Kosten für Marktdaten sorgen für Zoff
Kosten für Marktdaten
sorgen für Zoff
Verbände kritisieren intransparente Preismodelle – Börse weist Vorwürfe zurück
wbr Frankfurt
Die Gebührenpraxis europäischer Börsenbetreiber für die Bereitstellung von Marktdaten an andere Kapitalmarktteilnehmer erhitzt in der Branche die Gemüter. Eine Studie der Londoner Strategieberatung Market Structure Partners (MSP), die von mehreren europäischen Branchenverbänden, darunter der deutsche Fondsverband BVI, in Auftrag gegeben wurde, analysiert die Geschäftsmodelle führender Handelsplätze wie der Deutschen Börse, Euronext, der London Stock Exchange Group (LSEG), Nasdaq Nordics und der Six Swiss Exchange. Demnach seien etwa die Gebühren für Marktdaten für algorithmische Händler zwischen 2017 und 2024 um das 35- bis 97-Fache gestiegen. Alternative Handelsplattformen und Wettbewerber von Börsen waren überdurchschnittlich betroffen, mit Preissteigerungen von bis zu 481%. Index-Ersteller, die mit börseneigenen Indizes konkurrieren, verzeichneten Kostenanstiege zwischen 97% und 170%.
Marktdaten wichtige Einnahmequelle
Als Stein des Anstoßes erweist sich insbesondere der Vorwurf, dass die Börsenbetreiber bei den Marktdaten höhere Beiträge kassieren, um ein sinkendes Aufkommen aus dem Aktienhandel zu kompensieren. MSP sieht zudem einen Zusammenhang zwischen rückläufigen Erträgen und den Einnahmen für Marktdaten. So sei das Handelsvolumen an der Deutschen Börse zwischen 2020 und 2023 um 29% gesunken, während die Einnahmen aus dem Aktiengeschäft nur um 12% sanken – ein Effekt, der durch steigende Datenpreise erzielt worden sei, schreibt MSP.
Deutsche Börse betont Faktenlage
Die Deutsche Börse verweist auf eine aktuelle Oxera-Studie, die eine differenzierte Sichtweise biete. Die Börse betont zudem, dass sie stets transparent in Bezug auf ihre Marktdatengebühren und -einnahmen gewesen sei, wie von der Mifir gefordert. Trotz dieser Transparenz beauftragten FESE-Mitglieder Oxera im vergangenen Jahr mit einer Analyse von Börsenertragsdaten und Preisentwicklungen. Die Analyse zeige, dass die Börsenerlöse von 2018 bis 2023 stabil geblieben seien. Die Mifir-Marktdateneinnahmen der FESE-Mitglieder beliefen sich 2023 auf 342 Mill. Euro, gegenüber 298 Mill. Euro im Jahr 2018, was einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 3% entspreche. Dieses Wachstum erfolgte inmitten steigender Kosten aufgrund verstärkter Regulierung, Inflation und des Wettbewerbs um Talente. Die Deutsche Börse hebt hervor, dass sie nicht alle zusätzlichen Kosten für die Produktion und Verbreitung von Marktdaten weitergebe.
Darüber hinaus widerspricht die Deutsche Börse der Behauptung von MSP, dass steigende Marktdateneinnahmen sinkende Notierungs- oder Handelsgebühren kompensieren sollen. Die Oxera-Analyse zeige, dass der Anteil der gemeinsamen Einnahmen aus Marktdaten und Handelsausführung stabil geblieben ist. Für die FESE-Mitgliedsbörsen lag der gewichtete durchschnittliche Anteil bei 26% im Jahr 2018 und bei 29% im Jahr 2023. Die meisten Börseneinnahmen stammen weiterhin aus der Handelsausführung.
Forderung nach regulatorischen Maßnahmen
Marktteilnehmer fordern regulatorische Eingriffe. Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI: „Assetmanager sind gesetzlich verpflichtet, Börsenkurse und weitere Marktdaten zu nutzen. Aufgrund der bestehenden oligopolistischen Marktstrukturen mit nur wenigen Anbietern pro Segment ist das ein Fall für die Wettbewerbsbehörden.“ Die Deutsche Börse hingegen plädiert für eine sachliche Debatte und weist darauf hin, dass die Gebühren für Börsendaten weniger als 0,02% der geschätzten Gebühren für eine mittlere Fondsverwaltungsgesellschaft ausmachten.