London gewährt einseitig Äquivalenz

Schatzkanzler Rishi Sunak setzt auf Green Finance

London gewährt einseitig Äquivalenz

Von Andreas Hippin, LondonDer britische Schatzkanzler Rishi Sunak hat sich dazu entschlossen, einer Reihe von EU-Firmen einseitig Marktzugang zu gewähren, nachdem in den Verhandlungen mit Brüssel über die gegenseitige Anerkennung der Finanzregulierung als gleichwertig keine Ergebnisse erzielt werden konnten. “Während andere Äquivalenz vielleicht als politische Waffe nutzen wollen, wird das nicht unsere Herangehensweise sein”, sagte Sunak. In den britischen Äquivalenzentscheidungen geht es unter anderem um Benchmarks, Bilanzprüfungen, Ratings, zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer. Aus Sicht von Regulierungsexperten betreffen sie allerdings nur einen Bruchteil des grenzüberschreitenden Handels mit Finanzdienstleistungen. “Wir werden Äquivalenz einsetzen, wenn es im wirtschaftlichen Interesse Großbritanniens ist”, sagte Sunak. Dabei verfolge man eine “technische, ergebnisorientierte Herangehensweise, die Stabilität, Offenheit und Transparenz den Vorrang gibt”. Hoffnung auf Deal verpufftNachdem sich in der City die Einsicht durchgesetzt hatte, dass mit dem Austritt aus EU und EWR der Marktzugang via Passporting nicht mehr möglich sein wird, wurde dort zuerst ein Äquivalenzregime favorisiert, das die Gleichwertigkeit der britischen Regulierung attestieren sollte. Allerdings weigerte sich Brüssel, von der Idee Abstand zu nehmen, einseitig Äquivalenzentscheidungen fällen zu können. Auch das von der International Regulatory Strategy Group (IRSG) als Option ins Spiel gebrachte Modell der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Model) fand bei der EU-Kommission keinen Anklang.In der Finanzbranche hat man es weitgehend aufgegeben, solchen Modellen hinterherzutrauern. “Für den künftigen Erfolg Großbritanniens in der Welt ist von entscheidender Bedeutung, dass wir unser Finanzsystem zum sichersten und transparentesten Ort in der Welt machen, an dem man Geschäfte machen kann”, sagte Bob Wigley, Executive Chairman der Finanzlobby UK Finance. “Die Schaffung eines starken, aber verhältnismäßigen regulatorischen Rahmens würde die Wettbewerbsfähigkeit der Banken- und Finanzbranche stärken und Großbritannien für Investoren aus dem Ausland attraktiver machen und zugleich beim Verbraucherschutz ein robustes Niveau aufrechterhalten.” David Schwimmer, Chef der London Stock Exchange Group, nahm die Regeln für Börsengänge ins Visier. “Dieses Jahr hat klar gezeigt, was für eine wichtige Rolle die öffentlichen Märkte dabei spielen, wenn es darum geht, Unternehmen zu ermöglichen, zu wachsen und zu florieren”, sagte er. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit der Taskforce zur Reform des Listing-Regimes und wolle Bereiche identifizieren, in denen schnell gehandelt werden könne.Viele hoffen darauf, dass London im Segment Green Finance punkten kann. Nicht dass Themen wie ESG und “grüne” Finanzen in der City erfunden worden wären. Auch kommt Sunak mit der Ankündigung der ersten “grünen” Staatsanleihe reichlich spät. Doch könnte sich Großbritannien allein dadurch zum Vorreiter entwickeln, dass es entsprechende Vorgaben im Alleingang schneller in Gesetze und Vorschriften gießen kann. Und den Pionieren in diesem Geschäft winken Größenvorteile. “Nie hat es einen wichtigeren Moment für die Regierung gegeben, bei nachhaltigen Finanzen Führungskraft zu zeigen und auf den Wunsch der Anleger einzugehen, in eine nachhaltige, grüne Erholung zu investieren”, sagte Sarah Gordon, die Chefin des Impact Investing Institute. Die UN-Klimakonferenz, die im November 2021 im schottischen Glasgow stattfindet, dürfte den Briten zusätzlichen Rückenwind verschaffen. Wenn Joe Biden den US-Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen rückgängig macht, könnte das dafür sorgen, dass Green Finance auch an der Wall Street mehr Widerhall findet. London böte das die Chance, sein Gewicht als globales Finanzzentrum voll auszuspielen, zumal sich auch die Volksrepublik China zumindest verbal auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht hat. Trotz des Streits um Hongkong herrscht in Sachen Finanzmarkt offenbar Tauwetter zwischen Peking und London. Dafür spricht, dass chinesische Unternehmen zuletzt wieder den London Shanghai Stock Connect zur Kapitalbeschaffung nutzen durften.