Löchrige Fondsaufsicht
Nur 13 Jahre nach dem Ausbruch der Weltfinanzkrise hat das Coronavirus die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte infiziert. Eine der bitteren Lehren aus der Weltfinanzkrise war, dass dem Finanzsektor massiv Liquidität fehlte. Die Regulierer haben dieses Problem bei den Banken neben dem zusätzlichen Aufbau von Kapital beherzt angepackt. Doch wie steht es um das Liquiditätsdilemma eines enorm gewachsenen Akteurs an den Kapitalmärkten, das der Investmentfonds? Nach einer lang anhaltenden Kursrally nach der Finanzkrise und einem hohen Neugeschäft hat sich das weltweite Fondsvermögen seit 2007 bis kurz vor der Coronakrise auf mehr als 50 Bill. Euro ungefähr verdreifacht.Mit Blick auf die Finanzstabilität gibt nicht nur die gewachsene Marktmacht Anlass zur Sorge. Aufseher sorgen sich auch, weil die Fonds wegen der niedrigen Zinsen vermehrt in weniger liquide Assets investieren. Und die Makroüberwachung der Fonds ist lückenhaft. Zwar haben die Fonds in Deutschland die Kursstürze und Geldabflüsse vom März ohne Blessuren überstanden, doch dass die deutsche Finanzaufsicht BaFin die Anbieter drängt, schnellstmöglich neue Liquiditätswerkzeuge einzuführen, spricht Bände.Fonds haben ein grundsätzliches Liquiditätsdilemma: Ihre Anteile sollen täglich handelbar sein, die Anleger können jederzeit ein- oder aussteigen. Doch nicht alle Teile des Portfolios sind ebenso täglich liquidierbar. Dies gilt umso mehr, seitdem die Investmentvehikel mit dem Niedrigzinsumfeld zu kämpfen haben. Mit Anleihen fällt es Fondsmanagern immer schwerer, vorzeigbare Renditen zu erzielen. Somit schichten sie immer größere Teile des Portfolios in riskantere und/oder illiquidere Papiere um, wie etwa in Anleihen mit niedrigerer Bonität. Das Versprechen der täglichen Handelbarkeit wird in Krisenzeiten zum Problem, wenn die Liquidität an den Märkten austrocknet, zumal wenn die Fondsmanager verstärkt in Nischenpapiere gehen, die per se schon weniger liquide sind als etwa Anleihen mit guter Bonität. Zumal die Barmittel und Geldmarktpapiere in den Portfolien ebenso zurückgefahren wurden wie die Staatsanleihen mit hoher Bonität. Somit sank der Anteil hochliquider Titel seit 2013 von 40 % auf 30 % im Jahr 2018, warnte die EZB in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht.Seit der Finanzkrise gab es in puncto Liquiditätsrisikomanagement in Europa und insbesondere hierzulande einige Schritte, um die Fonds krisenresistenter zu machen. Die Liquiditätsvorgaben für Publikumsfonds auf EU-Ebene sind durch die Ucits-Richtlinie rigide, die BaFin hat bei den nationalen Vorgaben noch einen draufgesetzt. Der Skandal um den britischen Fondsmanager Neil Woodford, der die ausgefeilten europäischen Liquiditätsvorschriften im vergangenen Jahr trickreich umgangen hatte, war insofern ein Schock für die Aufseher. Zwar einigte man sich in der Interpretation schnell darauf, dass hier ein Versagen interner Prozesse vorlag. Eine weitere Verschärfung der EU-Regeln sei nicht notwendig, hieß es.Dennoch hat das Thema Fondsliquidität für Aufseher schon vor der Coronakrise größere Brisanz bekommen. So hat die uneinheitliche Umsetzung der Liquiditätsüberwachung durch die nationalen Aufseher die EU-Behörde ESMA auf den Plan gerufen. Derzeit läuft eine breit angelegte Untersuchung, wie Fondsmanager die tägliche Liquidität sicherstellen. Die Schwächen in der Liquiditätssteuerung werden damit hoffentlich behoben. Ziel der ESMA ist ein einheitliches Vorgehen der Behörden. Zugleich soll es europaweit Liquiditätsstresstests für Fonds geben, die deutsche Anbieter schon kennen. Auch wenn die deutsche Aufsicht bei Fondsstresstests Vorreiter war – bei den Ende März im deutschen Investmentrecht KAGB eingeführten Liquiditätssteuerungstools für Wertpapierfonds war sie später dran als andere Länder.——Von Silke StoltenbergSchon vor Corona hat die Aufsicht die Liquidität von Fonds kritisch beäugt. Jetzt muss es im Interesse der Finanzstabilität schnell gehen.——