Krise bewältigt! Regulatorik gemeistert?

Regulierung sollte dazu beitragen, weitere Krisen zu vermeiden - Dabei muss sie gewährleisten, dass Banken ihren realwirtschaftlichen Auftrag erfüllen können

Krise bewältigt! Regulatorik gemeistert?

Die G 20-Staaten haben Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise gezogen: Die im Dezember 2010 vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht verabschiedeten neuen Eigenkapitalregeln für Banken (“Basel III”) sind beschlossen. Ziel von Basel III ist, mittels einer qualitativen und quantitativen Stärkung der Kapitalbasis der Institute den Finanzsektor zu stabilisieren. Die Steuerzahler sollen somit vor weiteren Belastungen durch erneute Rettungsmaßnahmen für Banken geschützt werden. Abweichend von der bisherigen Umsetzungspraxis sollen die wesentlichen Inhalte von Basel III nicht in Form einer Richtlinie, sondern als EU-Verordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) umgesetzt und daher mit Inkrafttreten für alle EU-Mitgliedstaaten unmittelbar rechtsbindend werden.Dieses sogenannte “Single Rule Book” soll ein einheitliches Aufsichtsrecht im europäischen Binnenmarkt gewährleisten. In einigen eng gefassten Feldern gestattet die Verordnung jedoch weiterhin der nationalen Aufsicht die Ausübung von Wahlrechten. Genau dieser Aspekt ist für die genossenschaftliche FinanzGruppe zentral. Für die kreditgenossenschaftliche Organisation hängt es in hohem Maße davon ab, dass ihr tragfähiges auf Verbundstrukturen aufgebautes Geschäftsmodell im Sinne ihrer hohen realwirtschaftlichen Bedeutung als Ganzes eine regulatorische Anerkennung findet. Als robust erwiesenDas regional verankerte, mitgliederbezogene und nachhaltige Geschäftsmodell der genossenschaftlichen FinanzGruppe hat sich auch in der Finanzkrise als robust erwiesen. Trotz Krise und zunehmender Regulierung ist die FinanzGruppe bei den Kundeneinlagen und Krediten gewachsen. Entgegen der viel diskutierten Kreditklemme werden die Genossenschaftsbanken ihrer Rolle bei der Kreditversorgung der regionalen Wirtschaft auch in diesem Umfeld gerecht.Genossenschaften haben als Ziel die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder aus eigener Kraft. Im Vordergrund steht der genossenschaftliche Förderzweck und nicht die Erzielung einer möglichst hohen Rendite. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die genossenschaftliche FinanzGruppe in einem hohen Maß arbeitsteilig organisiert. Die Arbeitsteilung basiert auf einem umfassenden Netzwerk von klar abgegrenzten, gesellschafts- und aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeiten. Dabei unterstützen die beiden Zentralbanken DZ Bank und WGZ Bank zusammen mit ihren Tochtergesellschaften die geschäftlichen Aktivitäten der örtlichen Genossenschaftsbanken. Die enge Zusammenarbeit der Mitglieder wird gemäß den Prinzipien der Hilfe zur Selbsthilfe und Eigenverantwortung von der Basis bis in die entsprechenden Beteiligungsbeziehungen hinein flankiert:- Die genossenschaftlichen Teilhaber halten ihre Mitgliedschaften und Geschäftsanteile an den Genossenschaftsbanken der Primärebene,- die Primärebene hält Beteiligungen an den Zentralbanken sowie in geringem Umfang an den gruppeneigenen spezialisierten Anbietern,- die Beteiligungen an den großen Unternehmen der FinanzGruppe werden im Wesentlichen über die Zentralbanken gehalten und- nahezu alle Kapitalanteile werden innerhalb der FinanzGruppe gehalten.Diese besondere Gruppenstruktur wird ergänzt um eine präventiv wirkende Institutssicherung, deren Qualität nicht zuletzt auch durch die aufsichtsrechtliche Anerkennung bestätigt worden ist. Die Institutssicherung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass jegliche Probleme einzelner Institute sektorintern ohne Beteiligung Dritter oder gar durch staatliche Hilfe gelöst werden konnten. Viele Kunden auch TeilhaberDas Alleinstellungsmerkmal der Genossenschaftsbanken ist ihr traditioneller Förderauftrag gegenüber ihren rund 17 Millionen Mitgliedern. Über die Hälfte ihrer rund 30 Millionen Kunden sind gleichzeitig Teilhaber ihrer Bank. Als Miteigentümer sind sie Kapitalgeber und Gewinnbeteiligte – inklusive aller mit dem Eigentum einhergehenden Rechte und Pflichten, insbesondere der Mitbestimmungsrechte. Das sogenannte Identitätsprinzip unterscheidet eine Genossenschaft von allen anderen Formen der kooperativen Zusammenarbeit.Neben der Kraft zur Thesaurierung von Gewinnen sind die Mitglieder die einzige reale Basis für die Generierung von hartem Kernkapital in