Regulierung

Nicht nur Banken sollen ESG-Daten sammeln müssen

Die Debatte um die Verfügbarkeit von ESG-Daten schaukelt sich hoch: Das Einsammeln der Daten soll nicht allein Banken aufgebürdet werden, heißt es in einer Studie von FIRM und Technischer Universität München.  

Nicht nur Banken sollen ESG-Daten sammeln müssen

bn Frankfur

t – Das Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) und die Technische Universität München machen sich für einheitliche Regulierungsstandards zur Publikation von ESG-Daten stark, welche über den Finanzsektor hinausgehen. „Das Einsammeln der Daten von Schuldnern sollte nicht allein die Aufgabe von Finanzinstituten sein, um zu verhindern, dass Institute mit ambitionierten ESG-Zielen Marktanteile verlieren“, heißt es in einer Studie, die am heutigen Dienstag auf der Euro Finance Week zur Präsentation ansteht. Insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen (SME) bleibe das Problem der Verfügbarkeit von Daten relevant, da diese Firmen vergleichsweise niedrigeren Publikationspflichten unterlägen, heißt es. Der Übergang zu einem kohlenstofffreien Weltwirtschaftssystem sei aber eine sektor- und grenzüberschreitende Aufgabe, die adäquate politische Rahmenwerke sowie wettbewerbsneutrale Maßnahmen erfordere, schreiben die Autoren in ihrer gut 50-seitigen Ausarbeitung.

Die Verfügbarkeit von Schuldnerdaten müsse ohnehin „deutlich erhöht“ werden, und zwar sowohl in der Breite, etwa im Falle von SME, als auch in der Tiefe. So seien nicht nur der momentane CO2-Ausstoß, sondern auch die jeweiligen Zielwerte eines Unternehmens zu erheben, heißt es.

Das Papier wirft abermals ein Licht auf die Probleme, vor welchen gerade kleinere Banken bei der Analyse ihrer Forderungsportfolien unter Kriterien der Nachhaltigkeit stehen. Vor wenigen Tagen hatte Astrid Herrmann, Head of CSR and Sustainable Finance bei der als Vorreiterin in Sachen ESG geltenden Evangelischen Bank, der Börsen-Zeitung gesagt: „Die Qualität der Daten war und ist schwierig, und wir müssen auch lernen, wie deren systematische Erfassung stattfinden kann.“

Sorge vor Überforderung

Konkret liefen die europa- und bundesweiten Vorgaben darauf hinaus, dass der Bankberater in die Kloschüssel eines Kunden schauen müsse, um sicherzustellen, dass die mit einer Baufinanzierung angeschafften Rohre den Vorgaben zum Wasserverbrauch genügten, erklärte jüngst ein hoher Vertreter aus dem Sparkassenlager. Dort hofft man nun, solche Informationen künftig bereits im Zuge des Kreditantrags von Schuldnern einholen zu können oder dass Anbieter ihre Produkte von vorneherein als vereinbar mit den ESG-Vorgaben vermarkten werden.

Zwar will die EU neben den Banken auch deren Kunden in die Pflicht nehmen. So tritt 2024 die Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft, welche die Zahl der zu detaillierten ESG-Angaben verpflichteten Unternehmen bundesweit von 600 auf 15000 erhöhen wird. Dies wiederum löst Sorgen aus, dass anstelle der Banken deren Kunden überfordert werden.  

Anhand der Daten von 404 Emittenten aus dem Stoxx Europe600 zeigen die Forscher der TU München in ihrer Studie auf, wie stark sich transitorische Klimarisiken auf die Bewertung der Aktiva und Aus­fallwahrscheinlichkeiten von Un­ternehmen auswirken. Dazu simulierten sie die Einführung einer Steuer von 50 bis 100 Dollar für jede Tonne CO2-Äquivalent aus Eigen­emissionen gemäß vier Szenarien, die nach Preis, Tempo der Einführung sowie der Möglichkeit, die Steuer weiterzugeben, variieren. Die Assets der CO2-intensivsten Sektoren würden demnach um 15 bis 36% abwerten. Dies würde die Ausfallwahrscheinlichkeit der an diese Gesellschaften ver­gebenen Kredite auf bis zu 5 bis 34%, etwa im Reise- und Freizeitsektor, steigen lassen. Angenommen, die Mitglieder des Stoxx Europe 600 seien repräsentativ für die Kundenstruktur einer europäischen Bank, wäre eine Verkürzung der Eigenkapitalquoten um 1,2 bis 1,6 Prozentpunkte die Folge, heißt es. Dabei wären mit den Unternehmenskrediten gerade einmal 36% der Risikoaktiva der Bank analysiert.

In einem anderen Ansatz fanden die drei wesentlichen Klimaszenarios des Network for Greening the Financial System (NGFS) auf die langfristigen Ausfallwahrscheinlichkeiten von 17 Wirtschaftssektoren Anwendung. Für die am stärksten betroffenen Sektoren­, etwa Versorger und Klimaanlagenausrüstung, steigen die Ausfallwahrscheinlichkeiten gegenüber dem Basisszenario demnach zwischen 2020 und 2050 um 60% bis 1000% an (siehe Grafik).

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