US-Immobilienmarkt

Mit Hilfe des Himmels – und der BVK

Die Bayerische Versorgungskammer und andere Altersvorsorgeeinrichtungen haben in den vorigen Jahren massiv in exklusive amerikanische Geschäfts­im­mo­bilien investiert – mit fragwürdigen Partnern.

Mit Hilfe des Himmels – und der BVK

Von Norbert Kuls, New York

Dem New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance war das Geständnis von Michael Shvo eine ausgesprochen detaillierte Pressemitteilung wert. „Immobilienentwickler und seine Firmen bekennen sich des schweren Steuerbetrugs schuldig“, gab die Staatsanwaltschaft im April 2018 bekannt. Shvo habe mit der Gründung einer Scheinfirma im Bundesstaat Montana zum Kauf von Kunst, Schmuck und eines 458 Ferrari Spider mehr als 1 Mill. Dollar New Yorker Umsatzsteuer hinterzogen. „Shvos Methode der Steuerhinterziehung war eine Kunstform für sich“, kommentierte Vance.

Die Rehabilitierung von Shvo, der 3,5 Mill. Dollar an Rückerstattung und Strafe zahlen musste, ließ nicht lange auf sich warten. Schon im Juli 2018 – nur drei Monate nachdem er im Supreme Court des Bundesstaats New York sein Geständnis unterzeichnet hatte – fasste Shvo zusammen mit der BLG Capital des türkischen Hotelinvestors Serdar Bilgili und der Münchner Investmentgesellschaft Deutsche Finance den Plan, in Top-Büroimmobilien der größten US-Städte zu investieren, sie zu entwickeln und zu verwalten. Anfang August 2018 schlug das später auf ein Duo geschrumpfte Trio, das sich damals in internen Schreiben als „BSD-Partnerschaft“ bezeichnete, zu. Die Partner erwarben für 135 Mill. Dollar die Büroflächen des Gucci-Gebäudes an der New Yorker Nobelmeile Fifth Avenue, um sie in Luxusapartments umzuwandeln.

Eine große Einkaufstour

Es war der Beginn einer großen, mittlerweile auf sieben Objekte und knapp 3 Mrd. Dollar angeschwollenen Einkaufstour, zu denen Art-Deco-Hotels in Miami Beach und ein Wahrzeichen von San Francisco gehören. In den USA war das auffällig genug, so dass das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ Shvo im vergangenen März einen großen Report widmete: „Der forsche Dealmaker hinter einigen der größten Immobilienkäufe der Pandemie“.

Als Ankerinvestor steht hinter den Immobilienkäufen derweil die größte deutsche öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe, die in München ansässige Bayerische Versorgungskammer (BVK). Der Anlagegigant mit einem verwalteten Vermögen von zuletzt 97 Mrd. Euro kümmert sich um die Renten von fast zwei Millionen Versicherten und mehr als 400000 „Versorgungsempfängern“ wie das im Behördendeutsch heißt – von Ärzten in Augsburg, Bauingenieuren in Bamberg bis zu Schornsteinfegern in Fürstenfeldbruck. Einige der Multimillionen-Dollar-Projekte, in die BVK über einen von der Universal Investment verwalteten Luxemburger Fonds und punktuell ebenso andere deutsche Institutionelle wie die Versicherungskammer Bayern (VKB) und das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen investiert haben, stehen unter Druck: Es kommt zu Bauverzögerungen, Budgetüberschreitungen und zu unerwarteten Leerständen. Das geht aus Klageschriften und anderen im Rahmen von Gerichtsverfahren veröffentlichten Dokumenten hervor, die der Börsen-Zeitung vorliegen.

Die Partner trennen sich

Außerdem haben sich die BSD-Partner jetzt im Streit getrennt. Bilgili hatte gegen Shvo und die Deutsche Fi­nance seit einem Jahr prozessiert, weil sie ihn bei zwei lukrativen Transaktionen „usurpiert“, also ausgebootet hatten. Die BVK sieht gleichwohl keinen Anlass zur Unzufriedenheit mit den Investitionen. „Die eingekauften Objekte wurden und werden vom Markt als attraktiv eingeschätzt“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Deutsche Finance weist für das vergangene Covid-Jahr 2020 auf eine überdurchschnittliche „Mietinkassorate“ bei den für die BVK gemanagten Gebäuden hin. Die aktuelle Vermietungsquote sei auf 88% gesteigert worden.

