IM INTERVIEW: UWE FRÖHLICH

"Offensichtlich etwas schiefgelaufen"

Der BVR-Präsident über den zunehmenden äußeren Druck zu Fusionen durch Niedrigzinspolitik und Regulierung sowie notwendige Ausnahmen für kleine Banken

"Offensichtlich etwas schiefgelaufen"

Bei den Genossenschaftsbanken nimmt das Fusionstempo rasant zu. Welche Faktoren Institute zur Hochzeit zwingen, verrät Uwe Fröhlich, seit 2008 amtierender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Fröhlich, Sie haben unlängst die Genossenschaftsbanken als die am besten aufgestellte Bankengruppe in Deutschland bezeichnet, um mit den widrigen geldpolitischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie dem digitalen Wandel zurechtzukommen. Was macht Ihre Banken besser als die anderen?Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine gut aufgestellte dezentral organisierte Bankengruppe im deutschen Markt erfolgreicher ist als eine zentral gesteuerte Konzernstruktur. Zudem sind wir mit der Fusion der Rechenzentralen und dem gegenwärtigen Zusammengehen der beiden Zentralbanken DZ Bank und WGZ Bank sehr gut unterwegs, um unsere Verbundgruppe hocheffizient und leistungsstark aufzustellen. Der Markterfolg der letzten Jahre ermuntert uns, diesen Weg weiterzugehen. Damit fühlen wir uns für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen gut aufgestellt, ohne die Mitbewerber unterschätzen zu wollen.- Ihre Ortsbanken rechnen für das laufende Jahr damit, wie im Vorjahr den Gewinn kumuliert bei rund 2 Mrd. Euro halten zu können. Hat das erste Quartal diese Erwartung bestätigt?Ja, wir wachsen weiter stärker als der Wettbewerb. Die Firmenkredite wuchsen binnen Jahresfrist um 5,2 %, der Markt im Schnitt dagegen nur um 1,8 %. Bei den Privatkrediten waren es 4,8 % gegenüber 3,3 %.- Doch all dies wird nicht reichen, um das Überleben aller heutigen Volks- und Raiffeisenbanken zu sichern. Bis zu 50 Fusionen soll es dieses Jahr geben, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Damit sinkt die Zahl erstmals unter 1 000 Institute. In immer weniger Orten vor allem auf dem Land wird es Zweigstellen geben. Ist das wirklich unabwendbar?Dafür muss man sich zunächst einmal die Frage stellen, was sind die Gründe für zahlreiche Fusionen? Es ist in erster Linie die Niedrigzinspolitik der EZB, die das Geschäft aller Banken im Kern angreift. Diesen Kurs der Notenbank kritisiere ich mit Nachdruck. Banken, die über viele Jahrzehnte nachhaltig erfolgreich sind und zufriedene Kunden haben, geraten ohne eigenes Verschulden unter Druck. Gerade Institute mit einem starken Einlagenüberhang wie wir, für den wir mittlerweile bei der EZB einen Negativzins bezahlen müssen, werden zu grundsätzlichen strategischen Veränderungen gezwungen. Die Niedrigzinspolitik ist Gift für das Geschäftsmodell von Banken, Sparkassen, Versicherungen, Pensionsfonds und Stiftungen. Sie ist auch Gift für die Altersvorsorge von uns allen!- Dann noch die Regulierung.Das ist der zweite Treiber des Fusionstrends. Die Regulatoren machen sich viel zu spät unter dem Stichwort “Small Banking Box” Gedanken darüber, dass man kleineren und mittelgroßen Kreditinstituten nicht die gleichen Regeln und Lasten aufnötigen kann wie den großen Adressen. Die bankaufsichtsrechtlichen Regeln müssen doch proportional zu den Geschäftsmodellen formuliert werden! Wenn Banken aus regulatorischer Überlastung ihr Heil in Zusammenschlüssen suchen müssen, dann ist doch offensichtlich etwas schiefgelaufen. Schließlich haben gerade die kleinen und mittleren Häuser nicht zur Krise beigetragen.