Markt für Leveraged Loans ist förmlich implodiert
dz Zürich
Noch vor vier oder fünf Monaten versprach Elon Musks Twitter-Übernahme zum besten Geschäft des Jahres für ein paar Investmentbanken zu werden. Zum Handkuss kam ein internationales Konsortium von sieben großen Kredithäusern. Es vereinbarte mit dem Tesla-Gründer, mehr als ein Viertel von dessen 44-Mrd.-Dollar-Deal zu finanzieren – nach einem Muster, das bei großen Firmenübernahmen oft zur Anwendung kommt: Die Banken überweisen die vereinbarte Kreditsumme (12,5 Mrd. Dollar im Fall von Twitter) an den Firmenkäufer (Elon Musk). Dieser gibt das Geld sogleich an die von ihm zu erwerbende Firma (Twitter) weiter. Die Bilanz der erworbenen Firma wird dadurch mit Schulden beladen und sie wird riskanter.
Die Banken wollen dieses Risiko aber nicht selber tragen. Sie stückeln die Kreditsumme in viele kleine Schuldscheine und verkaufen sie typischerweise an Investmentfonds oder andere spezialisierte Investoren weiter. Diese lassen sich das höhere Risiko durch einen hohen Zins abgelten. Darum heißen die Papiere Hochrisiko-Anleihen oder High Yield Bonds.
Groß im Risikogeschäft
Bei großen Transaktionen in diesem Markt ist normalerweise auch die Credit Suisse mit von der Partie. Die Bank gehört zu den weltweit wichtigsten Akteuren im Geschäft mit schuldenfinanzierten Firmenübernahmen oder Leveraged Loans, wie die zugrundeliegenden Kredite auch genannt werden.
Doch bei Elon Musks Twitter-Deal blieb die Credit Suisse für einmal außen vor. Der Grund dafür ist nicht bekannt. Vermutlich ist er aber auch darin zu suchen, dass die Bank nach dem 5-Mrd.-Dollar-Verlust mit dem Hedgefonds Archegos im Frühjahr 2021 zu einem vorsichtigeren Geschäftsgebaren gezwungen wurde. Das damalige Unglück könnte sich mindestens im vorliegenden Fall als Glück erweisen.
Den Investoren ist der Appetit auf solche Risikopapiere nämlich gründlich vergangen – aus guten Gründen: Das generell höhere Zinsniveau erlaubt es den Anlegern inzwischen auch wieder mit sicheren oder relativ sicheren Anleihen eine vernünftige Rendite zu erzielen. Und vor allem nimmt das Insolvenzrisiko von Unternehmen mit hohen Schulden und schlechten Bonitätsnoten im derzeitigen Umfeld rapide zu.
Der Leveraged-Loans-Markt ist in den vergangenen Monaten deshalb förmlich implodiert, das weltweite Emissionsvolumen von High-Yield-Anleihen ist eingebrochen. Die riskantesten Kredittranchen lassen sich nach Aussagen von Marktbeobachtern teilweise gar nicht mehr verkaufen. Die Banken bleiben darauf sitzen. Ein prominentes Beispiel dafür ist die amerikanische Softwarefirma Citrix.
Die Investmentfirma Elliott Management kündigte im Januar deren Übernahme an – ein 17-Mrd.-Dollar-Deal. Ein Bankenkonsortium mit Beteiligung der Credit Suisse garantierte die nötige Finanzierung. Das Geld ist geflossen, die Kredite sind verbrieft, aber niemand will sie mehr kaufen – jedenfalls nicht zu den geltenden Bedingungen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters müssen die Banken nun einen Verlust von 700 Mill. Dollar auf die eigene Kappe nehmen. Elliott hat die Kredite zu billig erhalten, lautet die lapidare Erklärung. Die Credit Suisse hatte per Ende Juni Leveraged Loans im Wert von 5,9 Mrd. Dollar ausstehend. Darauf musste sie Bewertungsverluste von 245 Mill. Dollar hinnehmen.
Beobachter gehen davon aus, dass die Verluste der Banken im Leveraged-Loans-Markt seit Ende Juni weiter gewachsen sind. In welchem Ausmaß, wird sich zeigen, wenn die ersten Adressen in der kommenden Woche ihre Neunmonatszahlen vorlegen. Inzwischen wären die Banken froh, hätten sie sich nie auf das Geschäft mit Musk eingelassen. Dieser will oder muss die Übernahme nun doch vollziehen – zu den ursprünglich genannten Bedingungen. Nur hat sich die Welt seit dem vergangenen Frühjahr gründlich verändert. Für Hochrisikoanleihen verlangt der Markt inzwischen Zinsen von bis zu 15%. Das ist über ein Viertel mehr als die Höchstverzinsung, mit der die Banken die heißesten Twitter-Bonds ursprünglich zu verkaufen versprochen hatten.
Verkaufen sie die Papiere nun zum ursprünglichen Preis, müssen sie die Differenz zum Marktpreis selbst berappen. Behalten sie die Papiere in den eigenen Büchern, müssen sie für die Differenz zum Marktpreis eine Wertberichtigung vornehmen. Gut möglich, dass aufgrund der fehlenden Nachfrage überhaupt nur die letztere Variante zum Tragen kommt. Die Credit Suisse kann das trostlose Schauspiel diesmal als Zaungast verfolgen. Vielleicht hatte im Rückblick sogar die Archegos-Lektion noch ihr Gutes.