London zielt auf Private Markets

„An der Börse für einen Tag“

Die London Stock Exchange Group wird privat gehaltenen Firmen einen Sekundärmarkt für Unternehmensanteile bieten. Pisces soll Unternehmen Zugang zu Liquidität bringen und Anlegern die Tür zu den derzeit hoch im Kurs stehenden Private Markets öffnen. Doch es gibt durchaus Zweifel an dem Konzept.

„An der Börse für einen Tag“

„An der Börse für einen Tag“

Londoner Börse bringt dieses Jahr Sekundärmarkt für private Unternehmensbeteiligungen an den Start

von Andreas Hippin, London

Die London Stock Exchange Group wird privat gehaltenen Firmen einen Sekundärmarkt für Unternehmensanteile bieten. Pisces soll Unternehmen Zugang zu Liquidität bringen und Anlegern die Tür zu den derzeit hoch im Kurs stehenden Private Markets öffnen. Doch es gibt Zweifel an dem Konzept.

Die London Stock Exchange Group wird dieses Jahr Pisces an den Start bringen, einen Sekundärmarkt für Anteile an privat gehaltenen Unternehmen. Pisces hat nichts mit dem Sternbild Fische zu tun, sondern steht für Private Intermittent Securities & Capital Exchange System.

Der konservative Schatzkanzler Jeremy Hunt hatte den Rahmen dafür im Frühjahr vergangenen Jahres zusammen mit seinem Haushaltsentwurf vorgestellt. Unter der im Juli gewählten Labour-Regierung gingen die Vorbereitungen dafür ungebremst weiter. Bislang gab es so etwas nur außerhalb der Landesgrenzen des Vereinigten Königreichs, etwa in Form der Plattform Nasdaq Private Markets.

Große Wachstumshoffnungen

In dem Thema stecken große Wachstumshoffnungen. Schließlich will auch die neue Schatzkanzlerin Rachel Reeves die heimischen Pensionsfonds dazu bringen, in heimische Infrastruktur, Venture Capital und Private Equity zu investieren. Pisces könnte zum Portal dafür werden.

Bislang fühlen sich die Altersvorsorgepläne jedoch in erster Linie ihren Mitgliedern verpflichtet. Deshalb legen sie ihr Geld dort an, wo sie die größten Chancen sehen, und das ist meist nicht in Großbritannien. Doch werden die Stimmen lauter, die für diverse Steuerprivilegien eine Gegenleistung sehen wollen.

Es gibt ganz klar ein Problem für private Unternehmen, wenn es um den Zugang zu Liquidität geht. Für Pisces gibt es die Chance, eine sehr innovative Struktur zu sein, mit der sich diese Herausforderung angehen lässt.

David Schwimmer, CEO London Stock Exchange Group

Interesse aus aller Welt

„Wir haben eine Menge Interesse gesehen“, sagt David Schwimmer, CEO der London Stock Exchange Group. Private Equity und andere Beteiligungsgesellschaften hätten sich ebenso gemeldet wie privat gehaltene Unternehmen. Das Interesse sei aus der ganzen Welt gekommen, aus den Vereinigten Staaten, Europa und Asien. „Es gibt ganz klar ein Problem für private Unternehmen, wenn es um den Zugang zu Liquidität geht“, sagt Schwimmer. “Für Pisces gibt es die Chance, eine sehr innovative Struktur zu sein, mit der sich diese Herausforderung angehen lässt."

Pisces ermögliche es der LSEG, private Unternehmen dazu einzuladen, ihre Marktinfrastruktur zu nutzen. Sie könnten auf diese Weise „für einen Tag an der Börse“ sein und dann wieder privat. Die Firmen bekämen dadurch Zugang zu Liquidität, die Anleger Zugang zu privat gehaltenen Unternehmen. Das sei doch „eine sehr attraktive und interessante Struktur“.

Regelwerk kommt im Mai

Die britische Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) arbeite an ihrem Regelwerk für Pisces, sagt Schwimmer. Eine Konsultation dazu sei gerade zu Ende gegangen. Er rechne damit, dass das Regelwerk im Mai veröffentlich wird. Im Juli könne man dann eine „Sandkasten-Struktur“ aufsetzen, um Pisces zu testen.

