AUS DER KAPITALMARKTFORSCHUNG

Mit Social Impact Bonds Sozialleistungen finanzieren

Neue Formen öffentlich-privater Partnerschaften basieren auf komplexen Vertrags- und Bewertungsstrukturen

Mit Social Impact Bonds Sozialleistungen finanzieren

Im Juni 2015 hat der Schweizer Kanton Bern mit der Konstruktion eines Social Impact Bond (SIB) zu einer bis dahin ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen, um die Integration von Flüchtlingen zu verbessern und damit den Bezugszeitraum von Sozialhilfe zu verkürzen. So zeigte die Statistik, dass bei einem zehn Jahre im Kanton Bern lebenden Flüchtling die Wahrscheinlichkeit, noch immer von der Sozialhilfe abhängig zu sein, bei 50 % liegt. Bei den nur vorläufig als Flüchtlinge anerkannten Personen beträgt dieser Wert sogar 70 %. Investoren geben DarlehenMit dem nun aufgelegten Social Impact Bond gewähren Investoren der die Integrationsmaßnahmen durchführenden Caritas in Bern ein Darlehen in Höhe von 2,7 Mill. sfr, das nach fünf Jahren vom Kanton Bern an die Investoren unter speziellen Bedingungen zurückgezahlt wird: Hat die Caritas ihre Integrationsziele (den “Impact”) um mindestens 105 % übertroffen, erhalten die Investoren ihr eingesetztes Kreditkapital zurück plus eine Verzinsung darauf von bis zu 1 % per annum. Die Caritas profitiert in diesem Fall von einer Bonuszahlung des Kantons Bern von maximal 40 500 sfr. Ausgaben für die SozialhilfeDer Kanton hat dann zwar gegenwärtig höhere Ausgaben, profitiert aber in Zukunft von niedrigeren Ausgaben für die Sozialhilfe. Wird dagegen das Integrationsziel nicht erreicht, verliert der Investor bis zu 4,9 % seines Darlehens, während die Caritas einen Malus zahlen muss. Damit reduziert der Kanton zwar seine aktuellen Ausgaben für die (weniger erfolgreichen) Integrationsmaßnahmen, allerdings stehen dem in Zukunft steigende Kosten für die Sozialhilfe gegenüber. Das Beispiel soll illustrieren, dass mit Social Impact Bonds kreative und innovative Interventionen im Sozialbereich finanziert werden können, um unter anderem die Effizienz in der Umsetzung von Sozialleistungen zu erhöhen. Ein ausgeklügeltes “Bonus-Malus-System” übernimmt hierbei wichtige Steuerungs- und Anreizmechanismen zwischen den beteiligten Parteien. In immer mehr Ländern wie den USA, Großbritannien und Israel erfreut sich diese Koppelung von finanziellen Zielen mit gesellschaftlichen Wirkungen zunehmender Beliebtheit. Eine TeilmengeSIBs sind als eine Teilmenge der sogenannten Social Impact Investings zu verstehen. In Deutschland wurde durch den Bericht “Wirkungsorientiertes Investieren: Neue Finanzierungsquellen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen” des deutschen National Advisory Board (NAB) im Rahmen der auf dem G8-Gipfel 2013 ins Leben gerufenen Social Impact Investing Task Force (SIITC) der Begriff des wirkungsorientierten Investierens als Verständnis von Social Impact Investing in Deutschland geprägt. Das Global Impact Investing Network (GIIN) entwickelte Best-Practice-Beschreibungen von Social Impact Investings, die heute allgemein als begriffliche Orientierungen anerkannt sind. KapitalerhaltHiernach handelt es sich bei Social Impact Investings um Investitionen in Unternehmen, Organisationen und/oder Fonds mit der expliziten Absicht, neben einer finanziellen Rendite eine soziale und/oder ökologische Wirkung zu erreichen. Zentrales Merkmal ist daher die Zielvorgabe, Messung und daran gekoppelt eine