Komplexität des KAGB zeigt sich in der Praxis

BaFin stellt sich Herausforderungen erfolgreich - In der Fondsaufsicht scheint nichts beständiger zu sein als der Wandel

Komplexität des KAGB zeigt sich in der Praxis

“In einem wankenden Schiff fällt um, wer stille steht, nicht wer sich bewegt”, sagte einst schon Ludwig Börne. Die Verwalter geschlossener Fonds, die mit ihren Schifffonds in einigen Fällen das Vertrauen der Anleger verloren hatten, mussten sich im Jahr 2013 bewegen, um nicht umzufallen oder gar erneute Schiffbrüche zu erleiden. Mit Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) im Juli 2013 wurden sie einem umfassenden Regulierungsrahmen unterstellt. Das KAGB, das das Investmentgesetz ablöste, erfasst nicht nur die bereits regulierten offenen Fonds. Es schafft erstmalig Regelungen auch für die geschlossenen Fonds, die bis zu diesem Zeitpunkt auf dem grauen Kapitalmarkt agierten.Mit dem KAGB setzte der Gesetzgeber die EU-Richtlinie 2011/61 über die Verwalter alternativer Investmentfonds in nationales Recht um. Die AIFM-Richtlinie reguliert die Verwalter offener und geschlossener Investmentfonds. Nach den Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise sollte es grundsätzlich keine unregulierten Verwalter von Investmentfonds mehr geben. Überfällige SpielregelnAngesichts der Skandale, mit denen ein Teil der Branche der geschlossenen Fonds zu kämpfen hatte, waren entsprechende Spielregeln längst überfällig. Wer die neuen Regeln als Chance und nicht als Hindernis begriff, bewegte sich auf dem wankenden Schiff in die richtige Richtung.Seit etwas mehr als zwei Jahren ist nun das KAGB in Kraft, das der Industrie, aber auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht nur in der Anfangsphase, sondern bereits vor Inkrafttreten gehörige Anstrengungen abverlangte.Die BaFin erreichten unzählige Auslegungsfragen zum KAGB-Entwurf, die in Form von zahlreichen Merkblättern, Rundschreiben, Auslegungsschreiben und FAQ beantwortet wurden. Dabei steckte der Teufel im Detail. Trotz der umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen zeigte sich die Komplexität des KAGB erst in der Praxis.Die erste große Hürde in der praktischen Anwendung nach Inkrafttreten des KAGB war, in sehr vielen Einzelfällen zu klären, ob ein Investmentfonds im Sinne des KAGB oder ein operativ tätiges Unternehmen vorliegt, das vom Anwendungsbereich des Gesetzes explizit ausgenommen ist. Die Abgrenzung war nicht immer einfach. Gerade wenn es um die Investition in Immobilien und deren Bewirtschaftung geht, liegen die Tätigkeiten von Fonds und operativen Immobiliengesellschaften nahe beieinander.Auch im Bereich erneuerbarer Energien warf die Abgrenzung Fra-gen auf: Wann ist ein Vehikel, das Gelder einsammelt, um diese zum Beispiel in Windräder zu investieren, die Energie produzieren, ein Investmentfonds? Wann liegt ein operativ tätiges Unternehmen vor? Vorher nicht absehbarDie Registrierungs- oder Erlaubnisverfahren konfrontierten die BaFin mit neuen, zum Teil sehr komplexen Rechtsfragen, die vor Inkrafttreten des KAGB nicht absehbar waren und erst anlässlich konkreter Verfahren in Erscheinung traten. Daneben zeichnete sich ab, dass gerade für die Verwalter geschlossener Fonds, die aus dem grauen Kapitalmarkt kamen, die Anforderungen an die Eignung der Geschäftsleiter, die Organisation, das Risikomanagement und die internen Vergütungs- und Bewertungsrichtlinien Neuland waren. Die neuen Regelungen bedeuteten erhebliche Änderungen an den bekannten Produkten und gewohnten Abläufen. Entsprechend groß war die Zurückhaltung gegenüber der Verwaltungspraxis der Aufsicht, die Produkte und Abläufe in Frage stellte. Dies führte dazu, dass die Erlaubnis- und Registrierungsverfahren zum Teil nur sehr schleppend vorankamen.Die BaFin hat sich den Herausforderungen, die das KAGB mit sich brachte, erfolgreich gestellt. Sie