LBS Nordwest will nach Fusion produktivste Bausparkasse werden
Im Interview: Jörg Münning
LBS Nordwest will produktivste Bausparkasse werden
Vorstandschef der zweitgrößten Landesbausparkasse: Weitere Fusionen denkbar, aber derzeit nicht geplant – Kritik an Anforderungen der Finanzaufsicht
Die Zahl der Landesbausparkassen (LBS) hat sich im vergangenen Jahr durch Fusionen von acht auf fünf verringert. Eine weitere Bereinigung ist denkbar, stehe aber gegenwärtig nicht auf der Agenda, sagt Jörg Münning, Chef der LBS Nordwest. Nach der Fusion im Schnellverfahren steht für ihn die Steigerung der Produktivität im Fokus.
Das Interview führte Carsten Steevens. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de.
Herr Münning, ist die Fusion zur LBS Nordwest verdaut?
Es gibt keine LBS West und keine LBS Nord mehr, sondern nur noch eine LBS Nordwest mit zwei Hauptsitzen in Münster und in Hannover. Auf diese beiden Standorte werden wir uns in Zukunft konzentrieren. Räumlichkeiten in Berlin und in Bremen werden wir voraussichtlich im kommenden Jahr aufgeben. Darauf sind unsere Mitarbeitenden eingestellt.
Was heißt das?
Fusionsbedingte Kündigungen gab und gibt es nicht. Stellen bauen wir entlang der demografischen Kurve ab, etwa durch Vorruhestandsregelungen ab 58 Jahren. Doppelfunktionen im Zuge der Fusion schaffen wir ab. Unsere Pläne sehen vor, dass wir in fünf Jahren mit insgesamt 200 Arbeitsplätzen weniger auskommen wollen. Aus heutiger Sicht streben wir ein Haus mit 725 Beschäftigten an.
Herr Münning, das Lager der Landesbausparkassen durchläuft zurzeit einen Konsolidierungsprozess. Wo steht Ihre Fusion zur LBS Nordwest im Vergleich mit den beiden anderen Zusammenschlüssen?
Wir haben die Fusion innerhalb kurzer Zeit hinbekommen. Im März 2021 fanden die ersten Gespräche statt, im August 2021 kam mit dem Memorandum of Understanding die Absichtserklärung zustande. Im August 2023 folgte die Genehmigung des Zusammenschlusses durch die EZB. Danach konnten wir am 1. September rückwirkend zum 1. Januar 2023 fusionieren. Bereits im November 2023 haben wir dann den technischen Zusammenschluss vollzogen. Bei der neuen LBS Nordost folgte dieser Schritt erst vor kurzem, die ebenfalls 2023 aus einer Fusion entstandene LBS Süd geht die technische Fusion im kommenden Jahr an.
Wieso dieser zeitliche Vorsprung?
Wir haben sie schnell angehen können, weil wir als LBS West und LBS Nord die ersten der sechs Landesbausparkassen waren, die Fusionsgespräche geführt haben. Dadurch konnten wir das Projekt mit dem zentralen IT-Dienstleister in unserer Gruppe, der Finanz Informatik, früh vereinbaren. Es handelte sich um ein großes Projekt mit 3 Millionen Verträgen, die unter einem Dach zusammenzuführen waren. Ende Februar dieses Jahres haben wir das eigentliche Fusionsprojekt abschließen können.
Aber an Folgen der Fusion müssen Sie weiterhin arbeiten?
Mit den Folgen der Fusion, etwa mit der Abschaffung von Doppelfunktionen, werden wir noch eine Weile beschäftigt sein. Aber wir können sagen, dass wir schon kurz nach der Fusion neben einer einheitlichen Strategie und Planung über eine einheitliche Vertriebsstruktur mit einem hauptamtlichen Außendienst und 800 Handelsvertretern verfügen. Zudem haben wir seit Juni ein neues, einheitliches Tarifsystem. Es gibt nur noch Tarife der LBS Nordwest, nicht mehr die alten Tarife der Vorgängerinstitute.
Wie sehen Ihre Ziele aus?
Unser Zielbild der LBS Nordwest besteht aus mehreren Komponenten. Die erste ist Wachstum. Unser Ziel ist, in den nächsten zwei bis drei Jahren bei der Bausparsumme ein Nettoneugeschäft von jährlich mindestens 10 Mrd. Euro zu erreichen. Im außerkollektiven Kreditgeschäft stellen wir uns 750 Mill. Euro pro Jahr vor.