bestimmte Teilhabe des Anlegers an Erfolgen oder Misserfolgen der finanzierten Sozialprojekte und Unternehmen. Prägend ist für Social Impact Investings ferner, dass der Investor die klare Absicht hat, eine positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzielen. Finanziell gesehen sollten diese Investments zumindest den Kapitalerhalt ermöglichen und im besten Fall eine finanzielle Rendite erwirtschaften. Diese können sowohl unter marktüblichen Renditen liegen als auch marktübliche, risikobereinigte Renditen erreichen. Allerdings sind Social Impact Investings abzugrenzen von der Philantropie, bei der in der Regel von vornherein ein Verzicht auf die Rückgewinnung der gespendeten Geldbeträge beabsichtigt ist.Der Fokus bei Social Impact Investings liegt auf Beteiligungs- und Finanzierungobjekten, die nur zum geringen Anteil aus dem For-Profit-Bereich stammen. Oft handelt es dabei um Not-For-Profit oder Non-Profit-Einrichtungen, Profit-for-Purpose-Unternehmen oder sogenannte Benefit Corporates (“B Corps”). Im Gegensatz etwa zu nachhaltigen Geldanlagen (sogenannte Socially Responsible Investments, kurz SRI) sind die ökologischen und sozialen Kriterien, mit denen die Eignung einer Finanzierung als Social Impact Investing überprüft wird, sehr konkret projektbezogen wie zum Beispiel beim Bau und Betrieb eines Pflegeheims. Kleiner Anteil am MarktIm Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen für Deutschland für das Jahr 2014 finden sich zu Ausprägungen von Social Impact Inves-tings erste statistische Angaben. So waren in diesem Jahr circa 2,6 Mrd. Euro (2013: 1,4 Mrd. Euro) in Impact Investings investiert, wobei der ganz überwiegende Teil aus Mikrofinanzanlagen bestand – ein allerdings sehr kleiner Anteil am gesamten Markt für nachhaltige Geldanlagen. Ein naher Verwandter von Social Impact Investings sind Themeninvestments, die in Deutschland Ende 2014 mit 6,3 Mrd. Euro gegenüber gut 4 Mrd. Euro im Jahr 2013 einen Anteil von etwa 5 % an allen nachhaltigen Geldanlagen hatten. Investiert waren derartige Geldanlagen fast ausschließlich in erneuerbare Energien und Umwelttechnologien. Soziale Bereiche als Investmentziele sind eher die Ausnahme.Der recht geringe Anteil von Social Impact Investings ist nicht nur typisch für Deutschland, sondern global zu beobachten. Laut der Global Sustainable Investment Alliance standen 2014 einem globalen Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Höhe von 21,4 Bill. Dollar (+ 26 % gegenüber 2013) lediglich 172 Mrd. Dollar gegenüber, die in Social Impact Investings angelegt waren. Das globale Marktpotenzial von Social Impact Investings wird auf 400 Mrd. Dollar bis 1 Bill. Dollar bis zum Ende des Jahres 2020 geschätzt. Die in der Literatur publizierten Volumina weichen sehr voneinander ab, was nicht unerheblich den noch in der Entwicklung befindlichen Erscheinungsformen und Begriffsbestimmungen von Social Impact Investings geschuldet ist.Derzeit konzentrieren sich vor allem die Praxis (und in Anfängen auch die Forschung) auf Social Impact Bonds (SIBs). Sie sollen die Innovationskraft im Sozialbereich erhöhen, die Effizienz von Sozialleistungen steigern und deren größere Skalierbarkeit ermöglichen. Seit der Einführung des ersten SIB im Jahr 2010 im britischen Peterborough wurden weltweit 38 SIBs implementiert (Stand: März 2015). Der Fokus in der Zwecksetzung liegt dabei auf der Unterstützung von benachteiligten und bedürftigen Kindern und