Öffentliche Banken bieten Recht auf Homeoffice
lee Frankfurt
Die rund 60 000 Beschäftigten der öffentlichen Banken sollen künftig bis zu 40% ihrer Arbeitszeit außerhalb des Büros ableisten können. Das ist die vielleicht einschneidendste Änderung des Manteltarifvertrags, auf die sich der Arbeitgeberverband in der sechsten Verhandlungsrunde mit den Gewerkschaften verständigte. Der Arbeitgeberverband VÖB und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zeigten sich hochzufrieden mit dem Ergebnis, die kleinere DBV sprach von einem „akzeptablen Ergebnis“.
Wie aus der VÖB-Mitteilung hervorgeht, umfasst der vereinbarte Gehaltsabschluss im Jahr 2022 eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 750 Euro, eine weitere Einmalzahlung über 300 Euro. Zum 1. Juli sollen die Tarifgehälter um 3,0 % steigen, ein Jahr später folgt eine weitere Erhöhung um 2,2 %. Dann haben die Arbeitgeber erstmal Ruhe vor weiteren Forderungen der Tarifpartner – die mit 35 Monaten festgelegte Laufzeit des Gehaltstarifvertrags endet am 31. Mai 2024. Sollte sich die Inflation weiterhin so rasant entwickeln wie zuletzt, müssen sich die Beschäftigten der Landes- und Förderbanken, der DekaBank sowie einiger Sparkassen also auf real sinkende Löhne einstellen.
Dafür bietet ihnen der überarbeitete Manteltarifvertrag nicht nur mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts, sondern auch mehr Freizeit. Ab Januar 2024 verkürzt sich die Wochenarbeitszeit um 1 auf 38 Stunden. Reformiert wird den Angaben zufolge auch das Recht zur Gehaltsumwandlung. Bislang ist dies für die Beschäftigten des öffentlichen Bankgewerbes wie in vielen anderen Branchen ausschließlich möglich, um für das Alter vorzusorgen. Künftig sieht das Tarifwerk diese Möglichkeit auch zum Zweck der Förderung der nachhaltigen Mobilität vor, etwa für die Leasingraten für ein Elektroauto oder ein E-Bike.
Ein weiteres Novum des Manteltarifvertrags ist die Möglichkeit, die Arbeitszeit temporär zu senken, um in Krisenzeiten den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern. Gunar Feth, der die Verhandlungen für die Arbeitgeberseite führte, strich heraus, dass die Einigung den Instituten erlaube, mit langfristiger Planungssicherheit nachhaltig zu wirtschaften und Arbeitsplätze zu sichern. Die erste Resonanz der Mitgliedsinstitute sei positiv gewesen, ergänzte er in einem virtuellen Pressegespräch. Nun gelte es, die bereits begonnenen Arbeiten an der Entgeltstrukturreform fortzusetzen. Seine ursprüngliche Forderung, den Tarifvertrag und die Entgeltstruktur im Paket zu verhandeln, war am Widerstand von Verdi gescheitert.
VÖB-Geschäftsführer Dominik Lamminger zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung, die Tarifverhandlung erstmals seit 1972 eigenständig zu führen statt in Tarifgemeinschaft mit dem Arbeitgeberverband der privaten Banken (AGV Banken). „ Es hat sich bewährt, dass wir als Arbeitgeberverband von Anfang an auf einen offenen und konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit Verdi und DBV gesetzt haben“, betonte er. Dieser Stil werde die Arbeit des VÖB auch künftig prägen.
Auch bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist der in zahlreichen Warnstreiks und Kundgebungen zum Ausdruck gekommene Streit der vergangenen Monate vergessen. Der VÖB sei tatsächlich an einer echten Modernisierung interessiert gewesen, lobte Verhandlungsführer Stefan Wittmann. Zum Ausdruck komme dies auch in Details, etwa dass die Möglichkeit der Freistellung von der Arbeit beim Tod des Ehepartners in der reformierten Fassung des Manteltarifvertrags auf alle anderen Formen der Lebenspartnerschaften ausgeweitet wurde.
„Das Ergebnis ist ordentlich und hart erkämpft und kann sich vor dem Hintergrund der Pandemie und der schwierigen Lage in Europa, verursacht durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, mehr als sehen lassen“, sagte Verdi-Bundesvorstand Christoph Schmitz. Nachdem bereits in der vergangenen Woche ein Abschluss für die Beschäftigen der Postbank erzielt wurde, steigt nun der Druck auf den AGV Banken, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.