Grüne Immobilien

Nachhaltigkeit braucht Investitionen

Auch in der Immobilienwirtschaft wird ESG immer wichtiger. Welche Rolle spielt dabei die EU-Taxonomie?

Nachhaltigkeit braucht Investitionen

Lassen sich Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung in einem kleinen Akronym verpacken? Ja, gewiss, und mit einer klaren Botschaft. Denn der Begriff „ESG“ steht hoch im Kurs, verbunden mit der drängenden Frage, wie sich die negativen Auswirkungen von Geschäftsmodellen auf Umwelt und Gesellschaft messen und positive Auswirkungen als Mehrwert abbilden lassen. In der Immobilienwirtschaft hat soeben erst eine dynamische Entwicklung begonnen, die besonders Investoren verstärkt auf den Plan ruft. Die Zeit dafür ist überfällig, spätestens seit die Europäische Union mit dem Green Deal klare Klimaziele formuliert hat. Mittlerweile gibt es sogar Regeln für einen fairen Wettbewerb und Kriterien für deren Umsetzung. Diese wird jedoch in jedem Fall Geld kosten.

Hebel für Dekarbonisierung

Immobilieninvestoren betrachten in diesem Kontext die Risiken und Chancen potenzieller Anlageobjekte besonders gründlich. Auch sie wollen in zukunftsorientierte Geschäftsmodelle und Technologien investieren. Aber möchten und können sie Abschläge bei Renditen in Kauf nehmen? In jedem Fall herrscht Bedarf an Aufklärung – besonders in der Immobilienbranche, die mit knapp 36% der Treibhausgasemissionen und 40% des Energieverbrauchs einen großen Hebel bei der Dekarbonisierung in der Hand hat.

An Kapital für eine Strategiewende würde es nicht mangeln. An geeigneten Ingenieuren, Handwerksbetrieben, Technologien sowie an verfügbaren alternativen Baumaterialien schon eher. Hinzu kommt, dass sowohl bei Neubauten als auch bei der Sanierung des Bestands viel genauer bilanziert wird, welche Mengen an CO2-Emissionen etwa bei der Herstellung der Baumaterialien und entlang der Prozesse zur Errichtung bzw. Sanierung freigesetzt werden. Es wird also nicht einfach für die Immobilienbranche.

 Aber selbstverständlich sucht das Kapital auch in der Immobilienbranche nach neuen und zukunftsweisenden Investitionsmöglichkeiten. Und das Interesse der Immobilieninvestoren wächst. Eine im Jahr 2021 durchgeführte JLL-Umfrage unter den großen deutschen gewerblichen Immobilieninvestoren zeigte eine deutliche Tendenz: 70% der Topentscheider bezeichnen den Stellenwert der ESG-Kriterien beim Kauf einer Immobilie mittlerweile als groß bis sehr groß. Zugleich ist die Investorenseite aber verunsichert. Und das zu Recht: Studien belegen, dass aktuell nur wenige Bestandsimmobilien den technischen Kriterien der EU-Taxonomie genügen.

Laut der neuen EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor müssen auch Fonds zukünftig umfassende Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken offenlegen. Im Falle einer Vermarktung als nachhaltiges Anlageprodukt gilt es, genaue Kriterien zur Strategie und gegebenenfalls zu den Auswirkungen nachzuweisen.

Mehr als eine Verordnung

 Immobilieninvestoren werden in Europa zukünftig mehrere Taxonomie-Verordnungen der EU als verbindliches Klassifizierungssystem berücksichtigen müssen. Denn zu den betroffenen Sektoren zählen auch die Bau- und Immobilienwirtschaft. Ab 2022 werden hierfür die definierten Evaluierungskriterien für den Neubau, für umfangreiche Sanierungen, für Einzelmaßnahmen zur Installation erneuerbarer Energien und für den Erwerb von Bestandsgebäuden greifen.