der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Aus Sicht des einzelnen Mitglieds ist es grundsätzlich unerheblich, wo das zur Verfügung gestellte Eigenkapital innerhalb der Organisation allokiert ist – ob es sich bei der örtlichen Genossenschaftsbank, dem Gruppenunternehmen oder der Zentralbank befindet. Letzten Endes gehört das gesamte Vermögen der genossenschaftlichen FinanzGruppe immer den Mitgliedern. Es zählt die FinanzGruppe als Ganzes aus folgenden Gründen:- Der genossenschaftliche Förderauftrag zur umfassenden Bereitstellung aller moderner Finanzprodukte und -dienstleistungen kann nur in kooperativer Zusammenarbeit zwischen allen Unternehmen der FinanzGruppe erfüllt werden.- Es bestehen grundsätzlich gleichgerichtete Interessen aufgrund der gemeinschaftlichen Festlegung auf die Zielsetzungen und das gemeinsame Geschäftsmodell unter der Nebenbedingung des betriebswirtschaftlichen Erfolgs der einzelnen Gruppenunternehmen.- Bereits heute wird ein konsolidierter Jahresabschluss der genossenschaftlichen FinanzGruppe erstellt und die Eigenkapitalquoten auf Verbundbasis ermittelt. Dabei ist sichergestellt, dass es zu keiner Mehrfachbelegung vorhandenen Kapitals mit Risiken kommt.Die Ratingagenturen Fitch Ratings und Standard & Poor’s bewerten die genossenschaftliche FinanzGruppe mit einem der besten und stabilsten Ratings in der deutschen Bankenbranche. Die FinanzGruppe wird als Ganzes betrachtet und die Zentralbanken mit den Gruppenunternehmen als integrale Bestandteile gesehen. Dieser Ansatz trägt dem hohen Maß an Kohäsion und Solidarität innerhalb der Organisation Rechnung. Nationale Aufsicht gefordertDamit die genossenschaftliche FinanzGruppe auch zukünftig ihrer Rolle als stabiler und verlässlicher Partner der Wirtschaft gerecht werden kann, ist sicherzustellen, dass es unter den künftigen aufsichtsrechtlichen Regelungen zu keinen ungerechtfertigten Belastungen für Verbundstrukturen kommt. Die nationale Aufsicht ist aufgefordert, das singuläre Geschäftsmodell der FinanzGruppe in gleichem Maß wie schon der EU-Gesetzgeber in ihren Regulierungsvorhaben anzuerkennen und aufsichtsrechtlich angemessen zu berücksichtigen.Der insoweit gefestigte CRR-Entwurf sieht gemäß Artikel 46 Abs. 3 bzw. Artikel 389 Abs. 2 d Wahlrechte auf nationaler Ebene vor, wenn bestimmte Bedingungen des Verbundzusammenhalts vorliegen. Daran orientiert, wären verbundinterne Beteiligungen am Zentralinstitut von der Kapitalabzugspflicht befreit. Zudem wären Forderungen und Beteiligungen innerhalb von Verbundstrukturen von der Anrechnung auf die Großkreditobergrenze freigestellt. Dieser Verbundzusammenhalt liegt in der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit ihrer subsidiären Arbeitsteilung wie geschildert vor. Daher ist es zwingend notwendig, dass die nationale Aufsicht diese Wahlrechte auch ausübt. Noch nie Probleme bereitetDie Nichtausübung hätte indessen zur Folge, dass die Genossenschaftsbanken ihre verbundinternen Beteiligungen – zumindest teilweise – vom harten Kernkapital abziehen müssten. Die Beteiligungsbeziehungen innerhalb der FinanzGruppe könnten auf Dauer nicht weiter aufrechterhalten werden, da die Genossenschaftsbanken schon jetzt zum Teil an ihre Großkreditobergrenze bei den Verbundunternehmen stoßen. Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei um strategische Beteiligungen handelt, die schon seit Jahrzehnten gehalten werden, der Stärkung des Verbundgedankens dienen und in der Vergangenheit nie zu Problemen geführt haben.Die Nichtausübung des Wahlrechts würde das in der Finanzkrise bewährte Geschäftsmodell der genossenschaftlichen FinanzGruppe in Gänze in Frage stellen. Die Konsequenz wäre eine drastische Reduzierung der Kreditvergabebasis der FinanzGruppe – mit entsprechend negativen Auswirkungen für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Gleiche Regeln europaweitDer Deutsche Bundesrat hatte bereits bei einer anderen Gelegenheit angemerkt, dass der Spielraum der Genossenschaftsbanken für die Kreditvergabe vor Ort ohne dieses Wahlrecht erheblich eingeschränkt würde. Übernimmt der deutsche Gesetzgeber nun im Rahmen der CRR-Umsetzung jene Wahlrechte, stellt er dieselben Wettbewerbsbedingungen her wie in den EU-Ländern, die bereits den EU-rechtlichen Wegweisungen folgen und regulatorische Rahmenbedingungen für Verbundstrukturen schaffen, die strukturbedingte Nachteile verhindern. Nicht zuletzt würde es dem breit getragenen Gedanken des “Single Rule Book” nur gerecht werden, wenn europaweit für gleiche Strukturen gleiche Regeln gelten.