EU-Ratspräsidentschaft

„Payment for Orderflow ist eine akzeptierte Marktpraxis“

Nachdem im ersten Halbjahr unter französischer Führung keine Einigung der EU-Mitgliedstaaten beim umstrittenen Thema Payment for Orderflow gelungen war, unternimmt nun die tschechische Ratspräsidentschaft einen neuen Anlauf, um ein Verbot noch zu verhindern.

„Payment for Orderflow ist eine akzeptierte Marktpraxis“

ahe Brüssel

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft unternimmt einen neuen Anlauf, auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten einen Kompromiss beim umstrittenen Thema Payment for Orderflow (PFOF) zu finden. In einem sogenannten Non-Paper, das der Börsen-Zeitung vorliegt, sondiert die Ratspräsidentschaft unter der Führung von Finanzminister Zbynek Stanjura eine Alternative zu einem Verbot. Sie setzt dabei eher auf eine Straffung von Marktpraktiken, das Managen von möglichen Interessenkonflikten, mehr Transparenz sowie die bereits in der Marktrichtlinie Mifid II bestehenden Best-Execution-Vorschriften, um Kleinanleger zu schützen. Neue, parallele Vorschriften in der Mifir-Regulierung, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, werden von Prag abgelehnt.

Es gehe darum, „rechtlich klarzustellen, dass eine PFOF eine akzeptable Marktpraxis ist“ – wenn Interessenkonflikte bei Rückvergütungsmodellen ordnungsgemäß gehandhabt und offengelegt sowie die besten Ergebnisse für die Kunden erzielt würden, heißt es in dem Non-Paper der Tschechen.

Auch hier wird – ähnlich wie bei den Debatten im Europaparlament – eine PFOF-Regulierung zusammen mit der Einführung eines Consolidated Tape diskutiert, das Preis- und Handelsdaten für den ganzen Euroraum bereitstellen soll. Im Parlament versucht aktuell die polnische Berichterstatterin Danuta Hübner (EVP) einen Konsens in dieser Frage zu erreichen.

Nach Einschätzung der EU-Ratspräsidentschaft könnten etwa Post-Trade-Daten eines Consolidated Tape zeigen, dass bei einem Payment for Orderflow keine Kurse beeinflusst würden. In einer Übergangszeit bis zur Einführung eines solchen Tapes könnten demnach höhere Transparenzpflichten helfen: So müssten Kleinanleger klar über Rückvergütungen informiert werden, und ihnen müsste zudem eine Auswahl an alternativen Ausführungsplätzen für ihre Aufträge (mindestens ein anderer) einschließlich einer Kostenaufschlüsselung angeboten werden.

Studien geben unklares Bild

In dem Non-Paper wird in diesem Zusammenhang auch auf eine aktuelle wissenschaftliche Analyse zu den Auswirkungen von Rückvergütungsmodellen auf die Marktqualität verwiesen. Diese lege nahe, „dass anstelle eines unnötigen PFOF-Verbots das wichtigste wünschenswerte Regulierungsinstrument zur Erreichung eines fairen Aktienhandels für alle EU-Marktteilnehmer die Schaffung von Preistransparenz“ sei.

Auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten hatte bereits die französische Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr ein alternatives Modell zu einem PFOF-Verbot erarbeitet, das es mit Hilfe einer gemeinsamen regulatorischen Referenz möglich machen sollte, für jede Transaktion im Nachhinein die impliziten Ausführungskosten zu bestimmen. Auch hier spielte schon das Consolidated Tape eine wichtige Rolle, ebenso wie neue Informationspflichten, Aufsichtspflichten der europäischen Marktbehörde ESMA oder auch eine Klarstellung von Best-Execution-Pflichten. Frankreich schaffte es aber nicht, ausreichend große Unterstützung zu organisieren, und kehrte daher zum ursprünglichen Verbotsvorschlag der EU-Kommission wieder zurück, da dieser offenbar von mehr Ländern befürwortet wurde.

Viele Mitgliedstaaten verlangten klare und unbestreitbare Beweise dafür, dass PFOF-Praktiken der bestmöglichen Ausführung schadeten oder dass Makler, die Rückvergütungsmodelle nutzten, ausnahmslos gegen Mifid-Bestimmungen verstießen, erklärte die tschechische Ratspräsidentschaft jetzt. Es seien jedoch keine solchen unbestreitbaren Beweise verfügbar. Wissenschaftliche Arbeiten und andere Forschungsmaterialien seien bei diesem Thema zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangt. Auch wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten die von französischer Seite vorgeschlagene Kompromisslösung nicht akzeptiert habe, sei es sinnvoll, der Erörterung alternativer Ansätze für die PFOF-Frage mehr Zeit zu widmen, hauptsächlich durch einen genaueren Blick auf die bestehenden Best-Execution-Vorschriften, hieß es.

Ob sich die Tschechen mit ihren Vorstellungen durchsetzen können, scheint aktuell noch völlig offen. Auch im EU-Parlament liegt nach den Hübner-Berichtsentwürfen vom Sommer noch keine abgestimmte Position vor. Ein Abschluss des Gesetzgebungsprozesses wird in Brüssel daher erst 2023 erwartet.

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