Und dies ist erst der Anfang. Die aktuelle Taxonomie-Verordnung der EU ist nur auf zwei von insgesamt sechs Umweltzielen ausgerichtet: den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Eigene Taxonomie-Verordnungen und technische Evaluierungskriterien zu den anderen Zielen werden in absehbarer Zeit folgen.

Hinzu kommen von der EU bereits angekündigte Sozialtaxonomien, die für die Immobilienbranche sensible Themen wie beispielsweise die Sozialverträglichkeit und faire Umverteilung von Kosten für klima- und umweltschonende Maßnahmen enthalten werden. Darüber hinaus hat die EU den Entwurf einer Richtlinie für Sustainable Corporate Governance vorgelegt, die ebenfalls im Kontext des European Green Deals entwickelt wurde und diverse zusätzliche Transparenz- und Überwachungspflichten und somit mehr Aufwand für Unternehmen bedeuten wird. Als grundlegendes Ziel wird eine langfristig nachhaltige Wertschöpfung, statt kurzfristiger Gewinnmaximierung in der Richtlinie für Sustainable Corporate Governance gefordert.  

Langfristige Nachhaltigkeit

Immobilieninvestoren müssen unter den neuen Rahmenbedingungen zukünftig noch gründlichere Chancen-Risiken-Analysen durchführen als zuvor. Die Auswahl geeigneter und Taxonomie-konformer Assets wird anfangs gering sein. Dieses knappe Angebot wird zu steigenden Preisen führen, zugleich werden aber auch die Renditen bei nachhaltigen Immobilien sinken, denn auch die Kosten für Neubauten und Sanierungen werden steigen, genauso wie der administrative Aufwand für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken. Nicht konforme Immobilien, deren Bewirtschaftung große Mengen CO2 freisetzen, werden zukünftig als „Underperformer“ sanktioniert – entweder durch den Mieter oder den Gesetzgeber. Investoren werden Immobilien meiden, die nicht den Standards entsprechen. Oder sie werden sich gerade auf diese Immobilien fokussieren, um sie in eine nachhaltige Dimension zu überführen. Hierfür ist vor allem ESG- und Technikkompetenz gefragt. Zugleich werden die Preise für Baumaterialien steigen: bei alternativen Materialien aufgrund von hoher Nachfrage und Verknappung; bei konventionellen und nicht recycelbaren Baustoffen aufgrund von eingepreisten CO2-Emis­sionen und sonstigen Schadstoffumlagen.

Zugleich wächst die Nachfrage für Umwelt-, Sozial- und Governance- sowie Nachhaltigkeitsfonds. Druck hierfür kommt auch von Seiten der Vertriebsgesellschaften und von Fondskäufern, die gegenüber Vermögensverwaltern immer deutlicher formulieren, dass sie in Zukunft nur noch Fonds der entsprechenden Kategorien in Betracht ziehen werden.

Alles mobilisieren

Die Perspektive ist eindeutig: Der Green Deal muss bezahlt werden. Um die gesteckten Klima- und Energieziele bis 2030 zu erreichen, rechnet die Kommission mit zusätzlichen Investitionen in Höhe von 260 Mrd. Euro, was etwa 1,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2018 entspricht. Um diesen Investitionsstrom aufrechtzuerhalten, müssen in den kommenden Jahren sowohl der öffentliche als auch der private Sektor mobilisiert werden.

Zusätzliche Kosten werden somit auch in allen Bereichen der Immobilie entstehen und umgelegt, die Kaufpreise nachhaltiger Gebäude steigen. In den Immobilienbestand muss verstärkt investiert werden. Der Druck auf die Renditen wird damit steigen, was durch weitere Taxonomie-Verordnungen verstärkt wird. Innovationen sind dringend notwendig, um die nachhaltigen Entwicklungsziele sowie Kapitalflüsse zu erreichen. Entscheidend ist dabei, dass sich Immobilienunternehmen der Herausforderung frühzeitig stellen, um entsprechende Strategien zu entwickeln oder sich dahingehend beraten zu lassen. Denn angesichts der politischen, gesetzlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ist ein guter Überblick entscheidend, um die Potenziale zu nutzen.

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