- Dazu kommt der digitale Wandel.Das macht mir weit weniger Sorge als der niedrige Zins und die Regulierung. Diese Herausforderung können wir über verbundweite Großprojekte aus eigener Kraft in den Griff bekommen. Ziel ist es, schnell Lösungen bereitzustellen, die in der digitalen Welt dem veränderten Kundenverhalten gerecht werden. Wir wollen unser genossenschaftliches Geschäftsmodell auch mit der nächsten Kundengeneration weiterentwickeln. Wichtig ist daher der Aufbau einer Omnikanalumgebung, in der der Kunde die Zugangswege zu Beratung und Finanzdienstleistungen selbst bestimmt und dennoch die Einzigartigkeit der genossenschaftlichen Finanzgruppe an allen Kundenkontaktpunkten positiv erlebt.- Wie viel investiert Ihre Gruppe?Wir profilieren uns extern nicht gern mit Investitionsprogrammen. Unsere IT-Aufwendungen in der Gruppe stehen in großen Teilen unter der Maßgabe, die digitale Kompetenz unserer Organisation auszubauen.- Was ist der Grundpfeiler der digitalen Strategie?Es geht um eine Omnikanalstrategie, in der die Ortsbank weiterhin die entscheidende Rolle spielt. Wir bauen keine anonyme Direktbank. Der Unterschied zum Wettbewerb ist die Qualifikation unserer Mitarbeiter vor Ort ergänzt um den Komfort der digitalen Zugangswege vieler digitaler Helferlein.- Angesichts des beschleunigten Fusionstrends – was ist für Ihre Gruppe die wichtigste Herausforderung?Die regionale Verzahnung und Anbindung an das wirtschaftliche Umfeld vor Ort weiterhin so zu gestalten, dass es auch bei veränderten betriebswirtschaftlichen Größen gelingt, unseren erfolgreichen Kurs fortzusetzen. Wir dürfen uns eben nicht zu einer anonymen, zentral organisierten Organisation entwickeln, sondern wollen die genossenschaftlichen Elemente der Nähe zum Kunden, der Mitgliedschaft und der Einbindung der Menschen vor Ort aufrechterhalten.- Zumindest in Sachen Regulierung ist eine Wende zum Besseren am Horizont erkennbar. Die bisherigen Vorgaben sollen in Brüssel erst einmal evaluiert werden, Erleichterungen sind möglich. Auch ist das Verständnis für kleinere Banken gewachsen, was Ausnahmen denkbar macht.Natürlich ist das Licht am Horizont. Aber die Belastungen durch die Regulatorik sind heute da. Sie kommen aus dem Meldewesen, aus dem Verbraucherschutz oder den Anforderungen an das Eigenkapital und die Liquidität. Manch kleineres Institut wäre froh, wenn es etwas mehr Eigenkapital vorhalten müsste, aber dafür befreit wäre von der Vielzahl an Meldungen oder Detailaktivitäten für die Aufsicht. Im Rahmen der Initiative “Small Banking Box” soll gezielt geprüft werden, wo man kleineren Banken Erleichterungen gewähren kann. Das ist sehr begrüßenswert.- Reicht das?Wenn ich mir anschaue, was uns aktuell und zukünftig beschäftigt – zum Beispiel die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, Anacredit oder Mifid II – dann müssen alle dringend in die operativen Themen eingreifen, um Erleichterungen für Banken kleinerer und mittlerer Größenordnung zu schaffen. Hier können die Kommission, Zentralbanken und der Gesetzgeber unmittelbar zeigen, ob sie es ernst meinen.- Wer bereitet Ihnen denn mehr Verdruss: die Kommission oder die untergeordneten EU-Behörden, also Bankenaufsicht EBA und Wertpapieraufsicht ESMA?Beide wirken zusammen. Die European Supervisory Agencies (ESA) sind oft ganz weit weg von Grundsätzen der Proportionalität und Risikoorientierung. Wir hadern häufig mit der Ausgestaltung technischer Standards regulatorischer Vorgaben. Kommission und EZB müssen viel intensiver darauf achten, dass EBA oder ESMA in dieser Hinsicht kein Eigenleben entwickeln. Es darf nicht über die technische Umsetzung etwas angeschärft werden, das vorher im politischen Raum bewusst anders definiert wurde. Aber nicht nur Kommission und ESA bereiten uns Verdruss. Aus Sicht der betroffenen Banken lösen Bundesbank, BaFin und der Baseler Ausschuss zusätzliche Aufwände aus, die nicht immer abgestimmt erscheinen.