Wie sich das mittelfristig weiterentwickelt, müssen wir abwarten. Wir können uns stärkeres Wachstum durch Modernisierungskredite vorstellen, durch engere Kooperation mit Wohnungsbaugesellschaften und Investoren, die kleinere Vier- bis Sechs-Parteien-Häuser bauen, durch mehr Prolongation, wenn Verträge mit Zinsbindung auslaufen.
Was noch?
Wir wollen zweitens prozessual weiterhin die produktivste Landesbausparkasse sein. Vielleicht werden wir auch die produktivste Bausparkasse in Deutschland, wobei Vergleiche schwierig sind, weil bestimmte Zahlen anderer Häuser teilweise nicht transparent sind. Wir wollen wieder dahin kommen, dass jeder Mitarbeitende rechnerisch 4.000 Verträge bearbeitet. Derzeit liegen wir bei 3.300 bis 3.400 Verträgen.
Wie sieht es mit Ausschüttungen für Ihre Träger aus?
Die dritte Komponente ist das Thema Nachhaltigkeit und Transformation, wobei es nicht nur darum geht, was wir aufsichtsrechtlich zu leisten haben. Sondern auch darum, was wir aus Überzeugung tun. Ich glaube, wir können als Bausparkasse sehr viel etwa zur Finanzierung von nachhaltiger Modernisierung beitragen. Auch im sozialen Bereich leisten wir einiges. Als weitere strategische Ziele stehen die Wohnungsbauförderung sowie kulturelle Aspekte auf unserer Agenda. Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein.
Wie sieht es mit Ausschüttungen für Ihre Träger aus?
Keine Landesbausparkasse hat in den vergangenen Jahren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus in Deutschland Gewinnausschüttungen vorgenommen.
Es gibt Planungen für die LBS Nordwest, in Zukunft wieder auszuschütten. Wann es bei uns so weit sein wird, kann ich noch nicht sagen. Es gibt ja auch Kapitalanforderungen der Aufsicht, die wir zu beachten haben.
Wo stehen Sie bei der Kapitalausstattung?
Wir liegen derzeit bei einer Kernkapitalquote von 15,5%. Das ist gut. Wir wollen in den kommenden Jahren, das heißt bis 2028, auf ein Niveau von 18% kommen. Mit Ausschüttungen könnten wir wahrscheinlich schon vorher beginnen. Darüber entscheiden aber die Träger. Aus heutiger Sicht werden wir ab 2026 so gut unterwegs sein, dass Kapitalstärkung und Ausschüttungen möglich sind. Die Planungen sehen in der aktuellen Planungsperiode bis 2028 bei aktuellen Rahmenbedingungen Nettogewinne im dreistelligen Mill.-Euro-Bereich vor.
Wo landen Sie 2024?
Ich gehe für 2024 von einem Ergebnis von gut 20 Mill. Euro aus. Wir investieren eine Menge, etwa in den Vertrieb und in Werbung, aber auch auf Ebene der gesamten LBS-Gruppe. Hinzu kommt die Regulatorik, die einen hohen Aufwand verursacht. Fusionsbedingte Kosten werden auch in diesem Jahr anfallen, ich rechne mit 5 bis 8 Mill. Euro. Insgesamt werden es rund 25 Mill. Euro sein. Wir planen, 2028 auf ein Ergebnis unter dem Strich von über 100 Mill. Euro zu kommen.
Können Sie sich weitere Zusammenschlüsse im LBS-Lager vorstellen?
Mit den Nachwehen der Fusion, die wir ja gerade erst vollzogen und abgeschlossen haben, werden wir sicherlich zwei bis drei Jahre beschäftigt sein. Es gibt im Moment keine Pläne für einen weiteren Zusammenschluss, auch keine Gespräche in diese Richtung. Die Landesbausparkassen, die 2023 durch Fusion entstanden sind, haben derzeit noch genug damit zu tun, ihre jeweiligen Zusammenschlüsse zu verdauen. Das gilt auch für uns, selbst wenn wir die technische Fusion abgeschlossen haben und eine Ecke weiter sind als die anderen. Es braucht noch Zeit, bis solche Überlegungen wieder Thema werden. Es wird sich sicherlich niemand Gesprächen verschließen, wenn sie sich ergeben sollten. Es steht aber heute keine LBS unter Druck, fusionieren zu müssen.
Der Genossenschaftssektor kommt durch die Schwäbisch Hall mit einer Bausparkasse aus. Warum nicht eines Tages auch die Sparkassen-Finanzgruppe?
