GASTBEITRAG

Reits als Kapitalanlage von Versicherern

Börsen-Zeitung, 3.3.2015 Immobilieninvestitionen haben Tradition in der deutschen Versicherungswirtschaft. Ihre Attraktivität liegt in langfristig stabilen Zahlungsströmen und in der Sicherheit, die sie als Realwerte gegen inflationäre Tendenzen und...

Reits als Kapitalanlage von Versicherern

Immobilieninvestitionen haben Tradition in der deutschen Versicherungswirtschaft. Ihre Attraktivität liegt in langfristig stabilen Zahlungsströmen und in der Sicherheit, die sie als Realwerte gegen inflationäre Tendenzen und Extremrisiken wie z. B. Währungsreformen bieten können. Ende 2013 hatten deutsche Versicherer ca. 46 Mrd. Euro in Immobilien investiert.Unter dem Eindruck der Finanzkrise sowie des globalen Niedrigzinsumfeldes baut die Branche ihr Engagement in Immobilien aus. Überwiegend erwerben sie diese direkt oder beteiligen sich an Gesellschaften und Fonds. Der Aufwand kann beträchtlich sein. Erschwerend kommt derzeit ein massiver Nachfrageüberhang hinzu: In den Investitionsmärkten konkurrieren sie mit Staatsfonds, Immobilienfonds und börsennotierten Immobiliengesellschaften.Die börsennotierten Immobiliengesellschaften – hier verallgemeinernd als “Reits” (Real Estate Investment Trust) bezeichnet – bieten ein diversifiziertes Immobilieninvestment. In den USA, in Asien und Europa haben sich breite und tiefe Märkte etabliert. Die Marktkapitalisierung lag per Ende 2014 bei 1 036 Mrd. Euro, der Börsenumsatz im Durchschnitt des Jahres über 2 Mrd. Euro – täglich.Investitionen in Reits gewähren somit einen effizienten Marktzugang und weisen gerade für langfristige Investoren Vorteile auf. In der Immobilienkapitalanlage von deutschen Versicherern spielen sie jedoch mit einem Anteil von weniger als 1 % kaum eine Rolle. Haupthemmnisse liegen in der Risikowahrnehmung und in den regulatorischen Rahmenbedingungen.Versicherer verfolgen in der Immobilienanlage überwiegend eine langfristig orientierte “Buy and Hold”-Strategie und setzen dabei auf Objekte hoher Qualität in sehr guten Lagen mit dauerhaft hoher Nachfrage. Reits sind selbst in der Regel Bestandshalter. Als solche bieten sie Zugang zu sehr guten Objekten in den bedeutenden Nutzungsarten und zu langjähriger lokaler Expertise. Damit kann der Investor eine seinem Anforderungsprofil entsprechende Diversifikation gezielt umsetzen.Gleichzeitig erlauben die verfügbaren Informationen für viele Reits eine adäquate Einschätzung des Portfolio- und Unternehmenswertes, so dass diese sich als Anlageoption für Versicherer qualifizieren. Insbesondere in Europa treibt die Industrieorganisation EPRA Transparenz und Standards seit Jahren voran. Aber auch für die relevanten Unternehmen in Nordamerika und Asien sind umfangreiche Informationen verfügbar.Versicherer können damit in Reits mit den angestrebten Immobilien- und Einkommenseigenschaften investieren. Vorausgesetzt sind allerdings sorgfältige Analyse und Selektion, denn auch unter den Reits existieren Unternehmen, die nicht hinreichend transparent, nicht adäquat bewertbar und somit kaum investierbar sind. Konservative FinanzierungVersicherer sind an einem niedrigen Fremdkapitalanteil interessiert. Ein wichtiger Grund liegt darin, dass Fremdkapital die Immobilieninvestition von grundlegend nachgesuchten Eigenschaften entkoppelt: Der sicherste Teil von Einkommen und Wert wird an den Darlehensgeber abgetreten, während für das investierte Eigenkapital die Einkommens- und Wertrisiken signifikant steigen. Besondere Gefahr droht bei außergewöhnlich niedrigen Darlehenszinsen und hohen Objektwerten. Zinsanstiege oder Mietrückgänge können dann zu hohen Verlusten führen. Die Konsequenzen