- Braucht es weniger Aufsichtsbehörden?Es muss zumindest intensiver abgestimmt und zusammengearbeitet werden. Das Ziel und die Vorgehensweise müssen gemeinsam festgelegt werden, damit die Parallelität der Regelungen aufhört. Es sollte auch nicht passieren, dass EZB-Vorgaben national nachgeschärft werden. Dies zeigt sich zum Beispiel beim SREP-Prozess, dem Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process) der Aufsicht. Die BaFin prescht voran und überlegt sich aktuell für die nicht systemrelevanten Institute, wie man unter anderem potenzielle Zinsänderungsrisiken auch in der Säule 1 gesondert betrachtet, und vergibt individuelle Kapitalvorgaben, die im europäischen Vergleich so noch nicht umgesetzt sind.- Entsteht durch den SREP-Prozess bei den Ortsbanken ein hoher Aufwand?Immerhin sollen keine zusätzlichen Daten erhoben werden. Die BaFin berechnet und startet diesen Prozess auf Basis bereits vorhandener Informationen. Für die nicht systemrelevanten Geldhäuser ist dieser Prozess aber neu. Da wissen wir nicht, was am Ende rauskommen wird.- Wie weit ist der Prozess?Die BaFin befindet sich noch in der internen Diskussion und bereitet mit viel Akribie Rechenmodelle vor. Diese sind für uns noch nicht hundertprozentig nachvollziehbar. Die Ergebnisse werden Auswirkungen haben hinsichtlich der Freiräume bei der Kreditvergabe, Kapitalquoten und Wachstumsraten der Zukunft.- Wieso nicht nachvollziehbar?Die Frage ist, in welcher Höhe und mit welcher Methode berechnet man Zinsänderungsrisiken. Ein zweiter Punkt dabei ist, ob auch die stillen Reserven der Bank berücksichtigt werden. Das angenommene Risikomodell bestimmt, wie viel Eigenkapital für hypothetische Krisenszenarien vorgehalten werden muss. Daher bitte ich die BaFin um Augenmaß.- Droht durch den SREP-Prozess bei den Ortsbanken und dem dahinterliegenden europäischen Standardansatz nicht eigentlich die EZB-Aufsicht durch die Hintertür?Es handelt sich um eine standardisierte Betrachtung, Risiken rechtzeitig zu erkennen und den Aufsichtsprozess in der Eurozone durchgängig zu machen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wichtig ist, dass nicht überzogen wird und dass es keinen Wettbewerb der nationalen Aufseher gibt. Kritisch ist in unseren Augen, dass die BaFin den anderen nationalen Aufsehern vorausläuft. Damit wird gegebenenfalls ein Prozess etabliert, der möglicherweise anders aussieht, wenn die anderen Länder damit beginnen und eine Harmonisierung untereinander stattfindet.- Befürchten Sie, dass durch das Vorpreschen der BaFin die deutschen Banken mehr Kapital vorhalten müssen als die anderen europäischen nicht systemrelevanten Adressen?Ich habe durch die bisherigen Erfahrungen mit der BaFin ein gewisses Vertrauen, dass sie konstruktiv positiv wirken wird.- Ist wenigstens ein Ende in Sicht beim Reigen immer neuer Kapitalanforderungen?Der Baseler Ausschuss und die EZB geben als Mantra der derzeitigen Überarbeitung von Basel III vor, dass sich das Kapitalniveau insgesamt nicht signifikant erhöhen soll.- Basel III wird in der Bankenbranche mitunter als Basel IV bezeichnet, weil sich weitreichende Änderungen andeuten. Wo sehen Sie für die Genossenschaftsbanken die größte Herausforderung?Da sind zunächst die geplanten Änderungen bei der Definition des Mengengeschäfts im Kreditrisikostandardansatz (KSA). Dabei geht es um die Definition, was noch ein Retailkredit ist. Hierfür soll es ein quantitatives Granularitätskriterium geben. Kein Kredit des Retailportfolios darf größer sein als 0,5 % desselben. Bedenkt man die zulässige Obergrenze für Retailkredite von 1 Mill. Euro, muss ein Institut, wenn es dieses Volumen ausschöpfen will, mindestens ein Portfolio von 500 Mill. Euro haben. Solche Dimensionen finden sich aber gerade bei kleineren Instituten kaum. Damit würden kleinere Institute benachteiligt. Denn damit müsste es mehr Eigenkapital für einen Kredit hinterlegen, weil er hier nicht mehr als Retail gilt, bei dem größeren Geldhaus aber doch. Unter Umständen also auch eine wettbewerbsverzerrende Regelung.