Ob es irgendwann dazu kommen wird, weiß ich nicht. Zwei der fünf heutigen Landesbausparkassen sind ja heute noch Teil von Landesbanken. Es wäre also zu klären, ob diese Institute offen für Fusionen sind. Zum anderen müssten wir prüfen, ob die Bildung einer einzigen Landesbausparkasse überhaupt erstrebenswert ist. Geschichte und Strukturen der Landesbausparkassen innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe lassen sich auch nicht mit dem Genossenschaftssektor vergleichen.
Eine einzige Bausparkasse sollte für die Sparkassen also gar nicht das Ziel sein?
Tatsache ist, dass sich die Zahl der Landesbausparkassen innerhalb von zwölf Jahren von elf auf fünf verringert hat. In keinem anderen Verbundbereich der Sparkassen-Finanzgruppe ist in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht mehr passiert als bei uns. Wir haben darüber hinaus ein weit entwickeltes einheitliches IT-System, und wir werben mit einer gemeinsamen Marke.
Mit einer Bilanzsumme über 30 Mrd. Euro wird die LBS Süd künftig durch die EZB beaufsichtigt. Wie nehmen Sie die Aufsicht für Ihr Haus wahr?
Der regulatorische Aufwand ist größer, was allein schon damit zusammenhängt, dass die LBS Nordwest mit einer Bilanzsumme von 22 Mrd. Euro auf nationaler Ebene als ein potenziell systemrelevantes Institut sowie aus europäischer Sicht als eine sogenannte High-Impact Less Significant Institution eingestuft wird. Die nationale Aufsicht ist gehalten, mehrmals im Jahr der EZB über die LBS Nordwest zu berichten – auch wenn wir gar nicht unter der direkten Aufsicht durch die EZB stehen. Wir rechnen im Laufe eines Jahres rund 180 Szenarien für die Aufseher durch, im Rahmen des normativen und des ökonomischen Steuerungskreises. Im Schnitt rechnen wir also an fast jedem Werktag im Jahr ein Szenario durch, das aber teilweise gar nicht passend für das Bauspargeschäft ist. Denn hier greift das deutsche Bausparkassengesetz.
Wie groß ist der Aufwand?
Wir beschäftigen mehr als zehn Mitarbeiter, die sich nur damit befassen. Für einen Sanierungsplan, der seit diesem Jahr nicht mehr dem vereinfachten Sanierungsplan der Sparkassen entspricht, sind ebenfalls Szenarien durchzurechnen. Diese werden auf europäischer Seite für Institute unserer Größenordnung vorgegeben. Unser Risiko hat sich dabei im Zuge der Fusion nicht erhöht, weil sich das Geschäftsmodell nicht geändert hat. Die LBS Nordwest ist nur ein größeres Institut. Der Gehalt der Informationen ist nicht größer geworden, weil wir mehr Szenarien durchrechnen. Manche Szenarien, die wir durchrechnen sollen, widersprechen sich auch.
Ärgert Sie das?
Wir dürfen den nationalen Blick bei der Beaufsichtigung nicht außer Acht lassen. Es gibt immer noch ein nationales Bausparkassengesetz, das es zu berücksichtigen und anzuwenden gilt. Mir kommt beim Blick auf die Beaufsichtigung der Bausparkassen das Bild eines Fußballspielers in den Sinn, der zu seinem Schutz so sehr gepolstert ist, dass er sich kaum noch bewegen kann. Wir benötigen Regulierung, ganz klar. Aber wir müssen uns noch bewegen können. Unsere Hauptaufgabe ist Zinsmanagement. Wir garantieren Kunden heute mit Abschluss eines Bausparvertrages den Darlehnszins, der bei Auszahlung der Darlehnssumme beispielsweise in zwölf Jahren gilt. Diese Aussteuerung betreiben wir im kommenden Jahr seit 95 Jahren. Das haben wir in der Niedrig- und Negativzinsphase geschafft, das haben wir im Zuge des Zinssprungs vor zwei Jahren geschafft. Zinsmanagement ist unser Job. Aber wir rechnen Szenarien durch, die für Universalbanken gelten und nicht unsere Spezifika berücksichtigen. Das passt nicht zusammen, das ist zu viel, das ist Überregulierung.
Was ist zu tun?
Es gibt noch viel mit den Aufsehern auf europäischer Ebene zu besprechen, was die Besonderheiten der deutschen Bausparkassen als Spezialkreditinstitute angeht. Für viele auf europäischer Ebene ist das deutsche Bausparkassenwesen immer noch Neuland.
