Finanzaufsicht

„Regulierung ist Politik mit anderen Mitteln“

Viel Wind ist um die grundsätzliche Einigung gemacht worden, die Großbritannien und die EU in der vergangenen Woche zur Zusammenarbeit im Bereich der Finanzaufsicht erzielt haben. Dabei arbeitet man in internationalen Gremien ohnehin zusammen. Die...

„Regulierung ist Politik mit anderen Mitteln“

Von Andreas Hippin, London

Viel Wind ist um die grundsätzliche Einigung gemacht worden, die Großbritannien und die EU in der vergangenen Woche zur Zusammenarbeit im Bereich der Finanzaufsicht erzielt haben. Dabei arbeitet man in internationalen Gremien ohnehin zusammen. Die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness kann sich mit der Entscheidung zur Äquivalenz der Regulierung Zeit lassen. In der City of London hat man sich in den vergangenen Monaten von der Idee verabschiedet, reibungslosen Marktzugang zu erhalten. „Der Zug ist wirklich abgefahren“, sagt Tom Clougherty, Head of Tax beim Centre for Policy Studies, auf einer Veranstaltung der konservativen Denkfabrik. „Es war immer unrealistisch zu glauben, dass Großbritannien langfristig Regeln von anderen übernehmen wird.“ Dagegen spreche allein schon die Bedeutung der Finanzbranche für die Volkswirtschaft. „Der Brexit ist die Gelegenheit, auf die wir gewartet haben, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wieder Priorität zu geben.“

Veränderte Stimmungslage

Ende vergangenen Jahres habe sich die Stimmungslage geändert, sagt Jonathan Hill, einer der Vorgänger von McGuinness in Brüssel. Für ihn war die Hoffnung auf eine Äquivalenzvereinbarung ohnehin nur eine der „verschiedenen Formen von Wunschdenken darüber, was passieren wird“. Mittlerweile habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass „uns unsere früheren Partner nicht erlauben werden, alles auf einmal haben zu wollen“. Die Stimmung habe sich verändert. Man wolle nun das Beste daraus machen. Man müsse nach vorn blicken. „Regulierung ist Politik mit anderen Mitteln“, sagt Hill. Das habe er in den vergangenen Jahren gelernt.

Nachdem es nicht mehr in den konsensbasierten, arbeitsintensiven Entscheidungsprozess der EU eingebunden sei, habe Großbritannien nun die Möglichkeit, schneller und geschickter zu agieren. Das gelte vor allem für Bereiche wie Fintech, die bislang nicht stark reguliert seien. „Da liegt die Chance“, sagt Hill, nicht in der Abweichung von den europäischen Regeln um ihrer selbst willen. Das Gerede von Singapore-on-Thames und von einem Fegefeuer der Regelwerke sei der falsche Ansatz gewesen. Hill misst der von City-Minister John Glen im Oktober vergangenen Jahres auf den Weg gebrachten zweiten Phase der Future Regulatory Framework (FRF) Review große Bedeutung bei. Mit der umfassenden Konsultation stellt das Schatzamt den bisherigen regulatorischen Rahmen, der in erster Linie aus in britisches Recht übernommenen europäischen Vorschriften besteht, auf den Prüfstand. Noch liegt kein Ergebnis vor.

„Unsere Politiker und Regulierer haben jetzt die Möglichkeit, einen Rahmen für uns und für uns als globales Zentrum festzulegen“, sagt Hill. Man werde schwere Entscheidungen treffen müssen, etwa zwischen ESG und Anlegerschutz auf der einen Seite und dem Eindruck von Firmen, ohnehin schon durch die Regulierung schwer belastet zu werden, auf der anderen. „Wir wollen uns nicht vom Anlegerschutz entfernen“, sagt Hill. Wenn man am Ende den Goldstandard für Anlegerschutz habe, die Unternehmen aber woanders hingingen, werde niemand in Großbritannien etwas davon haben. Was nutze einem ein Markt, der so perfekt reguliert sei, dass dort keiner mehr Geschäfte machen wolle?

Viele Leute hätten 35 Jahre danach den Eindruck, dass es beim „Big Bang“ allein um Deregulierung gegangen sei, bemängelt Clougherty. „Dabei war die Idee, den Old Boys Club zu zerschlagen und die City für die Welt zu öffnen.“