UNTERM STRICH

Mit SAFE zu mehr Sicherheit in der Finanzwelt

Börsen-Zeitung, 14.9.2013 Der Name ist Programm, und der Termin zum offiziellen Start des SAFE-Projekts des Center for Financial Studies (CFS) und der Goethe-Universität in Frankfurt war gut gewählt mit dem fünften Jahrestag der Pleite von Lehman...

Mit SAFE zu mehr Sicherheit in der Finanzwelt

Der Name ist Programm, und der Termin zum offiziellen Start des SAFE-Projekts des Center for Financial Studies (CFS) und der Goethe-Universität in Frankfurt war gut gewählt mit dem fünften Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers. Denn SAFE steht für “Sustainable Architecture for Finance in Europe” und kann als Zielbeschreibung nicht nur für die künftige wissenschaftliche Arbeit an diesem in Europa einzigartigen “Center of Excellence” zur Erforschung des Finanzsystems dienen, sondern auch als gesellschaftspolitischer Auftrag durch das finanziell engagierte Land Hessen. Und Tage des kollektiven Erinnerns – hier an die Kernschmelze des Finanzsektors vor fünf Jahren – bieten die Chance zur Reflexion der seitherigen Reformen, aber auch der Versäumnisse und der noch unerledigten Arbeiten. Anleitung zum ZockenWas sich in der Politik, insbesondere in der Regulierung, und was sich in der Finanzaufsicht wie auch in der Finanzindustrie selbst in den Krisenjahren getan hat, ist in vielen Medien anlässlich des fünften Jahrestages breit dargestellt worden, auch in dieser Zeitung (vgl. BZ vom 13. September). Anlässlich der SAFE-Inaugurationsfeier war es EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der an die zahlreichen Regulierungsvorhaben aus Brüssel als Antwort auf die Finanzkrise erinnerte.Die Frage, welche Lehren die ökonomische Wissenschaft aus der Finanzkrise gezogen hat, wird dagegen außerhalb akademischer Diskussionszirkel eher selten erörtert. Dabei hatte die Wissenschaft erheblichen Anteil am Entstehen der Finanzkrise. Sie entwickelte die hochriskanten Modelle für die Zockerei an intransparenten Märkten, sie vermittelte das trügerische Gefühl beherrschbarer Risiken. Blinder MarktglaubeDer mitunter blinde Glaube an die Selbstregulierung von Märkten entsprang einer ökonomischen Sichtweise, in deren Zentrum die Theorie der rationalen Erwartungen und davon abgeleitet das Vertrauen in die Rationalität der Märkte stand. Man glaubte, alle Unsicherheiten der realen Welt in Risikomodellen abbilden und quantifizieren zu können. Dank immer ausgefeilterer Algorithmen bildete man sich ein, dem Markt respektive den Wettbewerbern ein Schnippchen schlagen und die Risiken ausschalten oder überwälzen zu können. Wert der WissenschaftMit dem Platzen der Finanzblase hat die Nationalökonomie Demut lernen müssen. Denn einen solchen Crash hatten nur einige vereinzelte Untergangspropheten vorhergesehen, von denen es immer eine Handvoll gibt und geben wird. Und nicht wenige Ökonomen sind daran erinnert worden, dass sie keine Naturwissenschaftler sind, deren Erkenntnisse unabhängig von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen Gültigkeit haben. Leider wird der Stellenwert wissenschaftlicher Leistung längst auch in der Nationalökonomie daran gemessen, wie viele Aufsätze ein Forscher in welchen renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht. Da gilt es, möglichst kunstvoll Locken auf der Glatze der Makroökonomie zu drehen und im Hochschul-Ranking den Anschluss an die angelsächsischen Forschungshochburgen zu schaffen. Warum fragt niemand, weshalb angesichts der geballten ökonomischen Kompetenz und der komfortablen finanziellen Ausstattung der amerikanischen Spitzenuniversitäten die Blasen und systemischen Risiken sich ausgerechnet in den USA aufbauen konnten, aber nicht entdeckt wurden, sondern zum Ausbruch kamen? Besser interdisziplinärDas interdisziplinäre Denken, die angemessene Berücksichtigung gesellschaftlicher, psychologischer und auch juristischer Aspekte, muss wieder stärkeren Eingang in die makroökonomische Forschung finden, wenn sie nicht nur sich selbst genügen, sondern auch als Politikberatung ernst genommen werden will. Das SAFE-Projekt in Frankfurt ist ein schönes Beispiel und ein guter Ansatz hierfür. Nicht nur, weil es mehr als hundert Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammenbringt, sondern neben den speziellen Forschungsgebieten wie Financial Institutions, Corporate Governance, Household Finance, Financial Markets und Makro Finance auch Querschnittsthemen wie die systemischen Risiken oder die Transparenz umfasst. Zwei Stoßrichtungen werden verfolgt: die Grundlagenforschung zu allen Themen rund um “Finance” und die forschungsbasierte Politikberatung.Damit kann das SAFE-Projekt auf der bisherigen Arbeit des CFS in Frankfurt aufbauen. Vor allem auf den Gebieten Geldpolitik, Finanzstabilität und Bankenregulierung hat sich das CFS seit Jahren über Deutschlands Grenzen hinaus profilieren können. Die Karrieren früherer CFS-Direktoren – Axel Weber: Wirtschaftsweiser, dann Bundesbank-Präsident und jetzt UBS-Verwaltungsratspräsident, und Volker Wieland: Wirtschaftsweiser – belegen dies ebenso eindrucksvoll wie die Berufung des langjährigen CFS-Direktors Jan Pieter Krahnen in die sogenannte Liikanen-Expertengruppe zur Reform des Bankensektors in der EU. Bezug zum FinanzplatzDas CFS wird sich künftig mehr auf die anwendungsorientierte Forschung und den Dialog zwischen Wissenschaft und Industrie ausrichten. Damit rücken Asset Management, Insurance und Corporate Finance als Forschungsfelder stärker ins Zentrum des CFS. Mag sein, dass damit weniger Ruhm aus internationalen Publikationserfolgen zu ziehen ist. Dafür dürfte es die Verbindung der CFS-Arbeit zum Finanzstandort Frankfurt intensivieren, zumal das CFS ja bereits einen Finanzplatzindex entwickelt hat. Diese Arbeit für in Frankfurt ansässige Banken und auch Institutionen wie die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA oder die Europäische Zentralbank als Euroland-Bankenaufsicht ist wertvoller als die Platzierung auf irgendwelchen Forschungsrankings.———c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus Döring Das interdisziplinäre Denken muss wieder stärkeren Eingang in die makroökonomische Forschung finden.——-