Viele Menschen haben sich wegen der schwierigen Marktsituation vom Wunsch nach der eigenen Immobilie verabschiedet. Wie hat sich denn Ihr Neugeschäft entwickelt?
Was das Bauspar-Neugeschäft angeht, liegen wir 2024 über Plan. Wir haben uns mindestens 10 Mrd. Euro zum Ziel gesetzt. Im vergangenen Fusionsjahr waren LBS West und LBS Nord noch mit ihren jeweiligen Tarifen getrennt unterwegs. Das ist in diesem Jahr anders. Im außerkollektiven Geschäft, das heißt im direkten Finanzierungsgeschäft, sind wir derzeit trotz der schwierigen Lage im Wohnungsbau auf Vorjahresniveau. Damit sind wir zufrieden. Im Bereich der Haus- und Wohnungsmodernisierung könnten wir uns mehr vorstellen. Es herrscht aber derzeit viel Verunsicherung in diesem Bereich. Die Menschen wissen nicht recht, wie und wann sie handeln sollen. Zugleich können wir feststellen, dass wieder mehr im Wohnungsmarkt investiert wird.
Wo steht der Wohnbausektor denn nach der Talfahrt im Zuge der EZB-Zinswende 2022?
Nach dem Rückgang infolge der Zinswende ist der Boden erreicht. Bei den Vermittlern ist wieder mehr Aktivität festzustellen. Unsere Immobilientochter LBS Immobilien Nordwest beispielsweise liegt in diesem Jahr deutlich im Plus. Das stimmt uns mit Blick auf Finanzierungen zuversichtlich. Wenn wir unsere Fusion endgültig verarbeitet und alle Abläufe harmonisiert haben, kann ich mir im außerkollektiven Kreditgeschäft mittelfristig auch 800 bis 850 Mill. Euro Neugeschäft im Jahr vorstellen.
Nach der Zinswende hat Bausparen eine Renaissance erfahren. Wie sehen Sie den Trend?
Bei dem erhöhten Zinsniveau ist es wieder interessanter geworden, sich gegen Zinsänderungen abzusichern. Bausparen ist unverändert relevant. Wir stellen fest, dass sich nach wie vor fast 80% der Mieter Wohneigentum wünschen. Bei den jungen Leuten liegt dieser Anteil sogar noch höher. Zudem ist unser neues Tarifsystem in gewisser Weise basisdemokratisch mit den Sparkassen abgestimmt. Umfragen bescheinigen uns, dass wir mit unserem Auftritt im Markt richtigliegen.
Wie hoch ist denn der Anteil des Geschäfts mit neuen Kunden? Und wie kommen Sie bei jungen Menschen an?
Was die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr angeht, können wir feststellen, dass wir viele neue Kunden gewinnen. Rund 20% der Verträge wurden in diesem Jahr bislang mit Neukunden abgeschlossen. Erfreulicherweise gewinnen wir auch mehr junge Kunden mit dem Ziel, Eigentum zu erwerben. Das Neugeschäft kommt auch durch Vermittlung über die 120 Sparkassen in unserem Geschäftsgebiet zustande. Über das sogenannte Kooperationsmodell sind wir mit rund einem Drittel aller Sparkassen in Deutschland verbunden. Die Intensität der Zusammenarbeit bestimmen die Sparkassen.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den Sparkassen?
Wir sind mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Es handelt sich um den Hauptvertriebsweg: Zwei Drittel des gesamten Neugeschäfts entfällt auf die Sparkassen. Zugleich ist uns der Außendienst mit den Handelsvertretern sehr wichtig, weil der uns auch Kunden bringt, die nicht Sparkassenkunden sind.
Warum haben Sie Werbeauftritt der Landesbausparkassen geändert?
Wir haben 2024 den Marken-Claim in der LBS-Gruppe geändert, zum ersten Mal seit 54 Jahren. Wir haben lange gut mit der BBDO zusammengearbeitet, jetzt ist die Frankfurter Agentur Huth + Wenzel unser Partner. Wir wollten etwas Neues angehen und haben dafür auch den Werbeslogan überarbeitet. Wir duzen jetzt in der werblichen Ansprache. Das tun wir nicht, weil wir festgestellt haben, dass wir im Wettbewerbsvergleich weniger junge Kunden erreichen, oder weil wir ein Image-Problem beheben wollen. Es geht darum, dass wir uns mit dem neuen Auftritt auf ein verändertes Sparverhalten der Menschen und auf die Entwicklungen der Umfeldbedingungen in den vergangenen Jahren einstellen.
Was heißt das?
