Kursrutsch bei Credit Suisse
dz Zürich
– Die Credit Suisse gibt in der laufenden Kapitalerhöhung ein trauriges Bild ab. Dieses wird nicht nur am Verlauf des Aktienkurses deutlich, der seit der Ankündigung der Kapitalbeschaffungsmaßnahme Ende Oktober rund 40% verloren hat. Noch etwas schlimmer sieht es bei den Bezugsrechten aus, die seit Montag an der Schweizer Börse unter dem Symbol CSGN1 gehandelt werden. Der Wert dieser Anrechte hat sich in den vier zurückliegenden Handelstagen schon um mehr als 40% vermindert und zieht den Aktienkurs immer weiter in die Tiefe.
Alle bisherigen Credit-Suisse-Aktionäre haben im Vorfeld der Kapitalerhöhung von ihrer Bank ein Schreiben erhalten, in dem sie gefragt wurden, ob sie ihre Bezugsrechte ausüben oder lieber verkaufen möchten. Noch haben nicht alle Aktionäre geantwortet, denn der Handel mit den Bezugsrechten dauert bis zum 8. Dezember. Aber wie der stark negative Kursverlauf bei einem auffallend intensiven Handel der Anrechte suggeriert, haben schon sehr viele ihrer Bank den Auftrag „verkaufen“ erteilt.
Insgesamt sind 1,77 Milliarden solcher Bezugsrechte im Umlauf. Die Menge der Bezugsrechte ist identisch mit der Anzahl neuer Aktien, welche die Credit Suisse ihren bestehenden Aktionären zum Preis von 2,52 sfr pro Papier anbietet. Wer neue Credit-Suisse-Aktien zu diesem Preis kaufen möchte, benötigt die entsprechenden Bezugsrechte. Sieben solcher Anrechte geben Anspruch zum Bezug von zwei neuen Aktien.
Verlockung zum Verkauf
Als die Credit Suisse die Bedingungen der Kapitalerhöhung bekannt gegeben hatte, erschien dieser Bezugspreis von 2,52 sfr pro Titel noch sehr attraktiv. Der Aktienkurs bewegte sich zu jenem Zeitpunkt noch um die 4 sfr. Mit dem günstigen Bezugspreis dürfte die Credit-Suisse-Führung vor allem das Ziel verfolgt haben, möglichst viele Aktionäre zu einer Teilnahme an der Kapitalerhöhung zu bewegen. Die aktuelle Entwicklung lässt vermuten, dass die Bank dieses mutmaßliche Ziel zu verfehlen droht.
Heinz Zimmermann, Finanzprofessor an der Universität Basel, wäre davon nicht überrascht. „Viele Aktionäre könnten das Bezugsrecht als eine Art Dividende interpretieren, eine steuerfreie nota bene.“ Bezugsrechte waren 1985 Thema seiner Dissertation an der Universität Bern. Dabei hatte er festgestellt, dass ein solcher Verkaufsanreiz bei Kapitalerhöhungen tatsächlich besteht.
Im Fall der Credit Suisse dürfte die Verlockung zum Verkauf des Anrechtes besonders groß gewesen sein, denn der tiefe Emissionspreis der neuen Aktien führte zwangsläufig zu einem hohen Anfangswert des Bezugsrechtes. Denn ein Bezugsrecht soll die bestehenden Aktionäre vor einer Verwässerung ihrer Stimmrechts- und Gewinnanteile sowie ihrer Kapitalanteile schützen.
Verzichtet ein bestehender Aktionär auf die Ausübung seiner Bezugsrechte, verschlechtert sich automatisch seine Stellung in puncto Stimmkraft und Anteil am künftigen Unternehmensgewinn. Die Credit Suisse bietet ihre neuen Aktien überdies zu einem Preis an, der deutlich unter dem Wert liegt, der durch das Eigenkapital der Bank gedeckt sein müsste. Im Fall der Credit Suisse dürfte auch noch das Kapital substanziell verwässert werden.
Professor Zimmermann vermutet, dass die Bank mit einem höheren Ausgabepreis für die neuen Aktien ein besseres Gesamtergebnis hätte erzielen können. Nicht nur hätten die Aktionäre einen geringeren Anreiz zum Verkauf ihrer Bezugsrechte gehabt, vielmehr wären sie durch den höheren Emissionspreis auch weniger im Kapital verwässert worden. Spätestens im März, wenn die Bank ihren Geschäftsbericht publiziert, wird sich zeigen, wie sich die Aktionärsstruktur durch die Kapitalerhöhung verändert hat.
Bei der letzten großen Kapitalerhöhung 2016, als die Bank aus dem Verkauf neuer Aktien ebenfalls 4 Mrd. sfr erlöste, beteiligten sich Schweizer Privatanleger und Pensionskassen weit unterproportional. Womöglich steigt das Gewicht ausländischer Aktionäre bei der Bank derzeit auch aus diesem Grund. Der Hauptgrund bleibt freilich der Einstieg der Saudi National Bank, die über eine Privatplatzierung mit 9,9% neue Großaktionärin wurde.