Quereinsteiger sind in Banken hochwillkommen
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften zeigen sich Banken und Sparkassen zunehmend offen gegenüber Mitarbeitern aus anderen Branchen. „Wir beobachten seit etwa einem Jahr, dass immer mehr Institute Beschäftigte einstellen, die schon eine Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich absolviert haben, allerdings nicht in einer Bank“, sagt Frank Lorenz, Geschäftsführer und Prorektor für Weiterbildung der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management (HFM) in Bonn. Deren Träger ist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Von den aktuell rund 850 Studenten in fünf Studiengängen stammen rund 85% aus der S-Finanzgruppe.
„Branchen, in denen Finanzinstitute besonders interessiert nach neuen Mitarbeitern suchen, sind Einzelhandel, Hotellerie/Gastronomie und die Event-Industrie, also Veranstaltungskaufleute“, führt Lorenz weiter aus. Sie würden oftmals in den Servicebereichen der Banken und Sparkassen eingesetzt, wo es eher um standardisierte Prozesse gehe und keine Bankausbildung in aller Tiefe vonnöten sei, aber Dienstleistungs- und Kundenorientierung sowie Kontaktfähigkeit eine große Rolle spielten. Die Beschäftigten der von der Corona-Pandemie besonders gebeutelten Branchen sind es Lorenz zufolge zudem gewohnt, betriebswirtschaftlich zu denken und zu handeln und bringen die nötige Veränderungsbereitschaft mit.
Die sei auch verstärkt in der Finanzbranche zu beobachten, sagt der Prorektor. „Die Belegschaften werden diverser. Der Weg in die Bank führt nicht mehr traditionell ausschließlich über die Ausbildung zum Bankkaufmann oder das betriebswirtschaftliche Studium. Mittlerweile sind die Eingangstüren deutlich breiter geworden.“ Die größere Offenheit von Finanzinstituten, die nicht nur „händeringend“ Nachwuchs- und Fachkräfte, sondern auch schlicht Arbeitskräfte suchten, zeige sich unter anderem auch darin, dass Studienabbrecher als Quereinsteiger hochwillkommen seien. Institute suchten die Zusammenarbeit mit Hochschulen, um Studierenden, die sich mit Wechselgedanken tragen, eine Anschlussperspektive zu geben. „Quereinsteiger sind für die Institute hochinteressant, zum einen, weil sie sie nicht als gescheitert betrachten, sondern als Menschen, die über Berufs- und Lebenserfahrung verfügen und genau wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen“, sagt Lorenz. „Unter der Überschrift Diversität spielen sie in den Instituten mittlerweile eine wichtige Rolle.“
Ein Absenken von Qualitäts- und Leistungsanforderungen hat Lorenz nach eigenem Bekunden nicht ausgemacht. Allerdings würden in den Auswahlverfahren der Banken, insbesondere, wenn es um Auszubildende gehe, heute andere Kriterien angelegt als früher. Beispielsweise rücke die Persönlichkeit in vielen Bewerbungsverfahren in den Vordergrund. „Natürlich ist es wichtig, dass sich jemand, der im Kundenkontakt steht, adäquat ausdrücken und schriftlich formulieren kann, dass er über Grundwissen der Mathematik verfügt. Aber das reine Festklammern an der Mathe- und an der Deutschnote hat sich relativiert“, berichtet Lorenz. Verstärkt werde darauf geachtet, ob der Bewerber zum Unternehmen passe, kommunikativ sei und die Bereitschaft mitbringe, zu lernen und sich in neue Themen einzuarbeiten.
Ebenso wichtig wie Geld zu verdienen sei für Nachwuchskräfte Sinn in der Arbeit, sagt Lorenz. Damit können aus seiner Sicht vor allem Genossenschaftsbanken und Sparkassen punkten. Beide sind regional verankert, und während Sparkassen einen öffentlichen Auftrag haben, gilt für Volks- und Raiffeisenbanken das genossenschaftliche Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“. „Nachwuchskräfte arbeiten gerne, aber nicht um jeden Preis“, weiß Lorenz. „Haben sie das Gefühl, immer 120% geben zu müssen, werden sie kritisch. Sie akzeptieren zwar Schwankungen, möchten aber auch die Möglichkeit haben, andere Dinge, die für sie persönlich wichtig sind, in ihr Leben zu integrieren.“
Von hohem Wert sei jungen Menschen auch Sicherheit – ein Faktor, der wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs an Bedeutung gewonnen habe. Schließlich hätten sie in den vergangenen drei Jahren eine krisenhafte Zeit erlebt. „Sie möchten Stabilität. Das ist etwas, was die so oft als konservativ belächelten Sparkassen und Banken bieten können.“
Finanzinstitute, sagt Lorenz, stünden aber nicht nur vor der Herausforderung, gute Mitarbeiter zu finden, sondern auch, sie zu halten. Das erweise sich in der jüngeren Generation als besonders diffizil, mangele es ihr doch nicht an Alternativen. „Wenn sie merken, dass von den Punkten, die ihnen in der Arbeitswelt besonders wichtig sind, mehrere dauerhaft bei ihrem Arbeitgeber nicht gegeben sind, dann werden sie sich schnell eine Alternative suchen.“
Um die Bindung zum Arbeitgeber zu stärken, könne seine Hochschule eine wichtige Rolle spielen, sagt Lorenz. „Wir betrachten uns als verlängerten Arm der Arbeitgeberattraktivität von Finanzinstituten.“ Schließlich könnten sie Mitarbeitern wie Bewerbern berufliche Entwicklungspfade via Studium oder Weiterbildung über die Hochschule aufzeigen. Insofern sei die Bildungsstätte auch als ein Baustein zu betrachten, um den Nachwuchs- und Fachkräftemangel in der Branche zu lindern.
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