haben Investoren hoch verschuldeter Unternehmen in der Finanzkrise leidvoll erfahren: Durch Kapitalerhöhungen zur Finanzierung der Darlehensrückzahlungen, die im Krisenumfeld zu Kursen weit unter Net Asset Value (NAV) durchgeführt werden mussten, wurden Aktienwerte substanziell verwässert und Investoren somit in der Substanz enteignet.Damit ist eine wichtige Brücke zur Incentivierung des Managements geschlagen. Wenn das Vergütungssystem auf eine kurzfristige Maximierung der Eigenkapitalverzinsung fokussiert, ist bei positivem Leverage-Effekt der Sog hin zu hohen Fremdkapitalquoten besonders ausgeprägt. Die langfristig orientierten Versicherer werden daher ausschließlich konservativ finanzierte Reits als Kapitalanlage in Erwägung ziehen. Das Risiko können sie bewusst selektieren: Sie verfügen über Transparenz zum Verschuldungsgrad, zur Finanzierungsstrategie und zur Incentivierung des Managements. HemmnisseBörsenbewertungen von Reits unterliegen häufigeren Änderungen als die einmal jährlich gutachterlich festgestellten Werte im Direktbestand. Ihre kurzfristige Entwicklung folgt eher dem Aktienmarkt als den “Realmärkten”.Sich auf diese Beobachtung zu beschränken hieße jedoch, den kurzfristigen und liquiditätsgetriebenen “Kurs” von Reits mit dem langfristigen und substanzbasierten “Wert” ihrer Portfolien gleichzusetzen. Das ist für Versicherer nicht angemessen, denn es unterstellt eine kurzfristige Trading-Strategie. Für den mehrjährigen Anlagehorizont der Assekuranz weisen aber zahlreiche wissenschaftliche Analysen einen engen Zusammenhang zwischen der Wertentwicklung von Reits und den Realmärkten nach.Deshalb sollte hier der NAV als deutlich relevantere und auch stabilere Bezugsgröße herangezogen werden. Er gründet auf den Wert des Immobilienportfolios, adjustiert um Fremdkapital und sonstige Positionen. Über den NAV lassen sich Reits in der Kapitalanlage von Versicherern sinnvoll und dem Direktbestand vergleichbar abbilden.Deutlich einschränkend wirkt allerdings das regulatorische Umfeld, vor allem die Festlegungen von Solvency II zur Ermittlung des Risikokapitalbedarfs (SCR). Bereits für den Direktbestand unterstellt das Standardmodell eine SCR von 25 % – unabhängig von Lage, Nutzungsart und Qualität der Objekte. Schon dieser Wert wird als zu hoch erachtet. IPD hat eine angemessene Höhe von 15 % für vollständig eigenkapitalfinanzierten Direktbestand in Europa ermittelt. Solvency II belastet ReitsReits und Immobilienaktien werden mit einer SCR von 39 % belegt (49 % außerhalb der OECD). Damit wird die börsennotierte Immobilienanlage nochmals deutlich stärker als der Direktbestand belastet. Diese Regelung straft darüber hinaus Investitionen in konservativ finanzierte Reits besonders ab, denn die höchste Risikokapitalverzinsung wird mit einem hohen Fremdkapital-Hebeleffekt realisiert. So ist Solvency II mit überaus hohen Belastungen für Reits verbunden und fördert das Eingehen höherer Risiken durch Begünstigung von Fremdkapitalfinanzierung. Weitere Regelungen wie z. B. die Mindestzuführungsverordnung verstärken die deutliche Bremswirkung für ein stärkeres Engagement deutscher Versicherer in Reits.Zusammengefasst sind Reits für die Kapitalanlage deutscher Versicherer eine attraktive Ergänzung. Sie bieten die Möglichkeit, global diversifiziert und effizient in Immobilienportfolien hoher Qualität zu investieren. Reits entwickeln sich längerfristig im Einklang mit den Realmärkten und weisen vergleichbare Cash-flow- und Werteigenschaften auf. Jedoch behindert der bestehende regulatorische Rahmen ein stärkeres Engagement. Eine Anpassung ist dringend geboten.—-Stefan Krausch, Leiter Portfolio Management Immobilien MEAG