- Was zeichnet sich noch ab?Die Frage, wie Immobilienkredite künftig mit Eigenkapital zu hinterlegen sind. Da gibt es Überlegungen, den Verkehrswert als Basis zu nehmen, wie in anderen Ländern Europas üblich, und nicht mehr den Beleihungswert wie in Deutschland. Das halten wir für falsch, weil dies das Verhältnis der Kredithöhe zum Wert der Immobilie bestimmt und somit für größere Risiken sorgen könnte, zumal der Verkehrswert stark schwankt. Der Beleihungswert ist niedriger und damit konservativer als der Verkehrswert, macht nicht jede Schwankung dieses Werts mit und ist damit ein risikoärmerer Maßstab bei der Kreditberechnung.- Die EZB hat ihre Pläne, ein umfassendes Kreditregister namens Anacredit aufzubauen, zuletzt relativiert.Es ist uns gelungen, die EZB ein Stück weit für unsere Sicht der Dinge zu gewinnen, die Erleichterungen gehen jedoch nicht weit genug. Der Starttermin wurde um sechs Monate auf den September 2018 verschoben, und sechs Meldeattribute wurden gestrichen. Die gesonderte Meldeschwelle für notleidende Kredite von 100 Euro entfällt. Die ursprünglich geplante Einbeziehung von Privatkrediten ist allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben.- Also zeichnet sich ein gangbarer Weg für die Branche ab.Nach letztem Stand leider nicht. Man darf Anacredit nicht singulär betrachten. Parallel plant das Bundesfinanzministerium, eine Empfehlung unseres nationalen Ausschusses für Finanzstabilität – hier spielt die Bundesbank eine maßgebliche Rolle – umzusetzen. Danach soll die Datenlücke bei Wohnimmobilienkrediten in Deutschland geschlossen werden. Damit wird genau das vollzogen, was die EZB zurückgestellt hat, und wir hätten drei Kreditmeldeverfahren. Denn das bestehende Millionenkreditmeldewesen bleibt uns auch erhalten. Aus unserer Sicht sollte die Bundesbank bei der Umsetzung von Anacredit in Deutschland jetzt ihren Gestaltungsspielraum nutzen und kleine Banken weitestgehend verschonen.- In Brüssel gibt es lautstarke Befürworter einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung als weitere Säule der Bankenunion. Sie sind dagegen, weil damit der deutsche Sparer für die Fehler südeuropäischer Banken aufkommen müsste. Ketzerisch gefragt: Gibt es einen vorstellbaren Kompromiss für Sie, dass eine gemeinsame Haftung für Sie doch in Frage kommt?Nein. In der Deutschen Kreditwirtschaft sind wir geschlossen dagegen, auch die Privatbanken. Auch die Mittelstandsverbände stehen an unserer Seite. Neben dem ordnungspolitischen Argument, Haftung und Kontrolle nicht auseinanderzuziehen, kommt hinzu, dass nicht alle Länder ihre Einlagensicherung auf Vordermann gebracht haben, um die geltende europäische Richtlinie umzusetzen. Und es gibt weitere Unterschiede zwischen Deutschland und anderen Ländern. Frankreich etwa muss im Einlagensicherungsfonds nur 0,5 % der gedeckten Einlagen vorhalten im Jahr 2024, wir Deutschen 0,8 %. Das alles macht unseren Widerstand nur noch engagierter.- Wie stehen die Chancen?Zunehmend wächst in Brüssel der Zweifel, ob über eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung überhaupt mehrheitlich nach Artikel 114 der Verträge über die Zusammenarbeit in der EU entschieden werden kann oder ob es eines einstimmigen Beschlusses bedarf. Das muss juristisch sauber geklärt werden. Aber vieles deutet darauf hin, dass man einstimmig entscheiden müsste – und wenn Deutschland dagegen ist, geht das eben nicht. Wir glauben, die Haftungsgemeinschaft noch abwenden zu können, denn diese widerspricht unserem Verständnis von Ordnungspolitik und von solidem Wirtschaften. Die Einlagensicherung muss auch künftig auf Eigenverantwortung aufgebaut sein.