 schon die CDU das höchste Wahlergebnis bei einer Bundestagswahl einfuhr. Warum herumdoktern an der seit 2019 verfolgten Ausrichtung, die dem Haus 2020 den ersten Nettogewinn seit fünf und 2021 das höchste Ergebnis seit zehn Jahren beschert hat? Die strategischen Volten, mit welchen die Bank ihre Aktionäre zuvor beglückte, reichen für sieben Investorenleben. Zu Beginn der vergangenen Dekade machte das Management etwa Anstalten, weite Teile der Vermögensverwaltung abzugeben, und mit dem Börsengang der DWS hat sie noch 2018 immerhin auf ein Fünftel jenes Bereichs verzichtet, der 2021 eine materielle Eigenkapitalrendite von rund 30% abwarf.
Dennoch: Die neue oder alte Strategie wird alles andere als ein Selbstläufer. Zwar kommt die Bank mit ihren Zielen einer Eigenkapitalrendite von über 10% und einer Aufwandsquote von unter 62,5% per 2025 nicht ambitionierter daher als etwa Unicredit – die angestrebte Kapitalverzinsung würde es dem Konzern denn auch gerade einmal ermöglichen, erstmals seit langem die Kapitalkosten zu verdienen. Aber: „Keine Experimente“ heißt keineswegs „Weiter so“. Denn nachdem die Bank 97% ihrer Restrukturierungskosten verdaut hat, wird sie mehr denn je zeigen müssen, dass sie nicht nur restrukturieren, sondern dauerhaft wachsen kann, soweit die Folgen des Ukraine-Kriegs dies zulassen. Andernfalls versteht es die Bank durchaus, Ziele wieder einzukassieren, ohne grundsätzlich Momentum einzubüßen, wie die Erfahrung mit der 2019 ausgerufen Strategie zeigt. Sewings Aussage, man sehe sich ab 2025 in der Position, „eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Bankenbranche in Europa zu spielen“, muss da keine Kampfansage sein, sondern kann ebenso als Versuch gedeutet werden, Fusionsspekulationen gleich für mehrere Jahre abzuräumen.