Nachmietersuche in SoHo

Dass es auch Probleme gibt, ist zum Teil der Pandemie geschuldet. So fällt in dem im März 2020 erworbenen Gebäude 530 Broadway im New Yorker Stadtteil SoHo der insolvente Mieter Knotel aus, ein Büroraumvermittler, der dort für rund 4 Mill. Dollar im Jahr Flächen mietete. Es werde ein Nachmieter gesucht, heißt es bei der BVK. Nach internen Angaben war es bereits 2019 zu einem Anstieg der Baukosten bei „9200 Wilshire Boulevard“ gekommen, einem Bauprojekt für Luxuswohnungen im kalifornischen Beverly Hills. Auch die Rechtsstreitigkeiten behinderten nach Angaben informierter Personen den Fortgang der Projekte, weil sich die Geschäftspartner blockierten. Die Deutsche Fi­nance weist diese Darstellung zurück.

Klage in San Francisco

Bilgili hatte Shvo und die Deutsche Finance im Juli 2020 vor dem Superior Court in San Francisco verklagt, weil sie ihn nach mehreren gemeinsamen Akquisitionen bei den beiden jüngsten Zukäufen, einem für seine rote Fassade bekannten Hochhaus in Chicago („Big Red“) und der berühmten Transamerica Pyramid in San Francisco, übergangen hatten. Die Gegenseite suggeriert, dass Bilgili wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Türkei im Februar 2020 seine Anzahlung für den Chicagoer Wolkenkratzer schuldig blieb.

Bilgili forderte jedenfalls die Rückerstattung entgangener Gebühren in „hoher zweistelliger Millionenhöhe“. Allein 2019 machte das Konsortium für die damals vier Projekte in New York, Miami und Beverly Hills rund 38 Mill. Dollar Gewinn mit Gebühren für Ankauf, Entwicklung, Investmentmanagement oder Verwaltung der Immobilien. Das sei alles im marktüblichen Bereich, wie die Parteien unisono betonen. In einem separaten Verfahren vor dem New Yorker Supreme Court warf Bilgili Shvo im August dann aber überhöhte Ausgaben bei den seit 2019 laufenden Hotelprojekten in Miami Beach vor und forderte eine Buchprüfung.

Streit über hohe Ausgaben

Shvo habe eine Kunstausstellung arrangiert, die „Millionen von Dollar“ gekostet habe. Mehr als 1 Mill. sei für einen Architekten ausgeben worden – ohne einen Vertrag. Dazu sei Shvo „umfangreich“ mit dem Privatjet nicht nur zu den Projekten geflogen, sondern auch an Orte wie Las Vegas, die mit den Projekten nichts zu tun hätten. Schließlich habe er der BSD-Partnerschaft die 30000-Dollar-Monatsmiete für sein Penthouse im Setai-Hotel in Miami Beach in Rechnung gestellt. Shvos Anwälte argumentieren, Bilgili habe den Antrag in New York nur eingereicht, um „mit verleumderischen Behauptungen“ Druck aufzubauen. Vor zwei Wochen haben Shvo und die Deutsche Finance den Rechtsstreit mit Bilgili beigelegt und dessen Beteiligungen übernommen. Es gebe im gesamten Portfolio keine Rechtsstreitigkeiten mehr, heißt es bei der Deutschen Finance. Bilgili selbst wollte die „sensible“ Angelegenheit auf Anfrage nicht kommentieren.

Mit Bilgili steigt jetzt gerade der Partner aus, der nach eigenen Angaben einst die Bedenken der BVK wegen des Steuerbetrugs von Shvo ausgeräumt hatte und sich „persönlich“ für ihn verbürgt hatte. Zudem habe er Bankkredite für die Finanzierung der Projekte in Höhe von 400 Mill. Dollar garantiert. Die BVK kann diese „subjektiven Aussagen eines Prozessbeteiligten“ nicht bestätigen. „Das Thema einer persönlichen Bürgschaft kennen wir nicht.“ Im Übrigen sei der Vertragspartner der BVK die Deutsche Finance. „Mit Bilgili/Shvo bestehen keine rechtlichen Verbindungen.“

Die Deutsche Finance betonte nach Ende des Rechtsstreits, dass es nie ein Gemeinschaftsunternehmen im juristischen Sinne zwischen Bilgilis BLG Capital, Shvo und Deutsche Finance gegeben habe – die Partnerschaften seien immer nur auf einzelne Immobilienprojekte bezogen. Das war auch das Kernargument im Rechtsstreit mit Bilgili. Selbst die naheliegende Vermutung, dass es sich bei der Bezeichnung BSD um ein Akronym, die Anfangsbuchstaben der Partner, gehandelt haben könnte, wird dementiert. Shvo sei religiös und BSD leite sich vielmehr vom aramäischen Ausdruck Besiyata Dishmaya (BS’’D) ab. Übersetzung: „Mit Hilfe des Himmels.“

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