hat bis heute 125 deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaften eine Erlaubnis nach dem KAGB erteilt. Daneben ließen sich bislang 243 Kapitalverwaltungsgesellschaften registrieren. Die Aufsicht genehmigte insgesamt 294 neue Publikumsfonds und bearbeitete 3 958 Vertriebsanzeigeverfahren von inländischen und ausländischen Fonds.Die Prozesse in Bezug auf das KAGB sind inzwischen etabliert, die Zahl der zu klärenden Rechtsfragen nimmt ab. Ganz aktuell veröffentlichte die BaFin etwa ein Rundschreiben zu den Rechten und Pflichten der Verwahrstellen. Gerade bei der Verwahr- und Kontrollfunktion sind Schwächen mit erheblichen Risiken sowohl für die der Verwahrstelle anvertrauten Vermögenswerte als auch für die Standards der Branche verbunden. Umso wichtiger war es, ein Rundschreiben zu veröffentlichen, das ausgewählte Fragen im Zusammenhang mit den Pflichten der Verwahrstelle nach dem KAGB und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013 behandelt und diese weiter konkretisiert. Verwaltungspraxis geändertVor einigen Monaten hat die BaFin außerdem ihre Verwaltungspraxis geändert und lässt nunmehr zu, dass alternative Investmentfonds (AIF) unter bestimmten Voraussetzungen Darlehen vergeben dürfen. Unternehmen steht damit nun eine zusätzliche Finanzierungsform offen, die sie anstelle einer Bankfinanzierung in Anspruch nehmen können. In anderen EU-Mitgliedstaaten, zum Beispiel in Irland und Luxemburg, sind Darlehen vergebende alternative Investmentfonds bereits seit längerem zugelassen. Andererseits durfte die Zulassung von solchen Fonds nicht dazu führen, dass ein eigentlich typisches Bankgeschäft nun von Fonds unter weniger strengen Auflagen erbracht werden kann. Die BaFin gab daher Empfehlungen ab, die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften bei der Auflegung von Kreditfonds beachten sollten.Doch wer glaubt, alle wesentlichen regulatorischen Rahmenbedingungen für die Investmentbranche seien gesetzt, der irrt sich. Denn die nächsten gesetzlichen Änderungen stehen schon an. Die EU-Richtlinie 2014/91 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-V-Richtlinie) steht vor der Tür und muss bis März nächsten Jahres im KAGB umgesetzt (OGAW-V-Umsetzungsgesetz) werden.Damit werden nicht nur die Vorgaben der OGAW-V-Richtlinie im nationalen Recht implementiert, sondern auch die Voraussetzungen, unter denen alternative Investmentfonds Darlehen vergeben dürfen, nunmehr gesetzlich geregelt. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird die BaFin den Großteil ihrer Empfehlungen zu Kreditfonds auf entsprechende gesetzliche Regelungen stützen können. Das, was zunächst als Empfehlung abgegeben wurde, wird dann für die Branche rechtlich verbindlich.Die Schnelligkeit, mit der sowohl der europäische als auch der nationale Gesetzgeber immer größere und komplexere Regelwerke auf den Weg bringen, stellt nicht nur die Investmentbranche, sondern auch die Aufsicht vor immer neue Herausforderungen. Auch in der Fondsaufsicht scheint nichts beständiger zu sein als der Wandel. Interne Prozesse im FokusUm dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat die Investmentaufsicht ihre internen Prozesse auf den Prüfstand gestellt und wird sich als Folge neu ausrichten. Die künftige Struktur wird sich grundsätzlich an den Fondskategorien “offen” und “geschlossen” orientieren und es soll ein Melde- und Analysereferat errichtet werden. Ziel ist, die Fondsaufsicht zu stärken, Regelverstöße schneller zu ahnden sowie Umgehungsstrategien schneller zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Mit dieser neuen Struktur wird die Aufsicht weiter gestärkt, um den Fondsstandort Deutschland noch ein weiteres Stück voranzubringen.—Elisabeth Roegele, Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht/Asset Management bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)