Der gewisse Automatismus früherer Jahre, dass Eltern und Großeltern Bausparverträge für Kinder und Enkel abschlossen, ist verloren gegangen. Die Geldpolitik der EZB, das Zinsniveau über Jahre hinweg niedrig zu halten, hat sich auf das Geschäftsmodell von Bausparkassen in Deutschland ausgewirkt. Darlehen wurden nicht so abgenommen, wie wir uns das gewünscht hätten, da sie auf dem Markt günstiger waren. Der Einlagenzins war im Branchenvergleich hoch, wir mutierten plötzlich zum Einlagenprodukt. Bausparen für die nächste Generation steht nicht mehr so wie früher im Fokus, Lena und Max bekommen nicht mehr automatisch ihren Vertrag. Das fehlt. Abgesehen davon ist es insgesamt für alle Bausparkassen komplexer geworden, junge Leute zu erreichen.
Inwiefern?
Wir erreichen sie nicht mehr über Eltern und Großeltern. Ansprache über das klassische Fernsehen funktioniert auch nicht mehr, weil die jungen Menschen heutzutage kaum noch lineare Fernsehprogramme verfolgen. Es wird gestreamt. Werbung wird anders wahrgenommen. Diesem Wandel stellen wir uns. Wir haben uns vorgenommen, moderner und im Auftritt jünger zu werden. Deshalb sprechen wir Menschen künftig anders an. Wir arbeiten jetzt zum Beispiel mit einem Rapper zusammen. Wir bewegen uns sehr viel auf Social Media, sind aber auch im Fernsehen und bei Streamingdiensten präsent. Die Umstellung wirkt sich inzwischen auch auf unsere Neugeschäftszahlen aus.
Wie wirken sich denn die Rahmenbedingungen aus?
Wir brauchen bei der Wohnraumförderung in Deutschland Verlässlichkeit. Ich nenne das Wohnraumprogramm für Familien, das im Moment mit 350 Mill. Euro pro Jahr ausgeschrieben ist: Das ist ein Windhundrennen. Ich will nicht behaupten, dass das Baukindergeld ein besseres Instrument war. Aber allein die Summe beim Baukindergeld lag bei 2,5 Mrd. Euro. Was stört, ist die abrupte Beendigung einzelner Programme. Im August ist plötzlich die Unterstützung für die Energieberater halbiert worden. Wie oft investiert ein Kunde in eine Immobilie oder kauft eine Immobilie? Dafür braucht er Verlässlichkeit, und Voraussetzung ist eine klar ausgerichtete Förderpolitik mit Instrumenten, die langfristig Bestand haben.
Die Verlässlichkeit fehlt?
In spätestens einem Jahr ist die aktuelle Legislaturperiode auf Bundesebene beendet. Es ist aber nicht klar, ob man ein Haus ab 2026 mit dem Energiestandard 40 oder 55 planen soll. Das führt dazu, dass Leute im Moment nicht in Wohneigentum investieren, obwohl sie es eigentlich wollen, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Der Misere am Wohnungsbau könnte durch verlässliche Politik viel effektiver begegnet werden. Das passiert derzeit leider nicht. Deutschland hat eine Wohneigentumsquote von 41%, damit sind wir Schlusslicht in Europa. Norwegen – das ist mit Blick auf die Kapitalunterlegung der Altersvorsorge doch interessant - kommt auf 80%. In Deutschland liegt das Durchschnittsalter derjenigen, die in Wohneigentum gehen, mittlerweile bei 40 Jahren. In Norwegen beträgt es 27,9 Jahre. Die Leute nutzen schon im Studentenalter Wohneigentum, sie bekommen in Norwegen günstige Kredite, Eigenkapitalanforderungen und Nebenkosten sind deutlich niedriger. Die Zinsen für ein Wohnungsbaudarlehen sind steuerlich absetzbar.
Norwegen als Vorbild für Wohnbaupolitik in Deutschland?
Wenn man den Wohnungsmarkt in Deutschland wirklich voranbringen will, muss man sich auch langfristig dazu bekennen, so wie beispielsweise Norwegen das macht. Fakt ist auch: Wer Wohneigentum hat, hat eine bessere Altersvorsorge, baut mehr Vermögen auf. Energetisch passiert mehr bei selbst genutztem Wohneigentum. Mir ist nicht klar, warum sich die Politik in Deutschland nicht viel stärker für eine langfristig angelegte Förderung des Wohnungsmarkts einsetzt. Wohnungspolitik in Deutschland ist bislang häufig Stückwerk geblieben und wird lieblos betrieben. Das ist bedauerlich.