BANK-DIVIDENDEN

Mersch im Alleingang

Ob Yves Mersch in den letzten Tagen seiner Amtszeit als stellvertretender Chef der europäischen Bankenaufsicht in der Notenbank noch viele Freunde gewinnen wird? Er scheint es nicht darauf anzulegen. Nachdem er schon im September Großbanken im...

Mersch im Alleingang

Ob Yves Mersch in den letzten Tagen seiner Amtszeit als stellvertretender Chef der europäischen Bankenaufsicht in der Notenbank noch viele Freunde gewinnen wird? Er scheint es nicht darauf anzulegen. Nachdem er schon im September Großbanken im Alleingang Hoffnungen auf ein Ende des Dividendenappells der Aufsicht gemacht hatte, legte das 71-jährige EZB-Direktoriumsmitglied, dessen Amtszeit am 14. Dezember endet, zur Wochenmitte nach: Mit seiner Ankündigung, solide Banken dürften im nächsten Jahr wieder Dividenden zahlen, falls ihre internen Modelle, die Risikovorsorge und die Kapitalentwicklung stimmten, nimmt der Notenbanker eben einmal das für Mitte kommenden Monats nach der Konjunkturprognose vom 10. Dezember erwartete Resultat der Beratungen im 32-köpfigen EZB-Aufsichtsgremium vorweg. Darauf zu wetten, dass sich dessen Mitglieder ihre Entscheidung von dem Luxemburger vorschreiben lassen wollen, könnte gewagt sein, zumal die Perspektive in Helsinki, am Sitz von Nordea, womöglich eine andere ist als etwa in Rom. Tatsächlich steht die Runde vor ihrer bisher schwierigsten Entscheidung.Zu Recht hat Jurist Mersch Bedenken, den Appell zum Dividendenverzicht nochmals zu verlängern. Schließlich hat die Aufsicht, von gelegentlichem Geraune über die Eignung sich widersetzender Geschäftsleiter einmal abgesehen, rein gar nichts in der Hand, um ein solches Moratorium durchzusetzen. Eine klare Rechtsgrundlage tut dringend not: Auf Dauer wird keine Bank ihren Aktionären unter Hinweis auf eine bloße Empfehlung Dividenden verweigern können. Zugleich macht der Stopp den Bankensektor gerade für Value-orientierte Anleger unattraktiv – andere sind dort kaum mehr aktiv. Und muss sich mit Blick auf die Verschärfung der Baseler Kapitalvorgaben nicht auch die Aufsicht wünschen, dass Banken Zugang zum Eigenkapitalmarkt haben?Andererseits sticht das Argument, Ausschüttungen seien zu bremsen, solange die öffentliche Hand, Aufseher und Notenbank alle Register ziehen, um den Instituten in der Krise zu helfen – laut EZB dürfte dies ihre Kapitalquote bis Ende 2021 um gut 2 Prozentpunkte schönen. Kein Aufseher will es erleben, dass öffentlich zumindest indirekt gestützte Häuser erst Boni und Dividenden zahlen, um dann doch in die Knie zu gehen. Einstweilen gilt es daher, die zweite Coronawelle mit Argusaugen zu verfolgen, um dann Mitte Dezember zu entscheiden. Womöglich im Sinne Merschs, auf jeden Fall aber keinen Tag früher.