Jugendlichen sowie von Programmen zur Resozialisierung im Bereich der Strafjustiz. Geografisch entfällt mit 24 SIBs der größte Anteil auf Großbritannien, gefolgt von den USA mit sieben SIBs. Der Rest entfällt mit zwei SIBs auf Australien und je einem SIB auf Deutschland, Belgien, die Niederlande, Portugal und Kanada. Eigenschaften wie PPPEine Strukturanalyse von in der Praxis vorhandenen SIBs macht deutlich, dass hier keine klassischen Anleihen (Straight Bonds) vorliegen. Es handelt sich eher um Multi-Stakeholder Partnerships, denen häufig Eigenschaften von Public-Private Partnerships (PPPs) zu eigen sind. Durch die Finanzierung von vor allem präventiven Maßnahmen im Sozialbereich wird angestrebt, Folgekosten von sozialen Problemen in der Gesellschaft zu verringern oder gar zu vermeiden und Einsparungen im öffentlichen Sektor zu erzielen. Im internationalen Kontext der Entwicklungsfinanzierung werden SIBs als Development Impact Bonds (DIBs) bezeichnet. SIBs und DIBs zählen zur relativ neuen Gattung performancebasierter “Payment by Results”- oder “Pay for Success”-Anlageformen, bei denen Zahlungen an die Kapitalgeber erst bei Ergebnislieferung und Zielerreichung erfolgen. Die private Vorfinanzierung wird dann nach Durchführung der Interventionen abgelöst durch die Finanzmittelzuweisung einer Drittpartei (bisher meist einer staatlichen Stelle) an die Kapitalgeber. ErfolgsprämieDer Umfang der Kapitalrückzahlung und die Zahlung einer Erfolgsprämie ist abhängig vom erzielten Erfolg der Interventionen. Sobald die vereinbarte, messbare soziale Wirkung erreicht wird, erhält der Investor von der Regierungsbehörde sein eingesetztes Kapital inklusive einer Rendite zurück, andernfalls verliert der Investor seine Zinserträge (zumindest teilweise). Damit sind SIBs keine “echten” Anleihen, da sie keine feste, vertraglich zugesicherte Auszahlung aufweisen, sondern die Tilgung und Zinszahlungen immer abhängig von der erzielten und nachgewiesenen Wirkung des finanzierten Projekts sind. In diesem Sinne sind die Zahlungen aus einem SIB zustandsabhängig und weisen ein spezielles, an das finanzierte Projekt gekoppeltes Risiko auf. Durch die bedingte Zahlungsverpflichtung zum Beispiel einer Regierungsbehörde nur bei Zielerreichung können öffentliche Gelder vermehrt wirkungsorientiert für erfolgreich bewährte Programme eingesetzt werden. VertragsstrukturenMittels einer Analyse von 14 in der Praxis eingeführten SIBs lassen sich zwei übergeordnete Cluster identifizieren, innerhalb derer diverse Varianten eingeordnet werden können. Kennzeichnend für den ersten Clustertyp (SIB-Cluster mit SPV) ist die Einrichtung eines Special Purpose Vehicle (SPV) als Bindeglied einer Multi-Stakeholder-Partnerschaft im SIB. Das SPV ermöglicht die rechtliche, finanzielle und operationale Struktur des SIB. Über diese Zweckgesellschaft werden die Finanzmittel kanalisiert und an die Dienstleister zur Durchführung der vereinbarten Sozialinterventionen weitergereicht. Dabei werden Verträge zwischen dem SPV und einem oder mehreren Dienstleistern abgeschlossen. Das SPV schließt ferner mit einer Drittpartei (aus dem öffentlichen Sektor) einen erfolgsabhängigen Vertrag ab, wodurch diese sich verpflichtet, bei Erfüllung der festgelegten Ziele das eingesetzte Kapital sowie eine vereinbarte Rendite an die Zweckgesellschaft zu zahlen. Durch die Investition in das SPV erhalten die Investoren bei Erfolgseintritt die Rückzahlung ihres Kapitals.