Mehr Frauen in Vorständen der großen Versicherer
Mehr Frauen in Vorständen der Versicherer
Vor allem die großen Gesellschaften besetzen diverser – Allianz mit höchstem Anteil von 44 Prozent Spitzenreiter unter deutschen Großkonzernen
In den vergangenen zwei Jahren hat sich einiges getan: Die meisten großen Versicherer in Deutschland haben mittlerweile mindestens zwei Frauen in den Vorstand berufen. Doch kleinere Gesellschaften hinken in Sachen Diversität teilweise stark hinterher. Weibliche CEOs bleiben insgesamt die absolute Ausnahme.
Von Antje Kullrich, Köln
Die Vorstandsetagen deutscher Versicherer werden diverser. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Zahl weiblicher Vorstandsmitglieder deutlich erhöht. Das gilt vor allem für die Top Ten der Branche. Die zehn größten deutschen Versicherer haben zuletzt den Frauenanteil in ihren obersten Führungsgremien ausgebaut und kommen jetzt im Schnitt auf 27%, wie eine Erhebung der Börsen-Zeitung ergeben hat. Spitzenreiterin ist die Allianz. Der Branchenprimus, der schon seit vielen Jahren eine kontinuierliche und strukturierte Frauenförderung betreibt, kommt seit Jahresbeginn auf eine fast paritätische Besetzung im Vorstand. Nach der Berufung von Claire-Marie Coste-Lepoutre als neue CFO sind 44% der Mitglieder im Konzernvorstand des größten europäischen Versicherers weiblich. Die Münchner nehmen damit auch im Dax eine Spitzenposition ein. Kein anderes der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland zählt vier Frauen im Vorstand.
Die zeitliche Korrelation zum im August 2021 in Kraft getretenen Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen (FüPoG II) ist auffällig: Während die Entwicklung lange stagnierte oder nur langsam vorankam und 2019 der Anteil von Vorständinnen in der Versicherungswirtschaft sogar im Vergleich zu den Vorjahren wieder etwas gesunken war, hat sich die Zahl von Spitzenmanagerinnen in der Assekuranz seitdem deutlich erhöht. Waren Ende 2020 noch drei der zehn größten Konzernvorstände rein männlich besetzt, gibt es diesen Fall heute zumindest in den Top Ten nicht mehr. Fast alle Unternehmen haben zwei oder mehr Frauen im Vorstand, nur Ergo und Talanx bilden mit jeweils nur einem weiblichen Vorstandsmitglied das Schlusslicht. Die deutlich Steigerung spricht für die breite Signalwirkung des Gesetzes, das in der aktuellen Fassung nur für die vier deutschen Versicherer in Dax und MDax bindend gilt.
Männerdomäne Außendienst
Auch die Daten des Branchen-Arbeitgeberverbands AGV zeigen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Von einem Ende der Dominanz männlich besetzter Spitzenposten ist die Versicherungswirtschaft jedoch noch weit entfernt. Während fast die Hälfte aller Beschäftigten in der Assekuranz Frauen sind, betrug ihr Anteil auf der ersten Führungsebene im Jahr 2022 nur 22%. Fünf Jahre zuvor waren es 15%. Auf allen Führungsebenen betrug der Anteil zuletzt 31%. Allerdings wird dabei der immer noch sehr männlich geprägte Außendienst außen vor gelassen. Dazu passt: Auch in den großen Finanzvertrieben MLP und OVB gibt es keine Frauen in der obersten Führung.
Die typische Vorständin in den Top Ten der deutschen Versicherungsbranche ist um die 50, hat ein wirtschaftswissenschaftliches oder mathematisches Studium absolviert und ist für ein operatives Versicherungsgeschäft oder Risikomanagement/Aktuariat verantwortlich. Von den 22 Frauen in den Spitzen der zehn größten deutschen Versicherer sind drei noch unter 40 Jahren, ein knappes Drittel hat eine nichtdeutsche Nationalität.
Ganz oben kommt hierzulande jedoch eine Frau in der Versicherungswirtschaft bislang fast nie an: Die Zahl der weiblichen CEOs ist verschwindend gering. Bei der kleinen Kieler Rück führt mit Monika Köstlin auf dem Vorstandsvorsitz und Regina Buer als Aufsichtsratschefin ein weibliches Duo die Gesellschaft. Claudia Tuchscherer lenkt die ADAC Versicherung seit Anfang 2022.
Fakt ist auch: Während die großen Gruppen vorangehen und ihre Vorstände nicht nur weiblicher, sondern vielfach auch internationaler ausrichten, hinken die mittelgroßen und kleineren Versicherer oft noch hinterher. In mehr als einer Handvoll Versicherer, die zu den 30 größten deutschen Anbietern zählen, hält sich noch eine reine Männerbastion. Ausschließlich männlich besetzte Gruppen- oder Konzernvorstände existieren immer noch bei Continentale, SV Sparkassen Versicherung, VHV, Hanse Merkur, LVM, Inter und WWK.
Unter den Diversitäts-Verweigerern befinden sich viele Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Das ist ein sehr deutsches Problem. Eine Studie des Weltverbands der genossenschaftlichen Versicherer ICMIF bezifferte vor einem Jahr den Frauenanteil in den Vorständen seiner Mitgliedsunternehmen weltweit auf rund 33%. In Deutschland jedoch kommt kaum ein Versicherungsverein auf 20%.
Öffentliche Versicherer kein Vorbild
Es überrascht wenig, dass auch bei den öffentlichen Versicherern Frauen im Vorstand wenig vertreten sind. Denn auch bei ihren Trägern, den Sparkassen, sind Managerinnen in den oberen Etagen deutlich unterrepräsentiert. Während die Versicherungskammer Bayern als größter Konzern der Gruppe noch immerhin zwei weibliche Vorstandsmitglieder hat, sind es bei Provinzial Holding und VGH Versicherungen jeweils nur eine und damit ein Anteil unter 20%, bei der SV Sparkassen Versicherung bleiben die Männer bislang unter sich.