Maues Listinggeschäft belastet HKEX
nh Schanghai
Beim zuletzt erfolgsverwöhnten Hongkonger Börsenbetreiber Hong Kong Exchanges & Clearing (HKEX) deutet sich eine Durststrecke im Zuge eines erlahmenden Geschäfts mit Initial Public Offerings (IPOs) an. HKEX verzeichnet für die zweite Quartalsperiode einen leichten Rückgang beim Gewinn nach Steuern von 2,97 auf 2,77 Mrd. HK-Dollar (305 Mill. Euro). Im ersten Quartal indes waren die Gewinne gegenüber der Vorjahresperiode um 70% auf 3,84 Mrd. HK-Dollar in die Höhe geschossen, was einem Rekordergebnis entsprach.
Während das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres noch von einem regelrechten Boom an Aktienneuemissionen geprägt war, wobei vor allem die Börsengänge einiger chinesischer Technologiefirmen hervorragten, ist das IPO-Geschäft über das Juniquartal regelrecht ausgetrocknet. Bremsend für die Entwicklung des Handelsvolumens wirkt die in der Jahresmitte in Kraft getretene sehr deutliche Erhöhung der transaktionsabhängigen Börsenumsatzsteuer (Stempelsteuer). Analysten gehen davon aus, dass die erste entsprechende Steuererhöhung seit 28 Jahren das Transaktionsvolumen im Aktienhandel und damit auch die daraus resultierenden Gebühreneinnahmen der HKEX fühlbar schmälern wird. Beim Brokerhaus Daiwa Securities etwa wurde die Gewinnprognose für die kommenden drei Jahre um 30% zurückgenommen.
Moderater Kursverlust
Die an der Hongkonger Börse notierende HKEX-Aktie verlor in Reaktion auf den enttäuschenden Ergebnisausweis in der Spitze rund 5%, ging aber letztlich bei 499 HK-Dollar mit einem moderateren Tagesverlust von 3,5% aus dem Markt. Die HKEX-Aktie erreichte Mitte Februar und damit im unmittelbaren Vorfeld einer schweren Tech-Abverkaufswelle ein Allzeithoch bei 587 HK-Dollar, um danach allerdings wieder rund 15% einzubüßen. Im bisherigen Jahresverlauf liegen die Titel aber dennoch um 17% vorne und weisen damit eine deutlich überlegene Performance im Vergleich zum Hongkonger Leitindex Hang Seng auf. Abgesehen davon steht die HKEX mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet knapp 70 Mrd. Euro noch immer mit einigem Abstand an erster Stelle im weltweiten Ranking der wertvollsten Börsenbetreiber.
Angesichts der zuletzt schweren Marktverwerfungen, die von der Regulierungskampagne der Pekinger Regierung und ihren Folgen für die chinesische Tech-Branche ausgingen, gibt es wenig Aussicht auf eine rasche Belebung des Geschäfts mit Börsenlistings. So manifestiert sich eine große Verunsicherung bei den Anlegern und eine dezidierte Zurückhaltung der Investoren selbst bei IPO-Kandidaten jenseits der Technologieszene. Allerdings zeigt sich der im Mai neu angetretene Chief Executive der HKEX und frühere Investmentbanker Nicolas Aguzin zuversichtlich, dass sich die Dinge wieder rasch normalisieren.
200 Antragsteller
Vor der Presse in Hongkong erklärte Aguzin, dass insgesamt rund 200 Unternehmen Anträge für eine Notierung an der Hongkonger Börse gestellt haben und man mithin einer „extrem gesunden“ IPO-Pipeline entgegenblicke. Dabei ließ Aguzin die Frage offen, ob die Hongkonger Börse von einem verstärkten Zulauf an chinesischen Tech-Firmen profitieren kann, nachdem die chinesischen Regulatoren jüngst weitreichende Beschränkungen und Prüfverfahren für chinesische Börsenanwärter in den USA erlassen hatten.
Mit diesem Vorgehen könnte die Wall Street als bislang bevorzugte Emissionsbühne für die chinesischen Technologie-Start-ups einer gesteigerten Abwanderung chinesischer Emittenten entgegensehen. Fast zwangsläufig dürften sie dann an die Hongkonger Börse mit ihrem ebenfalls tiefen Kapitalbecken ausweichen.