IN DER SOHLE DES ZINSTALS

Marktumbruch folgt auf Kostenwalze

EU-Regelwerk Mifid II wird die Finanzbranche prägen - Einführung verschärft den Wettbewerb

Marktumbruch folgt auf Kostenwalze

Von Jan Schrader, FrankfurtBisher prägt der Aufwand die Wahrnehmung: Als “größtes Projekt, das wir jemals umgesetzt haben”, bezeichnet Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, das EU-Regelwerk Mifid II. Einen “Höhepunkt in der Regulierung des Wertpapiergeschäfts” nennt Henning Bergmann, Geschäftsführer des Derivateverbands DDV, die überarbeitete Finanzmarktrichtlinie, die ab kommenden Mittwoch wirksam ist. Der Bankenverband BdB drückt es in Zahlen aus: Mit mehr als 20 000 Seiten Regulierungstext schlägt sich das Gewerbe demnach herum, bis zu 1 Mrd. Euro wendet die deutsche Kreditwirtschaft für die Vorbereitungen auf. Wenn die Gesellschaften in einigen Jahren zurückblicken, dürfte aber ein anderer Aspekt im Vordergrund stehen: die Anreize, die das Regelwerk setzt. Sie prägen den Markt.Da ist zum einen Kostentransparenz: Zwar stehen Preisangaben bereits heute in den Unterlagen, etwa in den wesentlichen Anlegerinformationen. Künftig werden die Kosten den Sparern aber regelrecht unter die Nase gerieben: Nicht nur vor der Anlageentscheidung muss der Kunde informiert werden, auch anschließend mindestens einmal im Jahr, etwa auf dem Depotauszug. Neben Angaben zu Produkt- und Transaktionskosten wird er dort leichter als bislang nachvollziehen können, wie hoch die Provisionen sind, die an die vermittelnde Stelle fließen.In der Branche wird bereits argumentiert, dass mehr Transparenz das Kostenbewusstsein der privaten Anleger stärkt – das könnte Modellen Aufwind geben, die für die Beratung und Kundenbetreuung direkt eine Gebühr verlangen oder aber ohne die Beratung durch einen Menschen auskommen. Rund jede zweite Bank erwartet, dass die neuen Regeln einen hohen Einfluss auf alternative Vertriebskanäle haben, etwa online oder per Video, während mehr als jedes dritte Haus deutliche Folgen für das Angebot von Produkten mit Festpreis erwartet, wie eine Umfrage der Beratungsfirma PPI zeigt. Allerdings lässt sich das Verhalten von Kunden nur schwer vorhersagen, und es gibt auch Stimmen, die lediglich einen moderaten Einfluss sehen.Darüber hinaus setzt die Regulierung einen Anreiz, auf andere, weniger regulierte Felder auszuweichen. Während gerade kleine Wertpapierberater wie Privatbanken und unabhängige Vermögensverwalter die Vorgaben spüren, treten Neueinsteiger als Finanzanlagenvermittler gemäß der Gewerbeordnung auf, was Aufwand erspart. Automatische Vermögensverwalter wiederum lassen sich als Finanzportfolioverwalter regulieren und fallen somit nicht unter die strenger regulierte Anlageberatung. Solche Anreize sind nicht neu, Mifid II könnte sie aber verschärfen. Die aufwendige Zielmarktdefinition der Richtlinie könnte dazu führen, dass Banken ihre Produktpalette ausdünnen, obwohl das Regelwerk das Gegenteil zum Ziel hat. Anreizprobleme an allen Ecken und Enden. Druck in der FondsbranchePrägend ist die Richtlinie auch für die Fondsbranche. Beziehen Assetmanager Aktienanalysen von anderen Anbietern, sind die Kosten für diese Berichte bislang mit Handelsaufträgen verknüpft. Research-Anbieter wie Banken, Handelshäuser und Broker stellen also Analysen im Gegenzug für Handelsaufträge bereit, müssen nun aber ihre Berichte getrennt in Rechnung stellen. Fondshäuser stehen vor der Wahl, ob sie die Kosten separat den Produkten zuordnen oder aber selbst schultern.In der Fondsbranche führt dies zu mehr Wettbewerb: Viele Anbieter tragen die Kosten selbst und stellen den Anlegern eine Kostensenkung in Aussicht. Nachdem sich für den deutschen Markt zunächst abgezeichnet hatte, dass führende Adressen die Kostenposition den Fonds zuordnen, haben sich Allianz Global Investors, Deutsche Asset Management und Union Investment neben anderen Anbietern dafür entschieden, die Position selbst zu übernehmen. Zwar sind Research-Kosten mit üblicherweise 1 bis 3 Basispunkten für entsprechende Fonds, also 1 bis 3 Euro je angelegte 10 000 Euro, nur eine kleine Position. Die Debatte hat den Blick aber einmal mehr auf die Kosten gelenkt – und illustriert, dass die Fondsbranche unter Druck steht.Wenn Assetmanager sparen müssen, werden sie auch den Wert von Analysen genauer hinterfragen. Die Umsätze im Research könnten gängigen Schätzungen zufolge um bis zu ein Drittel fallen, einige Marktteilnehmer sind sogar noch pessimistischer. Research-Anbieter feilen bereits an Preismodellen und setzten etwa auf eine Standardgebühr für den Zugang zu Berichten plus einen weiteren Obolus für zusätzliche Angebote. Weil Research vermutlich knapper wird, dürften gerade kleine Aktientitel vernachlässigt werden, lautet eine verbreitete Befürchtung. Das wiederum könnte den Handel in Nischensegmenten erschweren. Es gibt nur wenige Bereiche, auf die sich das Regelwerk nicht auswirkt.