- Die deutschen Genossenschaftsbanken stehen bei allen Herausforderungen recht ordentlich da. Der Blick nach Europa zeigt: In Italien kämpfen die Volksbanken mit großen Problemen und planen Notfusionen. Aus Österreich gab es negative Schlagzeilen. In Frankreich und den Niederlanden gibt es einschneidende strukturelle Veränderungen.Die genossenschaftlichen Strukturen in den einzelnen Ländern sind sehr heterogen. Die Franzosen zum Beispiel haben seit Jahren sehr stark zentrale Strukturen gebildet und sind eng mit den dortigen Sparkassen verkoppelt. Dahinter steckt zwar eine genossenschaftliche Grundidee, aber eben auch ein großer Bankkonzern. In Italien hat man in Teilen auch den Fehler gemacht, sich von der regionalen Anbindung zu lösen und sich hin zu kapitalmarktorientierten riskanteren Einheiten zu entwickeln. Aber die Situation dort hängt ohne Frage auch mit der schlechten wirtschaftlichen Lage Italiens zusammen. In den Niederlanden wiederum hat sich über einen mehrjährigen Zwischenschritt aus der Gruppe der ehemals selbständigen Rabobanken ebenfalls ein großer Bankkonzern entwickelt – es gibt eben sehr unterschiedliche Strukturen in Europa.- Aber?Wir glauben, dass wir im europäischen Vergleich eine gute und effiziente Aufstellung gefunden haben, die sich über Jahrzehnte bewährt hat und uns auch in die Zukunft tragen wird. Nämlich die Zusammenarbeit selbständiger und leistungsfähiger Genossenschaftsbanken vor Ort mit starken zentralen Dienstleistern. Ich sehe es daher auch als große Auszeichnung für unsere Organisation an, dass mein Vorstandskollege Gerhard Hofmann gerade zum Präsidenten der Europäischen Vereinigung der Genossenschaftsbanken (EACB) gewählt wurde. Dies bestätigt, dass die Umsetzung des Genossenschaftsgedankens in Deutschland international sehr anerkannt ist.- Eine Frage zur Zukunft der EU: Gilt für Sie frei nach Heinrich Heine: “Denk ich an Europa in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht?”Tatsächlich mache ich mir Sorgen. Es liegt eine Menge Sprengkraft im politischen Gesinnungswandel vieler Nationen in ihrer Einstellung zu Europa. Und ganz aktuell die Frage: Wird es den Brexit geben? Dies bedroht insbesondere die Wirtschaft in Europa. Grundsätzlich vermisse ich Entwürfe der Politik dazu, wie es gelingen kann, Europa als Gemeinschaft zusammenzuhalten. Hierzu gehört in der breiten Bevölkerung der Wille, dies auch als hohen Wert zu betrachten. Europa darf aus Sicht seiner Mitgliedstaaten keine Paybox sein, in der jeder sich nur das raussucht, von dem er profitiert. Wir brauchen größeren gemeinschaftlichen Willen hinsichtlich Haushaltsdisziplin und einer enger abgestimmten Fiskalpolitik. Ich halte es für falsch, derzeit aus politischer Rücksichtnahme über die Verstöße gegen den Maastrichter Vertrag in Spanien, Portugal und Frankreich hinwegzusehen, wir müssen diese Vereinbarungen wieder ernst nehmen.- Deutschland als größtes Land hat viel früher dagegen verstoßen.Das war sicherlich der Kardinalfehler, kann aber nicht als Entschuldigung für schwerwiegende Folgefehler gelten.- Nur wenn in immer mehr Ländern Rechtspopulisten an Macht gewinnen, ist die Frage, ob dort die europäische Idee noch zählt.Eine spannende politische Frage. Da sind große Politiker gefragt, die in der breiten Bevölkerung einer Vision eines geeinten Europa Akzeptanz verschaffen können. Vielleicht liegt auch ein Weg darin, nicht immer das Maximale erreichen zu wollen. Brüssel sollte in seinem Regelungsanspruch nicht immer nur “Mehr Europa” rufen, sondern manchmal auch klug Nein sagen – im gemeinsamen europäischen Interesse.—-Das Interview führte Silke Stoltenberg.