Kulturkluft prägt Engagement der Fondshäuser
jsc Frankfurt
In der Abstimmungspolitik zu Umwelt- und Sozialthemen zeigen europäische und US-amerikanische Fondsgesellschaften ein anderes Selbstverständnis: So fällt die Selbstbeschreibung der Adressen diesseits des Atlantiks tendenziell nicht nur detaillierter aus, sondern offenbart häufig auch eine andere Auffassung zur Wirkung von Nachhaltigkeitsfaktoren, wie das Analysehaus Morningstar berichtet.
Konkret geht es um die Frage, inwiefern Umwelt- und Sozialfaktoren auf den finanziellen Erfolg einwirken. Wenn eine Fondsadresse, so wie in den USA üblich, sich am Shareholder Value orientiert – also allein den Marktwert des Eigenkapitals in den Blick nimmt –, verfolgt sie demnach einen engeren Fokus. Es liegt somit im Ermessen des Fondsmanagements, ob Nachhaltigkeitsfaktoren auf den reinen Firmenwert einzahlen. Ein weiter Blick schließt hingegen die Stakeholder systematisch ein, die Fondsgesellschaft beachtet also grundsätzlich auch Folgen für Umwelt und Gesellschaft. Dahinter steht die Annahme, dass verantwortungsbewusste Unternehmen auch gegen Risiken besser gewappnet sind. Zwischen diesen Polen platziert Morningstar auch Aussagen, die von einem „Bewusstsein“ für Stakeholder-Interessen zeugen, ohne dass diese immer systematisch analysiert werden. Tendenziell neigen Firmen, die einen detaillierten Anspruch formulieren, zu einer Stakeholder-Perspektive. Die meisten Stellungnahmen sind allerdings sehr nuanciert.
Als Ursache für die kulturelle Kluft nennt Morningstar auch die Regulierung: Der Shareholder-Ansatz ergibt sich demnach auch aus enger gefassten treuhänderischen Pflichten in den USA, während europäische Regelwerke Transparenz zur Nachhaltigkeit einfordern. Nicht alle Fondsgesellschaften passen in das Schema. Mit AllianceBernstein zählt ein US-Haus zu den strengeren Adressen, während die französische Natixis weniger anspruchsvoll ist.
„Erwarten“ oder „ermutigen“
Zwar zeigen sich auf den ersten Blick fast alle Fondsanbieter an Umwelt- und Sozialthemen interessiert. Morningstar verweist aber auf einen unterschiedlichen Detailgrad, auf spezifische Ziele und auf Abstimmungsankündigungen. Oft kommt es auf die Formulierung an, wie die Auszüge im Bericht zeigen.
So erklärt Allianz Global Investors, dass sie den Ruf nach einer Berichterstattung zu Treibhausgasemissionen unterstützt und sich grundsätzlich auch konkreten Forderungen nach einer Reduzierung anschließt, allerdings vorbehaltlich einer eigenen Bewertung. DWS „erwartet“ Reduktionsziele und verweist etwa auf das Pariser Klimaabkommen, das die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad begrenzen soll, möglichst sogar auf unter 1,5 Grad. BNP Paribas „erwartet“ ausdrücklich einen 1,5-Grad-Pfad. Auch Robeco „erwartet“ eine Reduktion hin zu null Emissionen, „erbittet“ aber lediglich eine Strategie auf Linie zum Klimaabkommen. Blackrock „ermutigt“ die Unternehmen, ein Ziel deutlich unter 2 Grad in den Blick zu nehmen, Vanguard „ermutigt“ lediglich dazu, sich Ziele zu setzen, sofern der Klimawandel ein materielles Risiko darstellt.
Neben dem Klimaschutz äußern sich die Fondsadressen auch zur Biodiversität, während unter den Sozialthemen gerade der Dreiklang Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity, Inclusion, DEI) hervortritt, aber auch Menschen- und Arbeitsrechte. Wie die Gesellschaften tatsächlich abstimmen, schlüsselt der Bericht nicht auf. Auch lässt sich nicht im Einzelfall nachvollziehen, wie Morningstar die jeweiligen Aussagen konkret gewichtet und Kategorien zugeordnet hat.