„Ohne klare Vorteile im Vergleich zu bestehenden Alternativen besteht das Risiko, dass Pisces zu einer Lösung wird, die nach einem Problem sucht“, sagt Douglas Grant, CEO der Manx Financial Group. Weil Pisces lediglich einen Sekundärmarkthandel ermögliche, gebe es für viele Unternehmen wenig Anreize dazu, das neue System zu nutzen. Denn es lasse sich dort kein frisches Kapital einsammeln.

„Unnötige Komplexitäten“

„Separate Regimes für Primär- und Sekundärmärkte zu managen, könnte unnötige Komplexitäten mit sich bringen“, gibt Grant zu bedenken. „Ein kritischer Faktor für den Erfolg wird die Aufstellung von steuerlichen Anreizen sein, um die Beteiligung von Unternehmern zu fördern. Ohne einen unterstützenden Rahmen wird die Akzeptanz vielleicht begrenzt sein.“

Zudem könnten bestehende Plattformen wie der Londoner Wachstumsmarkt Aim (zuvor: Alternative Investment Market) Pisces als Bedrohung statt als komplementäres Werkzeug sehen. Das würde die Wirkung auf den Markt zusätzlich dämpfen.

„Nicht viel mehr als eine neue Version von Aim“

„Pisces ist nicht viel mehr als eine neue Version von Aim“, wird Cees Vermaas, der CEO der Böre TISE (The International Stock Exchange) auf Guernsey, von der „Financial Times“ zitiert. Es gebe immer noch Veröffentlichungspflichten. Unternehmen hätten viele Kosten zu tragen, die auch bei einer regulären Notierung anfielen.

Seine 1998 gegründete Börse steht in direktem Wettbewerb zu Pisces. Ihre Plattform TISE Private Markets bietet privat gehaltenen Firmen die Möglichkeit, Auktionen ohne Broker durchzuführen. Sein Zielmarkt: mehr als 19.000 private Firmen mit mehr als 100 Beschäftigten und einer Aktienstruktur.

Mehr Auswahl

Bislang hätten sie entweder Private Equity ins Boot nehmen oder eine Börsennotierung eingehen müssen, um Anteile übertragen oder neue Investoren an Bord holen zu können. Nun zielt Pisces auf eine ähnliche Klientel.

„Investoren wollen Auswahl dabei haben, wie sie eine Transaktion ausführen“, sagt Adam Conn, Head of Trading beim schottischen Assetmanager Baillie Gifford. „Pisces verschafft uns mehr Auswahl. Deshalb wird es ein Ausführungsort sein, den wir beim Kauf oder Verkauf von Private Equity in Erwägung ziehen werden.“

Weiterentwicklung der Eigentümerstruktur

Für Liquidität zu sorgen, bedeute aber nicht, dass den Firmen Mittel zufließen, sagt Conn. Es müsse aber auch etwas für die Unternehmen herausspringen. Sie könnten zum Beispiel ihre Eigentümerstruktur (Cap Table) weiterentwickeln.

„Bestehende Early-Stage-Investoren, die vielleicht nicht über die nötige Größe verfügen, um das Unternehmen auf dem Weg zu seinem nächsten Wachstumsmeilenstein finanziell zu unterstützen, können aussteigen“, sagt Conn. „ Neue Investoren können ihren Platz einnehmen.“

Niedrigere Kapitalkosten

Early-Stage-Investoren könnten wieder das tun, was sie am besten können: ihr Geld in Firmen stecken, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Liquiditätsprogramme der Firmen könnten zu einem Derisking beitragen und bei ersten Finanzierungsrunden den Liquiditätsabschlag reduzieren. Am Ende könnten die Kapitalkosten für private Firmen sinken.

„Wenn wir eine starke Wirtschaft hervorbringen wollen, ist alles eine willkommene Weiterentwicklung, was privaten Firmen Größe verschafft und privaten Investoren Zugang zu Wachstumschancen gibt“, sagt Conn.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.