Neuer Taxonomie-Kompromiss

EU-Unterhändler finden Lösung für Umgang mit Atomkraft und Gas - Auch Frankreich lenkt ein

Neuer Taxonomie-Kompromiss

Der Weg für ein EU-Klassifizierungssystem für grüne Investments ist endgültig frei. Nachdem ein erster Kompromiss der EU-Gesetzgeber noch am Widerstand der atomfreundlichen Länder zu scheitern drohte, konnten einige kleinere Änderungen im Taxonomie-Text nun auch Frankreich überzeugen. ahe Brüssel – Der vor knapp zwei Wochen gefundene Kompromiss der EU-Gesetzgeber für ein Klassifizierungssystem grüner Investitionen (Taxonomie) wird noch einmal verändert. Unterhändler von EU-Parlament und den EU-Mitgliedstaaten verständigten sich auf Anpassungen, nachdem der bisherige Kompromiss in einigen Mitgliedstaaten auf scharfe Kritik gestoßen war – insbesondere sein Umgang mit den beiden Stromerzeugungsarten Atomkraft und Gas. Nachdem im Zuge der Nachverhandlungen nun insbesondere Frankreich eingelenkt hatte, wurde in den Mitgliedstaaten die erforderliche qualifizierte Mehrheit gefunden, was auch eine neue Verständigung mit dem EU-Parlament möglich machte.Atomkraft und Gas wurden nun aus der Kategorie “rein grüne Produkte” ausgeschlossen, prinzipiell aber nicht von anderen, weniger strikten Kategorien des neuen Klassifizierungssystems, wie der liberale Vorsitzende des Parlaments-Umweltausschusses, Pascal Canfin, mitteilte. Atom und Gas müssten aber den für alle Anlageformen geltenden Test bestehen, dass sie keine erheblichen Schäden für die Umwelt anrichteten. Kohle und andere feste Brennstoffe werden in dem System als nicht nachhaltig eingestuft.Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold sieht im neuen Kompromiss, über den in den vergangenen Tagen zwischen Rat und Parlament noch hart gerungen wurde, lediglich “symbolische Änderungen”, die auch den Atomkraft-freundlichen Mitgliedstaaten eine Zustimmung erlaubt hätten, vor allem Frankreich. “An der Substanz ändert sich aber nichts, denn die Hürden für Atomkraft in der technischen Analyse der Kommission bleiben weiter so hoch, dass Atomkraft wohl nie den Weg in ein nachhaltiges Finanzprodukt finden wird”, so Giegold. Weiter nicht an Bord ist Österreich, das sich einen schärferen Anti-Atomkurs gewünscht hatte, sowie einige atomfreundliche osteuropäische Staaten. Sie wurden allerdings im Rat überstimmt.Werden aktuelle Pläne der EU umgesetzt, müssen künftig alle Finanzprodukte, die eine ökologische Nachhaltigkeit versprechen, wesentliche Informationen offenlegen. Der Berichterstatter der Grünen für die Taxonomie im EU-Parlament, Bas Eickhout, betonte, der nun gefundene Kompromiss zeige der EU und dem Rest der Welt, in welche Richtung Investitionen getätigt werden sollten. “Finanzprodukte müssen ihre Nachhaltigkeit nach strengen EU-Kriterien unter Beweis stellen. Sie werden die Märkte ermutigen, nachhaltige Investitionen zum Mainstream zu machen.” Finanzprodukte ohne Nachhaltigkeitsanspruch müssen künftig einen Disclaimer aufnehmen, um klarzustellen, dass ihre Anlagen nicht auf Nachhaltigkeitseffekte geprüft werden.Unterschieden wird in der Taxonomie zwischen bereits vollständig nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten und solchen, die einen Übergang unterstützen oder es anderen Branchen ermöglichen, nachhaltig zu werden. Diese Kategorien müssen bei Finanzprodukten im Zuge der Offenlegung künftig identifiziert und separat angegeben werden. Nach Angaben von Eickhout soll die EU-Kommission bis Ende 2021 eine Klassifizierung von Wirtschaftstätigkeiten ausarbeiten, die der Umwelt erheblich schaden. Angst vor BürokratiemonsterKritisch sieht der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber den nun gefunden Kompromiss: Die Einigung gehe an vielen Stellen ausgesprochen weit und stelle einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. “Wir brauchen zwar einen klaren europäischen Rahmen, um zu verhindern, dass es zu einem Wildwuchs an konkurrierenden Standards kommt. Wir brauchen aber keinen planwirtschaftlichen Ansatz, um die Finanzströme der Wirtschaft zu lenken.”Ferber hält es für einen “Irrglauben”, dass die Reduktion von Treibhausgasen über die Finanzwirtschaft gelenkt werden kann. “Die Taxonomie ist am äußersten Rande dessen, was man noch guten Gewissens mittragen kann.” Bei der weiteren Ausgestaltung der technischen Kriterien gelte es nun sehr genau aufzupassen, “dass wir kein neues Bürokratiemonster schaffen”.